Interview | Mastodon-Nutzer erklärt die Twitter-Alternative - "Unsere Neuanmeldungen haben sich in den letzten Wochen verzehnfacht"

Sa 12.11.22 | 11:54 Uhr
  16
Symbolbild: Die Logos von Mastodon und Twitter in einer Collage verbunden. Bild: picture alliance / Koen van Weel
Bild: picture alliance / Koen van Weel

Seit Multimilliardär Elon Musk das Soziale Netzwerk Twitter übernommen und zu seinem Spielzeug gemacht hat, suchen viele Nutzer:innen nach Alternativen. Hoch im Kurs: Mastodon. Aber wie funktioniert es? Und was ist ein "toot"?

Neu ist "Mastodon" nicht. Die Twitter-Alternative gibt es bereits seit 2016. Gegründet wurde der Mikroblogging-Dienst in Jena, inzwischen sitzt das Unternehmen in Berlin. Die Turbulenzen bei Twitter mit Personalkürzungen im großen Stil und den öffentlichen Gedankenspielen um Pay-Modelle des Neu-Chefs Elon Musk könnten für den großen Durchbruch der deutschen Netzwerk-Alternative sorgen. Immer mehr Twitter-User verkündeten zuletzt, dass sie Mastodon als Alternative ausprobieren wollen.

Das würde den Berliner Jan Schulz-Hofen freuen. Der Startup-CEO sicherte sich schon 2017 die Instanz "toot.Berlin" - eine Art Mini-Twitter für den Raum Berlin, angesiedelt bei Mastodon. Das Netzwerk ist dezentralisiert - anders als das US-Vorbild. Die meisten Menschen können aber trotz der Abwanderungswelle von Twitter zu Mastodon immer noch wenig mit den Begriffen "Instanz" und "Toot" anfangen. Deshalb erklärt der langjährige "Toot"-Betreiber Schulz-Hofen bei rbb|24, wie die Twitter-Alternative funktioniert und was die beiden Netzwerke unterscheidet.

Jan Schulz-Hofen.(Quelle:Rosa Lübbe)
Jan Schulz-Hofen.Bild: Rosa Lübbe

rbb|24: Herr Schulz-Hofen, beginnen wir mal so: Ist Mastodon ihrer Meinung nach überhaupt vergleichbar mit Twitter? Wo gibt es Unterschiede?

Jan Schulz-Hofen: Generell ist Mastodon im Prinzip von der Funktionalität und vom Gefühl her das gleiche wie Twitter – nur eben, dass es dezentral ist. Das bedeutet, dass es keine zentrale Instanz gibt, die von einer Firma aus dem Silicon Valley, nämlich Twitter, betrieben wird. Sondern: Wer möchte und die Kapazitäten dazu hat, kann eine eigene Instanz aufmachen. Jeder Benutzer kann entweder auf seiner eigenen Instanz oder auf der Instanz eines Freundes oder einer Freundin, eines Vereins oder von anderen lokalen Organisationen einen Nutzer-Account anlegen. Dementsprechend bindet man sich nicht an eine zentrale Stelle, sondern eben an jemandem, dem man vertraut und der lokal ist.

Was genau sind denn Instanzen bei Mastodon?

Die Instanzen kann man sich im Prinzip so vorstellen wie kleine lokale Twitters um die Ecke. Mit dem Zusatz, dass sie alle untereinander verknüpft und verbunden sind. So wie man seine Lebensmittel entweder vom großen Discounter oder eben vom kleinen Bioladen um die Ecke beziehen kann, kann man bei Mastodon auf die kleine Instanz um die Ecke gehen – und trotzdem kommunizieren mit der ganzen weiten Welt und allen anderen Usern in anderen Instanzen.

Es gibt also ein übergeordnetes Mastodon. Trotzdem können die Hosts, wie Sie es bei "toot.berlin" sind, für ihre Instanzen eigene Community-Regeln festlegen, oder?

Das ist richtig. Es ist ja so, dass sich bei den großen zentralen Diensten wie Facebook oder Twitter große Teams um die Moderation von Kommentaren kümmern und eine Art Gesetzgebungsfunktion übernehmen. Das ist natürlich schwierig, das alles zu vereinen, dass es auch weltweit irgendwie richtig passt. Der Vorteil bei dezentralen Diensten wie Mastodon ist es, dass im Prinzip die Regeln gemacht werden von den lokalen Betreiber:innen der lokalen Instanzen. Das heißt, jeder User und jede Userin kann sich überlegen: Auf welche Instanz möchte ich gehen? Was sind dort die Regeln? Und wo fühle ich mich wohl?

Also jede:r kann sich frei die Instanz suchen, die zu ihm oder ihr passt?

Genau. Soweit ich weiß, sind sämtliche Mastodon-Instanzen kostenlos. Jede Userin und jeder User kann sich einfach eine aussuchen und sich vorher natürlich auch darüber informieren: Welche anderen Userinnen und User sind dort? Und welche Regeln gelten dort, und in welchem Bereich oder in welchem Umfeld lasse ich mich auf Konversationen ein? Und wo fühle ich mich wohl?

