Schwarzbuch 2022/2023 - Bund der Steuerzahler fordert Aus für Berliner Flussbad-Projekt

Mi 19.10.22 | 15:13 Uhr
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Archivbild:Im Spreekanal am Humboldt Forum soll laut beschlossenen Stadtumbauprojekt des Berliner Senats ein Flussbad entstehen(27.10.2020):(Quelle:dpa/F.Sommer).
Audio: rbb24 Inforadio | 19.10.2022 | Karsten Zummack | Bild: dpa/F.Sommer

Der Bund der Steuerzahler hat sein jährliches Schwarzbuch veröffentlicht. Wieder werden zahlreiche öffentliche Investitionen als "Verschwendung" angeprangert - auch in Berlin und Brandenburg.

Der Bund der Steuerzahler (BdSt) hat gefordert, alle Planungen für ein Flussbad im Spreekanal in Berlin-Mitte zu stoppen. "Für das sich hier ankündigende Millionengrab muss sofort die Reißleine gezogen werden", heißt es im sogenannten Schwarzbuch, das am Mittwoch veröffentlicht wurde. Jährlich werden öffentliche Investitionen in Deutschland aufgelistet, bei denen nach Einschätzung des BdSt Geld verschwendet wurde.

BdSt: Geld besser in Berliner Bäder investieren

Mit den geplanten 77 Millionen Euro für das Flussbad könne alternativ rund die Hälfte des Sanierungsrückstaus bei den Berliner Bädern beseitigt werden, so der Verband. Dies käme dem Schul- und Vereinsschwimmen zugute.

Der Vorsitzende des Bundes der Steuerzahler Berlin, Alexander Kraus, sagte dem rbb, er hoffe, dass man den zuständigen Senator beim Wort nehmen könne und er das Vorhaben verwerfe.

Weitere Berliner Fälle im Schwarzbuch

Kraus kritisierte zudem das kostenlose WLAN-Angebot an verschiedenen Orten in Berlin. Das sei nicht mehr zeitgemäß; mittlerweile gebe es überall Handy-Empfang in der Stadt. "Aus einer im Jahr 2014 geplanten Anschubfinanzierung von 170.000 Euro für einen freien Wlan-Zugang in Berlin wurden mittlerweile Kosten von 3,2 Millionen Euro", heißt es im Schwarzbuch.

Verschwendung drohe auch beim geplanten Um- beziehungsweise Rückbau eines Gehwegs in Pankow, so Kraus. Demnach wurde der Gehweg erst für etwa 50.000 Euro "frisch saniert". Dieser soll gegen das Berliner Mobilitätsgesetz verstoßen.

Potsdamer Garnisonkirche im Schwarzbuch

Auch die Finanzierung für den Bau der Potsdamer Garnisonkirche wurde im Schwarzbuch kritisiert. Demnach habe der Bund die Bewilligung der Fördermittel nicht hinreichend geprüft, ob die Stiftung die nötigen Mittel aufbringen kann. Zudem sei fraglich, warum nicht eine günstigere Bauweise gewählt wurde. Beides führt laut BdSt letztlich zu höheren Ausgaben aus Steuermitteln.

Der neue Potsdamer Garnisonkirchturm wird seit 2017 gebaut. Weit mehr als 20 Millionen Euro der deutlich über 40 Millionen Euro liegenden Baukosten werden vom Bund finanziert.

Kritik an Schwarzbuch und BdSt

Der Bund der Steuerzahler ist ein Lobbyverband, der sich für die Senkung von Steuern sowie die Verringerung von Staatsverschuldung einsetzt. In den vergangenen Jahren mehrte sich die Kritik am Schwarzbuch des BdSt. So verwies der Bundesrechnungshof darauf, dass sich die Vorwürfe des Steuerzahlerbundes nicht immer durch Fakten erhärten ließen. Ein weiterer Vorwurf lautet, dass der Verein eher wirtschaftsliberale Interessen als die Anliegen aller Steuerzahler vertrete.

Dabei wird eine Studie des Berliner Politikwissenschaftlers Rudolf Speth aus dem Jahr 2008 [lobbycontrol.de] angeführt. In der für die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung angefertigten Studie stellt Speth fest, der Bund der Steuerzahler nehme zwar für sich in Anspruch, für alle Steuerzahler zu sprechen. Seine Mitgliederschaft bestehe aber überwiegend aus Kleingewerbetreibenden und Freiberuflern. Diesen Gruppen gelte das Hauptaugenmerk seiner politischen Forderungen. Die Studie hatte ergeben, dass etwa 60 Prozent der BdSt-Mitglieder Unternehmer und Unternehmen sind, weitere 15 Prozent Freiberufler. Diese Mitgliederstruktur schlage sich nach Speth auch in den politischen Forderungen des Steuerzahlerbundes nieder: Ein schlanker Staat und niedrige Steuersätze gelten als Allheilmittel.

