Muezzin-Diskussion in Köln - Gebetsruf nach draußen in Berlin derzeit kein Thema

Fr 14.10.22 | 13:07 Uhr | Von Josefine Janert
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Symbolbild: Ein Muezzin ruft über Lautsprecher zum islamischen Gebet auf.(Quelle:dpa/ANP)
Audio: rbb24 Inforadio | 14.10.2022 | Josefine Janert | Bild: dpa/ANP

Fünf Mal am Tag lädt der Muezzin Menschen muslimischen Glaubens zum Gebet ein. Die Kölner Zentralmoschee überträgt seinen Ruf seit dem 14. Oktober auch auf die Straße. Für Berlin ist das erst mal nicht geplant. Von Josefine Janert

Mehr als 300.000 Menschen muslimischen Glaubens leben in Berlin. Viele von ihnen beten in der libanesisch-arabisch geprägten Omar-Ibn-Al-Khattab-Moschee am U-Bahnhof Görlitzer Bahnhof in Kreuzberg.

Im großen Gebetsraum stellt sich kurz vor 18.30 Uhr ein junger Mann vor ein Mikrofon. Er gehört zu einer Gruppe von Muslimen, die in dieser Moschee reihum als Muezzin wirken. Morgens, mittags, nachmittags, abends und nachts fordern sie mit ihrem Ruf Menschen muslimischen Glaubens zum Gebet auf. In der Omar-Moschee ist das ein Ehrenamt. Wer es ausübt, dem bringt es Achtung ein. Gleichzeitig sei die Tätigkeit als Muezzin „eine große Ehre“ und „eine gute Tat“, die im Jenseits gutgeschrieben werde, erklärt Birol Uçan, der Sprecher der Moschee.

Ehe ein neuer Gebetsrufer tätig wird, hat er vorher einen Termin bei einem erfahrenen Muezzin, der ihn prüft. Gebe dieser sein Okay, könne der Neue starten, erläutert Uçan. Voraussetzung für das Amt sei eine wohlklingende, charismatische Stimme.

"Beten ist besser als schlafen"

Den Gläubigen, die sich jetzt im Gebetsraum einfinden, hat der Muezzin den Rücken zugewandt. Pünktlich zum Sonnenuntergang hebt er an: "Allahu Akbar!". Birol Uçan erläutert: "Das hat viele Bedeutungen, zum Beispiel: Gott ist allmächtig. Der Muezzin sagt dann das Glaubensbekenntnis auf. Er bezeugt, dass es keinen Gott außer Allah gibt, und dass Mohammed der Gesandte von Allah ist." Es folgen die Einladungen: "Komm zum Gebet!" und "komm in einen guten Zustand!"

Nur beim Morgengebet schließt sich ein weiterer Satz an: "Beten ist besser als schlafen!". Der Ruf dauert etwa fünf Minuten und ist in arabischer Sprache. Bislang ist der Muezzin nur im großen Gebetsraum der Omar-Moschee zu hören, nicht aber in den anderen Etagen und erst recht nicht auf der Straße.

60 Dezibel sind in Köln erlaubt

In Köln geht man derweil einen anderen Weg. Seit dem Herbst 2021 dürfen die 35 Moscheen in einem zweijährigen Modellprojekt bei der Stadt beantragen, den Gebetsruf am Freitagmittag nach draußen zu übertragen. Die Entscheidung führt bis heute weit über Köln hinaus zu heftigem Disput.

Bislang hat nur die Kölner Zentralmoschee mit Platz für 1.200 Gläubige einen solchen Antrag gestellt. Das Freitagsgebet ist für Menschen muslimischen Glaubens besonders wichtig. Daher wird der Mittags-Ruf des Muezzins seit dem 14. Oktober nur an diesem Wochentag aus der Zentralmoschee per Lautsprecher nach draußen übertragen. Doch das Gotteshaus des Islamverbandes Ditib, eines Ablegers der staatlich-türkischen Religionsbehörde Diyanet, muss sich dabei an behördliche Vorgaben halten: Laut Auflagen der Kommune ist eine Lautstärke von bis zu 60 Dezibel erlaubt. Das entspricht dem Geräuschpegel von normalem Straßenverkehr.

