Wassermangel und sinkender Pegel - Wenn aus dem Seddiner See die Seddiner Wüste wird

Jahr für Jahr versumpft der Seddiner See auf neuen Tiefständen. Auch Regenfälle im Herbst und Winter können das nicht verhindern. Und so erlebt der Ort den Klimawandel im Zeitraffer - mit teils hausgemachten Folgen. Von Haluka Maier-Borst
Brennend heiß und knapp vor der Katastrophe – so lässt sich der Sommer für die Gemeinde Seddiner See (Potsdam-Mittelmark) zusammenfassen. "Bis einen Kilometer vor der Stadtgrenze haben die Feuer gewütet", sagt Olaf Mietz, Bewohner des Orts und Gewässerökologe. "Man möchte sich nicht ausmalen, was passiert wäre ohne den See und sein Wasser, mit dem wir das Feuer löschen konnten." Doch genau die Möglichkeit eines leeren Sees treibt Mietz und viele andere im Ort um.
Jedes Jahr sinkt der Pegel des Sees um rund 15 Zentimeter. Selbst im Winter kann der See sich kaum erholen. So schaffte es im letzten Winter das Wasser nicht einmal, den niedrigsten Pegelstand von 2019 zu erreichen. Viele Dinge, die bislang selbstverständlich waren, sind es vielleicht bald nicht mehr.
Die Landwirtschaft rund um den See, seien es der Spargel im benachbarten Beelitz oder die zahlreichen Obstwiesen. Das milde Klima, das auch Berliner und Berlinerinnen über die Jahre hinauszog. Oder eben die Sicherheit vor Waldbränden: All das ist direkt auf den See oder das mit ihm verbundene Grundwasser angewiesen. Fehlt der See, ist der Ort keine brandenburgische Oase mehr.
Zugespitzt sagt Mietz: "Wenn das so weitergeht, reden wir nicht mehr von der Gemeinde Seddiner See, sondern Seddiner Wüste."
Die Lage am Seddiner See ist ein Beispiel dafür, was wohl auch anderen Gegenden von Brandenburg und Deutschland bevorsteht. Und es zeigt auch, dass der globale Klimawandel zusammen mit Entscheidungen vor Ort dazu führen kann, dass im Zeitraffer eine Gegend austrocknet. Denn dass es weniger regnet, ist natürlich kein Problem, das nur die Gemeinde Seddiner See hat.
Auch dieses Jahr lag der Niederschlag in der Region weit unter dem, was vor 30 Jahren normal war. Trotzdem sei laut Mietz nur etwa 60 Prozent des sinkenden Pegels auf den Klimawandel zurückzuführen. Der Rest habe mit der Nutzung des Sees zu tun und sei kein gänzlich neues.
Schon rund um die Wende war die Wassersituation zeitweilig angespannt, weil zu viel Wasser für eine Entenmast-Kombinat dem See entnommen wurde. Das führte dazu, dass in den 1990er Jahren der See auf – für damalige Verhältnisse – Rekordtiefstände fiel. Das Ende der Mastanlage und eine Gewässersanierung später, erholte sich der See eine Weile lang. Doch dieser Zustand währte nur kurz.
Spätestens seit 2014 sinkt der Wasserspiegel kontinuierlich. Fragt man örtliche Politiker wie Jürgen Wagler (BVB/Freie Wähler) nach dem Grund dafür, kommt das Gespräch schnell auf den örtlichen Golfclub. "Von den 12 bis 15 Zentimetern, die wir pro Jahr im Schnitt verlieren, fallen etwa zwei Drittel an Verlust auf den Club zurück", sagt Wagler. Auch ohne den Club hätte man sicherlich ein Problem. Aber es wäre längst nicht so drastisch.
Der so kritisierte Club allerdings hat sich damals mit an der Gewässersanierung beteiligt und sorgt bis heute mit einer Wasserreinigungsanlage dafür, dass der See sauber ist. Auf Anfrage erklärt der Golfclub zudem, der Anteil der Golfanlage am Pegelverlust bewege sich laut eigenen Schätzungen nur im einstelligen Prozentbereich. Dennoch arbeite man daran, Jahr für Jahr den Wasserverbrauch des Clubs weiter zu senken.
Der Ökologe Mietz formuliert es dann auch um einiges vorsichtiger als der Politiker Wagler. Ganz genau könne man nicht sagen, wie viel der Golfclub oder auch andere Verbraucher jeweils zum Pegelrückgang beitragen. Das liege auch daran, dass jeder private Grundstücksbesitzer bis heute das mit dem See verbundene Grundwasser durch einen eigenen Brunnen anzapfen dürfe. Trotzdem sagt auch Mietz, dass man sich fragen müsse, "ob wir uns leisten können, dass ein Hobby wie Golf, das wenige Hundert betreiben, so viel Wasser verbraucht."
Um das Schicksal des Sees zu ändern, da sind sich sowohl Mietz als auch Wagler einig, braucht es aber noch mehr als eine Diskussion um den Wasserverbrauch des Golfclubs. Da ist zum einen der große Plan, die nahegelegene Nieplitz anzuzapfen. "Wir reden hier von nicht einmal einem Prozent des Wassers, das durch den Fluss fließt. Das würde schon reichen, um die Lage deutlich zu entspannen", sagt Mietz.
Ein Plan, den es zwar 2013 schon gab, den man aber nach einiger Zeit aufgab. Zu umständlich schien die Idee und zu teuer für damalige Verhältnisse. Doch diese haben sich seitdem verschoben.
Neben einer neuen Wasserquelle brauche es aber ein massives Umdenken bei der Nutzung des Wassers. So müsse man bei der Landwirtschaft zum Beispiel überlegen, ob man gereinigtes Abwasser nutzen könnte, um die Felder zu bewässern. “Das klingt für viele nicht appetitlich und bäh, aber Fakt ist, dass man das in Spanien zum Beispiel schon lange macht, weil das gar nicht anders gehen würde”, sagt Wagler. Genauso sei es wohl wichtig, dass eben das Entnehmen von Grundwasser strenger geprüft wird. "Nach wie vor wird offiziell so agiert, als hätten wir keine Mangellage. Das muss sich ändern", sagt Mietz.
Und ändern muss sich das wohl schnell. Denn die Natur ist nicht gnädig, wenn ein See sich einmal beginnt zurückzuziehen. So wachsen beispielsweise Weiden und Erlen dort, wo bislang der See war, und ziehen noch mehr Wasser aus dem Boden und dem See. Außerdem steigt die Gefahr, dass der See kippt, je niedriger der Wasserstand ist. Schon lange vor dem Stadium der Wüste könnte es also Probleme geben.