Sendung: rbb24 Abendschau, 19.10.2022, 19:30 Uhr

18 Kommentare

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  1. 18.

    Hallo Jockel, Sie haben natürlich völlig recht, wenn Sie diverse Parkplätze als Müllplätze bezeichnen und leider beschränkt sich das nicht nur auf die Parkplätze.
    ABER diese sind nicht in der historischen Mitte Berlins und auch nicht vor dem HUMBOLDTFORUM.
    Ich finde, dass das ein gravierender Unterschied ist.

  2. 17.

    Nicht Sie allein sind Souverän, ich bin es gleichwertig mit Ihnen auch. Und ich als Steuerzahler bin definitiv anderer Auffassung als Sie. Mit welcher Begründung also solche Anklage?

  3. 16.

    Selbstverständlich sind die Auffassungen der Bürger und Steuerzahlenden sehr breit gestreut. Es könnte in einer Demokratie auch garnicht anders sein. Sich selbst den Namen "... DER Steuerzahler" zu geben, ist schon reichlich dreist.

    Als Steuerzahler weise ich auf jeden Fall dieses Ansinnen als maßlos zurück.

  4. 15.

    Warum wird für sowas keiner wegen Untreue angeklagt? Das sind auch meine Steuergelder!

  5. 14.

    "Hier wird vom Staat ein Konkurrenzangebot aus Mitteln aufgebaut, die eingenommen worden sind durch den Lizenzverkauf" Allein diese Aussage disqualifiziert Sie. Sollten Sie Widerspruch anmelden wollen, dürfen Sie gerne den Betrag benennen, den Berlin aus der VERSTEIGERUNG der Lizenzen erhalten hat. Ohne belastbare Zahlen ist Ihre Aussage belanglos.
    Die privaten Diensteanbieter waren raffgierig und haben die Hoffnung gehabt ganz schnelles Geld zu machen.
    Bis heute ist der Netzausbau nicht nur von grauen Flecken sondern von weißen Landstrichen durchzogen. Selbst Vodafone, welches GSM-RAIL betreibt, ist nicht in der Lage entlang der Bahnstrecken für die IC/RE ein durchgängig verfügbares Kunden-Netz zu betreiben.
    Merken Sie was?

  6. 13.

    „… Ein weiterer Vorwurf lautet, dass der Verein eher wirtschaftsliberale Interessen als die Anliegen aller Steuerzahler vertrete. …“ Ja, das ist ein Vorwurf vorwiegend linker Kräfte, die die Staatsverschuldung hochtreiben wollen und erst Ruhe geben, bis wirklich jeder erwirtschaftete Euro im staatlichen Moloch versickert ist. Die vom Rbb seit Jahren unter jedem Schwarzbuch-Bericht zitierte Böckler-Studie ist 14 Jahre alt, war damals auch nicht „unumstritten“ und wurde dann übrigens auch nach einer Unterredung mit dem BdSt „entschärft“.

  7. 12.

    Hier wird vom Staat ein Konkurrenzangebot aus Mitteln aufgebaut, die eingenommen worden sind durch den Lizenzverkauf von Frequenzen an private Unternehmen, die ebenfalls mobile Datennutzung anbieten. Ist das nicht ein Widerspruch? Kostenloses angucken von Videofilmchen gehört wohl kaum zu öffentlichen Daseinsvorsorge, die vom Steuerzahler bezahlt werden muss, oder?

  8. 11.

    Einem Verein, der Staatsausgaben kritisiert, ausgerechnet in einer parteinahen Studie vorzuwerfen Lobbyismus zu betreiben und wirtschaftsliberale Interessen zu vertreten... Nur weil der Verein überwiegend Kleinunternehmer als Mitglieder hat, heißt es ja dennoch nicht, dass die Kritik nicht im Einklang mit Bürgermeinungen steht.

  9. 10.

    Dann haben Sie aber den neuen Radweg Märkische Allee/Bitterfelder Straße noch nicht gesehen. :)))))
    Der alte und gut intakte liegt ca 200m weiter. Und davon mal abgesehen, sehe ich ca 1 Radfahrer pro Woche dort fahren!!!!!
    Kann man das eigentlich direkt beim Schwarzbuch melden?