Viele Leute würden nicht verstehen, was da überhaupt gesagt wird

Birol Uçan, der Sprecher der Berliner Omar-Ibn-Al-Khattab-Moschee

Die Berliner Bevölkerung versteht den Sinn nicht

Auch die Dar as-Salam-Moschee in Berlin-Neukölln hatte im April 2020 den Gebetsruf nach draußen übertragen. Im Corona-Lockdown, als Gottesdienste verboten waren, sollte der Ruf des Muezzins ein "Zeichen des Zusammenhalts" sein. Doch der Neuköllner Gesundheitsstadtrat Falko Liecke (CDU) untersagte den Gebetsruf damals – auch, weil sich vor der Moschee mehrere hundert Menschen eingefunden hatten.

Und wie hält es der Träger der Omar-Moschee in Kreuzberg, der Islamische Verein für wohltätige Projekte? Laut Birol Uçan hat er keine Pläne, den Gebetsruf per Lautsprecher auf die Straße zu übertragen. In islamischen Ländern würde die Bevölkerung den Sinn dieser Tradition ja begreifen, selbst wenn sie eine andere Muttersprache habe als Arabisch. In Berlin sei davon aber nicht auszugehen. "Viele Leute würden nicht verstehen, was da überhaupt gesagt wird", sagt Uçan. Der Zusammenhang sei ihnen womöglich nicht klar.

Es kommt auf die Bebauung der Umgebung an

Sollte sich eine Berliner Moscheegemeinde entschließen, dem Kölner Beispiel zu folgen, müsste sie eine Ausnahmezulassung nach dem Landes-Immissionsschutzgesetz Berlin (LImSchg Bln) beantragen. "Die Genehmigung müsste das Umwelt- und Naturschutzamt erteilen", sagt Ismeta Mustafić-Hasifić vom Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg. Ob es dazu komme, hänge unter anderem davon ab, wie dicht die Umgebung der Moschee bebaut ist. Die Zulassung würde Uhrzeit und Lautstärke des Gebetsrufs regeln.

Mustafić-Hasifić berichtet, dass in Friedrichshain-Kreuzberg bislang keine derartigen Anträge gestellt worden seien.

Und die Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Europa teilt auf Anfrage mit, dass ihr – abgesehen von den Streitigkeiten um den Gebetsruf der Dar as-Salam-Moschee im April 2020 – "keine weiteren sogenannten Konflikte bekannt geworden" seien.

Sendung: rbb24 Inforadio, 14.10.2022, 11:50 Uhr

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Beitrag von Josefine Janert

41 Kommentare

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  1. 41.

    Schreiben Sie dich einfach kurz und knapp, dass Sie Religionsfreiheit als Bestandteil des Grundgesetzes überflüssig finden.

  2. 40.

    Und was ist mit den Christen, die sich an Sonntagen in Kirchen abschotten? Oder ist das etwas anderes?

  3. 39.

    "Ich habe als Mensch, der in einem Land lebt, wo Deutsch die Amtssprache ist, daß Recht zu erfahren, was öffentlichkeitswirksam gerufen wird oder geschrieben steht."

    Nein, das haben Sie nicht. Auch wenn Sie sich das offenbar einbilden. So einfach ist das.

  4. 36.

    Ja, die gehören auch nach Deutschland aber nicht dieses Geschreie aus einer Moschee. Das sollte weiterhin
    NUR im INNEREN einer MOSCHEE
    bleiben.
    Oder denken Sie, dass in deren Ländern Kirchenglocken läuten dürften??

  5. 35.

    Aha. Es gibt also Gesetze, die niemand niedergeschrieben hat, aber dennoch gelten (natürlich nur für Araber, Muslime o.ä.). Dann frage ich, wer diese "Gesetze" eigentlich beschlossen hat? Wo liegt ihre Legitimation? Ich bin bislang davon ausgegangen, dass in einem demokratischen Rechtsstaat Parlamente Gesetze beschließen. Das tun nicht Greti und Pleti auf der Straße oder die Alternative für Dumme.

  6. 34.