Gibt es nur örtliche Instanzen wie Ihre oder auch solche, die spezielle Schwerpunkte setzen?

Es gibt sowohl lokale Spezialisierung - wir betreiben ja toot.Berlin, wo wir dachten, okay, alle Berlinerinnen und Berliner können sich da einloggen. Aber es gibt auch ganz viele zu bestimmten Spezialthemen, vom Kaninchenzüchterverein bis hin zu zahlreichen Instanzen, die sich mit IT und Technik beschäftigen und sich dann entsprechend austauschen.

Jetzt, da Elon Musk Twitter übernommen hat und immer mehr fragwürdige Entscheidungen für die Community trifft, gehen viele Menschen von dort weg. Erlebt Mastodon also eine Völkerwanderung von Neu-Usern?

Ja. Ich habe gerade eben noch mal reingeschaut. Unsere Neuanmeldungen haben sich in den letzten Wochen verzehnfacht. Wir verzeichnen einen deutlichen Zuwachs an Menschen, die jetzt darauf aufmerksam werden. Auch weil es ein bisschen in den Medien rumgeht, dass sich auf Twitter etwas verändert beziehungsweise Twitter übernommen wurde von einem einzigen Mann, dem man so ein bisschen argwöhnisch oder vielleicht skeptisch entgegenblickt. Ich habe generell das Gefühl, dass das von den bisherigen Userinnen und Usern positiv aufgenommen wird, weil sich alle freuen, dass das Web dadurch ein Stück weit dezentraler und auch freier wird.

Das kann ein kleines Netzwerk ja auch verändern. Twitter eilt der Ruf voraus, dass der Umgangston dort nicht besonders freundlich ist. Bemerken Sie schon einen Zuzug von neuen Accounts, denen dieser "Twitter-Ton" anhaftet?

Das habe ich bisher noch nicht beobachtet. Es gibt natürlich in jeder Community Menschen, die sich richtig oder falsch verhalten oder die möglicherweise Sachen sagen, die anderen Menschen nicht passen. Aber das ist dann sozusagen die Verantwortung der Community an sich und auch von den entsprechenden Moderatorinnen und Moderatoren von jeder Instanz, die Konversation in vernünftigen Bahnen zu behalten.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Oda Tischewski für das rbb24 Inforadio.

Sendung: rbb24 Inforadio, 11.11.2022, 18 Uhr

Die Kommentarfunktion wurde am 12.11.2022 um 16:00 Uhr geschlossen. Die Kommentare dienen zum Austausch der Nutzerinnen und Nutzer und der Redaktion über die berichteten Themen. Wir schließen die Kommentarfunktion unter anderem, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt.

16 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 16.

    Die "Linken" könne wohl nie genug kriegen - haben sie doch schon die Kommentarspalten des ÖRR zum "austoben"... ; )

  2. 15.

    Na dann wechseln sie doch zu Mastodon und lassen uns hier in Ruhe.
    Dieser Service hört sich übrigens an wie Mittel gegen zu viel Masturbation ;)
    Naja wer's braucht ich werde auf jeden Fall bei Twitter bleiben, da zählt anscheinend Meinungsfreiheit noch.

  3. 14.

    Leseempfehlung für Umsteiger und solche, die sich noch entscheiden oder die Abkehr noch nicht vollständig vollziehen wollen: https://netzpolitik.org/2022/umzug-zu-mastodon-so-schwer-ist-es-nun-auch-nicht/

  4. 13.

    "Unsere Neuanmeldungen haben sich in den letzten Wochen verzehnfacht." Statt fünf jetzt fünfzig Neuanmeldungen?

    Das ganze erimmert mich an den Sturm im Wasserglas, den Facebook bei der Übernahme von WhatsApp ausgelöst hat. Sogar Bild sprang damals auf den populistischen Zug auf und gab den Erklärbären für Signal und Threema.

  5. 12.

    Und wer kontrolliert dann die Verbreitung von Hetze, Hass, Lügen und Verschwörungserzählungen? Muss man wohl dulden in einer Demokratie. Naja, Filterblasen und Echokammern bleiben sowieso bestehen, egal auf welcher Plattform.

  6. 11.

    Absolute Freiheit gibt es nicht und kann es nicht geben, wenn man nicht ganz alleine lebt. Und so wird unsere aller Freiheit zum Wohle aller anderen natürlich beschränkt.
    Und natürlich hat sich jedwede Freiheit am Gesetz bzw. dem Grundgesetz zu orientieren.
    Wenn Sie das anders sehen, frage ich mich, worüber Sie sich im letzten Satz eigentlich beschweren,

  7. 10.

    NashörnchenSamstag, 12.11.2022 | 14:16 Uhr
    Antwort auf [Martina] vom 12.11.2022 um 13:54
    "Genau DAS ist es, was Welsow wohl meinte: Wenns mir nicht paßt, isses rechtsextrem. Weil nur ich die "richtige" Meinung habe. NUR ich... "

    Sie reden am Thema vorbei. Unwissentlich oder aus Absicht. Für die faktische Folge egal.