  10. 9.

    Es sollte jedem klar sein bzw. klargemacht werden, dass Vereinsnamen selbstgewählte Bezeichnungen sind, mithin nicht (unbedingt) Dasjenige widerspiegeln, was im Namen genannt ist. Als Steuerzahler bin ich definitiv nicht der gleichen Auffassung wie der namentlich selbstbenannte Verband, deren Vertreter ich nicht gewählt habe und dem ich wegen des maßlosen Ansinnens auch nicht beitreten werde.

  11. 8.

    Wann werden die Verantwortlichen für ihre Verschwendung mal zur Kasse gebeten. Sie gehen mit den Steuern um ohne Sinn und Verstand. Ist ja nicht Ihr eigenes.

  12. 7.

    Teltow26TeltowMittwoch, 19.10.2022 | 16:10 Uhr
    "Wie üblich wird der Rat auf taube Ohren stoßen und von der Stadt ein weiteres Klientelprojekt durchgedrückt.Marode Schulen, Schwimmbäder usw., wen interessiert das bei den Verantwortlichen?"

    Ja das interessiert bei Verantwortlichen.

    Und das Schulen und Schwimmbäder Budget brauchen, hat rein überhaupt, rein völlig gar nichts mit der Idee zu tun, dass Oberflächenwasser in Berlin sauber und zum baden geeignet ist. DAS ist nämlich der langfristig, zukunftsweisende Gedanke am Flussbad.

  13. 6.

    Hmmm könnte ein Müllplatz werden.
    Fahren sie mal durch die Stadt und schauen sich auf einigen Parkplätzen um.Könnte man dann ja auch schließen.

  14. 5.

    Ich sehe auch den geplanten Radweg unter der Hochbahn in Kreuzberg als absolut unsinniges Projekt an. Gerade wurden z.B. in der Skalitzer Str. die popup-Radwege ausgebaut und unter der Hochbahn neue Parkplätze errichtet. Der Platz zwischen den Brückenpfeilern ist an vielen Punkte für ein im Gegenverkehr laufenden Radverkehr zu eng und damit gefährlich. Der besondere Aspekt der Querung von Straßen soll ja demnächst in einem Pilotprojekt zwischen Görlitzer Bahnhof und Kottbusser Tor getestet werden. Ich vermute, dass die Radfahrer, die es ja erfahrungsgemäß immer eilig haben, dieses besondere Verkehrsangebot eher wenig bis gar nicht nutzen werden. Dieses Projekt ist in meinen Augen eine Verschwendung von öffentlichen Mitteln. Soweit ich gelesen habe sind schon mal 3 Mio. Euro für das Pilotprojekt veranschlagt. Damit könnte man z.B. den Obdachlosen helfen, die unter dem Viadukt ihr Lager aufgeschlagen haben und dann verdrängt würden.

  15. 4.

    Dieses Projekt ist sinnlos und gehört eingestampft. Aber die CEO vom Verein feiern sich und das Projekt und wollen sich verewigen, leider mit Unterstützung vom Senat

  16. 3.

    Das Projekt "FLUSSBAD" ist so ein Blödsinn für die historische Innenstadt Berlins.
    Dafür sollten KEINE Steuergelder verschwendet werden.
    Dieses Bad würde den schönen Blick auf das Humboldtforum schmälern und bestimmt bald ein Müllplatz werden.

  17. 2.

    "Kraus kritisierte zudem das kostenlose WLAN-Angebot an verschiedenen Orten in Berlin. Das sei nicht mehr zeitgemäß; mittlerweile gebe es überall Handy-Empfang in der Stadt."
    Herr Kraus ist sich offensichtlich nicht bewusst, welchen Sprengstoff er da gerade anzündet!?
    Und die Zahl 3,2Mio sagt nichts aus. Was ist das? Seit 2014? Das sind bestimmt nicht nur Betriebskosten. Da sind bestimmt Unternehmer:innen dran beteiligt gewesen die Infrastruktur aufzubauen, die natürlich Steuern und Abgaben geleistet haben.


  18. 1.

    Wie üblich wird der Rat auf taube Ohren stoßen und von der Stadt ein weiteres Klientelprojekt durchgedrückt.Marode Schulen, Schwimmbäder usw., wen interessiert das bei den Verantwortlichen?

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