Wassermangel und sinkender Pegel - Wenn aus dem Seddiner See die Seddiner Wüste wird

Mo 31.10.22 | 06:24 Uhr | Von Haluka Maier-Borst
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Archivbild: Eine Landspitze ragt weit in den Großen Seddiner See im Landkreis Potsdam-Mittelmark hinein und lässt deutlich den niedrigen Wasserstand des Sees erkennen. (Quelle: dpa/P. Pleul)
Bild: dpa/P. Pleul

Jahr für Jahr versumpft der Seddiner See auf neuen Tiefständen. Auch Regenfälle im Herbst und Winter können das nicht verhindern. Und so erlebt der Ort den Klimawandel im Zeitraffer - mit teils hausgemachten Folgen. Von Haluka Maier-Borst

Brennend heiß und knapp vor der Katastrophe – so lässt sich der Sommer für die Gemeinde Seddiner See (Potsdam-Mittelmark) zusammenfassen. "Bis einen Kilometer vor der Stadtgrenze haben die Feuer gewütet", sagt Olaf Mietz, Bewohner des Orts und Gewässerökologe. "Man möchte sich nicht ausmalen, was passiert wäre ohne den See und sein Wasser, mit dem wir das Feuer löschen konnten." Doch genau die Möglichkeit eines leeren Sees treibt Mietz und viele andere im Ort um.

Den Klimawandel mit Daten im Blick

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Jedes Jahr sinkt der Pegel des Sees um rund 15 Zentimeter. Selbst im Winter kann der See sich kaum erholen. So schaffte es im letzten Winter das Wasser nicht einmal, den niedrigsten Pegelstand von 2019 zu erreichen. Viele Dinge, die bislang selbstverständlich waren, sind es vielleicht bald nicht mehr.

Die Landwirtschaft rund um den See, seien es der Spargel im benachbarten Beelitz oder die zahlreichen Obstwiesen. Das milde Klima, das auch Berliner und Berlinerinnen über die Jahre hinauszog. Oder eben die Sicherheit vor Waldbränden: All das ist direkt auf den See oder das mit ihm verbundene Grundwasser angewiesen. Fehlt der See, ist der Ort keine brandenburgische Oase mehr.

Zugespitzt sagt Mietz: "Wenn das so weitergeht, reden wir nicht mehr von der Gemeinde Seddiner See, sondern Seddiner Wüste."

Die Lage am Seddiner See ist ein Beispiel dafür, was wohl auch anderen Gegenden von Brandenburg und Deutschland bevorsteht. Und es zeigt auch, dass der globale Klimawandel zusammen mit Entscheidungen vor Ort dazu führen kann, dass im Zeitraffer eine Gegend austrocknet. Denn dass es weniger regnet, ist natürlich kein Problem, das nur die Gemeinde Seddiner See hat.

Auch dieses Jahr lag der Niederschlag in der Region weit unter dem, was vor 30 Jahren normal war. Trotzdem sei laut Mietz nur etwa 60 Prozent des sinkenden Pegels auf den Klimawandel zurückzuführen. Der Rest habe mit der Nutzung des Sees zu tun und sei kein gänzlich neues.

Schon rund um die Wende war die Wassersituation zeitweilig angespannt, weil zu viel Wasser für eine Entenmast-Kombinat dem See entnommen wurde. Das führte dazu, dass in den 1990er Jahren der See auf – für damalige Verhältnisse – Rekordtiefstände fiel. Das Ende der Mastanlage und eine Gewässersanierung später, erholte sich der See eine Weile lang. Doch dieser Zustand währte nur kurz.

Spätestens seit 2014 sinkt der Wasserspiegel kontinuierlich. Fragt man örtliche Politiker wie Jürgen Wagler (BVB/Freie Wähler) nach dem Grund dafür, kommt das Gespräch schnell auf den örtlichen Golfclub. "Von den 12 bis 15 Zentimetern, die wir pro Jahr im Schnitt verlieren, fallen etwa zwei Drittel an Verlust auf den Club zurück", sagt Wagler. Auch ohne den Club hätte man sicherlich ein Problem. Aber es wäre längst nicht so drastisch.