    Was die Kirchenglocken anbelangt: Ja, sie können laut sein. Aber:
    Die Kirchenglocke ist ein ANGEBOT, zum Gottesdienst zu gehen. Der Ruf des Muezzin ist eine AUFFORDERUNG zum Gebet, inclusive einem religiösem Alleinvertretungsanspruch. Da ist für mich ein sehr großer Unterschied.

  7. 33.

    Für mich gibt es mehr ungeschriebene als geschriebene Gesetze. Dazu gehört, daß ich gemeinsam in einer Gesellschaft lebe. Diese Gemeinsamkeit endet dort, wo sich Gruppen bestimmter Herkunft, bestimmten Glaubens o.ä. abschotten. Und zu dieser Abschottung gehören ebend auch Muezzinrufe in arabisch.

  8. 32.

    Mich würde mal interessieren wen er ruft nur Männer oder auch Frauen ???
    Kirchenglocken rufen ja auch Männer und Frauen zum gemeinsamen Gebet

  9. 31.

    Endlich mal jemand der bestätigt, dass die Alman am aussterben sind ! Allein schon der charmante Gedanke, kein Deutsch mehr in der Öffentlickeit zu hören, macht Hoffnung auf mehr. Jetzt muss man das Ganze nur noch beschleunigen.
    Ist dann damit auch der lange Weg durch die Instanzen abgeschlossen ?

  10. 29.

    @Suziepage (Beitrag 27)
    Sie erkennen schon den graduellen Unterschied zwischen einem Geschäft für Backwaren und Religion?
    "Am besten auch nur noch Deutsch in der Öffentlichkeit sprechen."
    Das wäre sehr löblich! Eine feine Idee. Und dann bitte gerne auch grammatikalisch richtig.

    Über all die schlimme Einflussnahme von Religion/en auf Staat, Gesellschaft und Politik müssen wir nicht extra sprechen, oder?
    Schauen wir als Deutsche auf all die islamischen Länder und insbesondere auf die islamistischen Dikaturen, dann weiß man wirklich, was man hier nicht möchte.
    Nein, ich (und ich bin da keinesfalls allein) möchte hier keinen Rückfall ins mittelalterliche Denken. Ich möchte überhaupt keine Sichtbarkeit von Religion im öffentlichen Raum und ich möchte auch keine Versammlungsorte. Beten kann jeder Mensch für sich allein. Schlimm genug, die Glauberei an irgendein vermenschlichtes höheres Wesen.

  11. 27.

    Es wäre ja davon auszugehen, dass an dem Lebensmittelgeschäft oben in fremder Sprache stehen könnte "wer hier Kuchen isst, wird dick". Diese Warnung muss natürlich für den Alman ordentlich in feinstem Amtsdeutsch verfügbar sein. Auch Phantasienamen von Geschäften sollten stets übersetzt sein. Am besten auch nur noch Deutsch in der Öffentlichkeit sprechen. Damit niemand befürchten muss, er wäre grad beleidigt worden. Am besten auch nicht ins Ausland in den Urlaub fahren, weil da sprechen vielleicht auch nicht alle Deutsch....

  12. 25.

    Mein Glaubensbekenntnis ist ZZ top.
    Endlich muss ich es nicht nur mit Kopfhörern anhören.

  13. 24.

    Selbstverständlich ! Was dem einem seine Eule, ist dem anderen seine Nachtigall. Alles andere wäre diskriminierend und würde bei vielen, und gerade den Minderheiten, für eine große Welle der Empörung und des Unmutes sorgen. Das kann nicht gewollt sein!!

  14. 23.

    Welchen Sinn macht ein Gebetsruf nach draußen, der kaum zu hören ist?
    Offensichtlich testet der Islamverband DITIB in Köln lediglich die Grenzen aus.
    Und diese werden -aus falsch verstandener Toleranz- immer weiter verschoben.
    Erdogan wird sich freuen. Und wir alle werden dies in naher Zukunft bereuen.

  15. 22.

    Dieser laute Ruf sollte in Deutschland NIEMALS erlaubt werden, der gehört NICHT in unser Land und soweit sollte die Solidarität mit anderen Kulturen auch nicht gehen.
    Denn andersherum wird das Glockengeläut in diesen Ländern auch NICHT gestattet und warum auch. Alles immer schön da lassen wo es hingehört.

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