Der so kritisierte Club allerdings hat sich damals mit an der Gewässersanierung beteiligt und sorgt bis heute mit einer Wasserreinigungsanlage dafür, dass der See sauber ist. Auf Anfrage erklärt der Golfclub zudem, der Anteil der Golfanlage am Pegelverlust bewege sich laut eigenen Schätzungen nur im einstelligen Prozentbereich. Dennoch arbeite man daran, Jahr für Jahr den Wasserverbrauch des Clubs weiter zu senken.

Die Frage ist, ob wir uns leisten können, dass ein Hobby wie Golf so viel Wasser verbraucht.

Olaf Mietz, Gewässerökologe

Der Ökologe Mietz formuliert es dann auch um einiges vorsichtiger als der Politiker Wagler. Ganz genau könne man nicht sagen, wie viel der Golfclub oder auch andere Verbraucher jeweils zum Pegelrückgang beitragen. Das liege auch daran, dass jeder private Grundstücksbesitzer bis heute das mit dem See verbundene Grundwasser durch einen eigenen Brunnen anzapfen dürfe. Trotzdem sagt auch Mietz, dass man sich fragen müsse, "ob wir uns leisten können, dass ein Hobby wie Golf, das wenige Hundert betreiben, so viel Wasser verbraucht."

Um das Schicksal des Sees zu ändern, da sind sich sowohl Mietz als auch Wagler einig, braucht es aber noch mehr als eine Diskussion um den Wasserverbrauch des Golfclubs. Da ist zum einen der große Plan, die nahegelegene Nieplitz anzuzapfen. "Wir reden hier von nicht einmal einem Prozent des Wassers, das durch den Fluss fließt. Das würde schon reichen, um die Lage deutlich zu entspannen", sagt Mietz.

Ein Plan, den es zwar 2013 schon gab, den man aber nach einiger Zeit aufgab. Zu umständlich schien die Idee und zu teuer für damalige Verhältnisse. Doch diese haben sich seitdem verschoben.

Neben einer neuen Wasserquelle brauche es aber ein massives Umdenken bei der Nutzung des Wassers. So müsse man bei der Landwirtschaft zum Beispiel überlegen, ob man gereinigtes Abwasser nutzen könnte, um die Felder zu bewässern. “Das klingt für viele nicht appetitlich und bäh, aber Fakt ist, dass man das in Spanien zum Beispiel schon lange macht, weil das gar nicht anders gehen würde”, sagt Wagler. Genauso sei es wohl wichtig, dass eben das Entnehmen von Grundwasser strenger geprüft wird. "Nach wie vor wird offiziell so agiert, als hätten wir keine Mangellage. Das muss sich ändern", sagt Mietz.

Und ändern muss sich das wohl schnell. Denn die Natur ist nicht gnädig, wenn ein See sich einmal beginnt zurückzuziehen. So wachsen beispielsweise Weiden und Erlen dort, wo bislang der See war, und ziehen noch mehr Wasser aus dem Boden und dem See. Außerdem steigt die Gefahr, dass der See kippt, je niedriger der Wasserstand ist. Schon lange vor dem Stadium der Wüste könnte es also Probleme geben.

Beitrag von Haluka Maier-Borst

36 Kommentare

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  1. 36.

    Also dieser Theorie kann man ad hoc weder zeitlich noch inhaltlich wirklich folgen.
    Für so eine steile Behauptung und deren Ernsthaftigkeit wäre ein Beleg inform einer Quellenangabe zu irgendeiner wissenschaftlichen Studie sehr hilfreich und notwendig.

  2. 35.

    Die Grundwasserpegel fallen nicht, weil die Menschen ihren Rasen bewässern und auch nicht erst seit 2013, sondern seit der Wende. Da begannen die Leute mit dem Einbau moderner Heizungen in ihre Häuser und trennten sich von ihren Kohleöfen. Mit dem Niedergang der Braunkohleförderung, sanken auch die Pumpmengen an Grundwasser, die dadurch in gigantischen Mengen jahrhundertelang in die Gewässer entlassen wurden. Und weil es eben so lange so normal war, so viel Wasser in den Gewässern zu haben, weiß einfach keiner, wie sich das Wasser im Untergrund nun verteilt, wo es nicht mehr hochgepumpt wird. An manchen Orten wird es trockener, an anderen feuchter. Das Problem löst sich nicht durch das Bezahlen von Grundwasser für Privatleute, denn auch der Strom fürs Hochpumpen ist alles andere als preiswert. Allerdings könnte man durchaus mal etwas für die ökologische Vielfalt tun und bei Neubauten und der Anlage des Gartens eine Mindestanzahl an verschiedenen einheimischen Pflanzenarten fordern…

  3. 34.

    Richtig erkannt,das Hauptproblem heißt ausufernder Kapitalismus. Wirklich einschränken müssten sich nur relativ wenige,die einen Großteil der Umweltbelastungen verursachen.

  4. 33.

    Das stimmt, aber haben sie sich mal in deutschen Gärten umgeschaut? Vielfach finden sie dort nur noch grünen, saftigen Rasen, der rund um die Uhr von Mährobotern in Form geschnitten wird. Es ist traurig aber wahr, was viele Menschen über "My home is my castle" zelebrieren. Und schuld daran ist vielfach, das "kostenlos" verfügbare Schichtenwasser. Denn da wird und muss ja bewässert werden, was das Zeug hält.

  5. 32.

    Genau, jetzt haben wir fast alle Bezeichnungen für die Senitz durch. Also in Schöneiche hatte der Mühlenfließ gerade mal in den letzten Wintermonaten etwas Wasser. Das Ereignis beflügelte sogar die Presse für eine größere Schlagzeile. Ansonsten war das Bett trocken. Sie verbindet den Gamengrund mit dem Großen Müggelsee. Als Kind war ich oft am Mühlenfließ Krebse fangen und der hat richtig Wasser geführt und sogar brache Grünflächen überschwemmt, ein Naturparadies. Aber die Zeiten sind schon lange her und seit einigen Jahren führt der Mühlenfließ quasi überhaupt kein Wasser mehr über Schöneiche und Rahnsdorf.

  6. 31.

    Literatur-Empfehlung:: S.Kaden / O.Diedrich / S.Theobald /Hrsg.): Wassermanagement im Klimawandel. Möglichkeiten und Grenzen von Anpassungsmaßnahmen; München 2014 oekon Verlag

  7. 29.

    Bin 100% bei Christine. Wir beobachten seit 2013 den dramatischen Wasserverlust des Straussees, etwa 130 cm seitdem. Unser Fredersdorfer Mühlenfliess fällt seit 2018 für 6 Monate im Jahr trocken. Es mündet in den Müggelsee - oder eben nicht.

  8. 28.

    Vielleicht sollten auch mal alle die mit eigenem Brunnen wässern mal überlegen ob ein grüner Rasen wichtig ist. Wir haben keinen Brunnen dafür 4 Regentonnen.Ich wässere nur die Blumen und mein Rasen war nur Stroh. Aber er erholt sich immer wieder.Hoffendlich denken mal einige um.

  9. 27.

    Stimmt doch auch, es ist nicht mehr wie früher, man muss sich der Situation anpassen und wo möglich, gegensteuern.

  10. 26.

    „Das ist ja ein böser Scherz: die Nieplitz entspringt mitten im eifrigsten Waldbrandgebiet - und soll den Seddiner See retten???“

    Sie haben aber schon gelesen, dass der Seddinsee eine wichtige Löschwasserquelle zur Bekämpfung der Waldbrände in seiner Umgebung gewesen ist? Sie dürfen die Anzahl der von Ihnen verwendeten Fragezeichen also mindestens ein bisschen zurückschrauben …

  11. 25.

    Die gleiche Theorie gibts auch zur Senitz, die wegen der früheren Wassermühlennutzung, wie unzählig andere Kapilarflüsse auch Mühlenfließ heißt.
    Da vermehrte Anzapfung des Grund- und Schichtenwassers, auch aufgrund mangelnder Kenntnisse der Hydrologie, ist sicher auch eine Ursache, aber nicht die Einzige.

  12. 24.

    Können Sie dazu auch sagen wann und wo?
    Mir sind die letzten Tage zumaktuellen Salzgehalt der Oder keine Zeilen untergekommen. Was nicht heissen muss, das es keine gab. Aber wenn, dann häte ich die gern gelesen....

  13. 23.

    Im Unterschied zu vielen anderen Kommentatoren bin ich kein Experte. Als Laie und Verbraucher entspricht der Preis für Wasser nicht dem tatsächlichen Wert. Hier liegt u.a. das Potential. Entnahme von Oberflächenwasser unterbinden und gereinigtes Abwasser dem Oberwasser, nicht Flüssen, wieder zuführen. Die notwendigen Maßnahmen können aus einer Wasserabgabe finanziert werden.

  14. 22.

    Der Seddiner See ist als Flachsee ein Rinnenbeckensee als Überbleibsel des Gletschervorstoßes der Weichselkaltzeit (vor ca. 20k Jahren) in der aktuellen Eiszeit. Die Seen sind hauptsächlich grundwassergespeist. Allerdings führten neben klimatischen Änderungen auch menschengemachte Veränderungen schon vor den stärkeren Veränderungen im Niederschlag zur Absenkung des Wasserspiegels: "Bereits in den 1920er-Jahren musste die Stückener Wassermühle am Mühlenfließ aufgegeben werden. Denn der verstärkte Brunnenbau, der infolge der Elektrifizierung der Region einsetzte, senkte den Wasserstand der Seddiner Seen bereits zu dieser Zeit so weit ab, dass das Mühlenfließ nicht mehr ausreichend mit Wasser versorgt wurde." (Wikipedia) Interessant wäre ein systematischer Vergleich aller Flachseen als Relikte der letzten Kaltzeit in Brandenburg und Mecklenburg.

  15. 21.

    Es ist okay wenn man konsumiert was man bezahlt. Leider ist es ziemlich oft so, dass man eben nicht alles bezahlt was man da konsumiert. Wie viel Wert ist Grundwasser? Wie viel Wert ist ein stabiles Klima? Wie viel Wert ist eine leise Stadt? Weiß man nicht so genau, is schwierig. Also kann man halt sein lautes Auto fahren, Kohle verbrennen, und eben auch mehr Grundwasser abpumpen als nachgebildet wird und der Preis beinhaltet diese Probleme einfach nicht.

  16. 20.

    Zahlen Sie die Folgen Ihrer Empfehlung auch, wenn ohne Golfplatz sich die Situation nicht im geringsten verbessert?
    Die Frage zielt darauf ab, wie man Entscheidungen trifft: Aus Missgunst oder sachlich. Ist beim T.limit das Gleiche.

  17. 19.

    Sie sprechen Grundsätzliches an. Die Geschichte hat (brutal) entschieden: Es müssen und dürfen nicht alle gleich viel haben. Die Anstrengungen und Chancennutzung ist zu unterschiedlich. Aber man kann Ungerechtigkeiten verringern: Durch solche Anreize, die das Leistungsprinzip verbessern...

  18. 18.

    Grüne kurze Rasenflächen benötigen astronomisch viel Wasser und sind demzufolge auf hohe Niederschlagsmengen oder gigantische Bewässerungssysteme angewiesen. Drainagen haben hier den höchsten Wirkungsgrad, aber trotzdem bleibt der Wasserhunger groß, sowas muss man nicht relativieren, dass ist Fakt.
    Und bevor man einen Fluss künstlich anzapft sollte man den Golfplatz ernsthaft infrage stellen. Denn wie man es auch dreht und wendet, diese Wasserverschwendung ist pure Dekadenz.

  19. 17.

    Alles kostet, nichts ist umsonst: Es kommt darauf an, was der Brunnen und der Betrieb kostet. Man kann davon ausgehen, dass viele das gar nicht wissen (wollen). Denn dann könnte herauskommen, dass das bloße Trinkwasser ohne Abwasser günstiger ist. Kein Wunder, die machen das effektiver und professioneller.
    Ob Golfclub oder andere Standortentscheidungen, der Entscheidungsprozess in Brandenburg ist gekennzeichnet von Misserfolgen. Es wird auch nicht aufhören, solange die Einstellungen im Kopf sich nicht in die dienende Richtung verändern.

    P.S. Entscheidungen über Grundwasser kann man erst fällen, wenn man weiß wieviel da ist. Warum weiß man das in Brb. nicht? Und entscheidet trotzdem? Gönnerhaft, so als wenn man verteilen kann wie man glaubt?

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