    "Die Meinung" ist kein Inhalt. Kein Sachverhalt. Sie beschreibt zunächst keinerlei Tatsachen.
    Meinungsfreiheit erlaubt mir Meinungen zu äussern, die keinerlei Überprüfung standhalten. Sie muss nicht wahr, nicht redlich, nicht konstruktiv sein.
    Aber das schliesst nicht das Recht und den Machtanspruch einer "Meinung" ein unwidersprochen zu bleiben. Oder nicht auf ihre Redlichkeit, ihren Wahrheitsgehalt oder ihre konstruktive Nützlichkeit überprüft zu werden. Klar, die rechtsautoritären Hetzer, Halbwahrheiten und Lügenerzähler, die Demagogen und Lynchmobmobilisierer haben "nur mal ihre Meinung gesagt" Die ist aber Mies. Lebt damit. Statt noch angesehen sein zu wollen

  8. 9.

    @rbb...wann macht ihr denn Webung für Waschmittel. Das interessiert mich mehr. Mastodons sind doch ausgestorbene Rüsseltiere. Na da gehören die auch hin, die keine anderen Neinungen DULDEN.

  9. 8.

    Nicht nur das Sie nicht die Deutungshoheit haben, schlimmer noch, Sie behaupten was nicht stimmen kann. Neulich war erst Herr Dobrinth dran und hat angeblich Festkleber als RAF bezeichnet. Zumindest haben Sie dies so umgedichtet um sich selber zu entlarven?

    Und ja, der falsche Plural lässt sich nicht in eine IT-Sprache so umwandeln, dass grundsätzlich nur positive Eigenschaften und Subjektive den Frauen zugerechnet werden können... Da braucht es korrekte statt diskriminierende Sprache.

  10. 7.

    Genau DAS ist es, was Welsow wohl meinte: Wenns mir nicht paßt, isses rechtsextrem. Weil nur ich die "richtige" Meinung habe. NUR ich...

  11. 6.

    "Verdammt sei, was nicht meiner Meinung ist, denn das ist rechtsextrem, LGBTQ-und genderfeindlich, verschwörungsbeeinflusst."

    Nein. Das ist es, wenn eine sogenannte "Meinung" genau das ist: rechtsextrem, LGBTQ-und genderfeindlich, verschwörungsbeeinflusst.
    Dabei ist es völli egal, ob die von einer Kirchenkanzel, auf dem Dorfplatz vor dem Dorfmob, in einer Zeitung, dem Radio, Fernsehen, dem Internet, in einer Parlamentsrede, oder am Gartenzaun zum Nachbarn herüber gehalten wird. Das ist seit Menschengedenken so und völlig unabhängig von der Technik, der Infrastruktur mit der die Verbreitung geschieht.

    Ihre Einlassung kämpft allein darum, dass solche sogenannte "Meinung" unwidersprochen propagiert werden kann. Deshalb ein angebliches Recht auf Verbreitung und Mobilisierung hat. Und wer dem widerspricht, macht angeblich den Hetzer, Rummelplatz und Kirmesagitator, den "Meinung an sich"-Propagandisten zum verfolgten Opfer.
    Ganz alte Rhetorik der rechtsreaktionären Autokraten.

  12. 5.

    Noch nie davon gehört.
    Ich schaue mir an, mit welchen SocialMedien die „wichtigen“ Institutionen arbeiten, die nehme ich auch und nehme dann die optimalsten Sicherheitseinstellungen auf meinen Gerätschaften vor.
    Ein bisschen Ahnung sollte man schon davon haben und auch nicht alles glauben, was „Hinz und Kunz“ da so von sich geben.
    Übrigens: Datenschutz schützt nur die Daten, die man nicht öffentlich macht!

  13. 4.

    Und wann finde ich den rbb offiziell bei mastodon? Bin einer der Wechsler und vermisse Euch da :/

  14. 3.

    Ich habe mich jetzt bei Twitter angemeldet. Entweder man will Meinungsfreiheit, oder man will sie nicht. Wer sich anmaßt, andere Meinungen als die eigene, als Hassmail oder Hetze zu klassifizieren, betreibt undemokratische Einschränkung Anderer, auch wenn man sich dann als „Netzaktivist“ bezeichnet.
    Erst war es Telegram, jetzt ist es Twitter.
    Verdammt sei, was nicht meiner Meinung ist, denn das ist rechtsextrem, LGBTQ-und genderfeindlich, verschwörungsbeeinflusst.

  15. 2.

    So weit so gut ... Aber wie will man denn da Hassrede minimieren(oder regulieren, oder strafrechtlich verfolgen) bei tausenden Mastodon-Instanzen und –Administratoren ? … DAS soll ja insbesondere den Unterschied zu Twitter machen, oder ? … Hmm ?

  16. 1.

    Laut der offiziellen Mastodon-Webseite gab es am 4. November 2022 auf allen 3.311 zugänglichen Mastodon-Servern 683.363 monatlich aktive Nutzer. Das sind rund 10% der angemeldeten Accounts und nicht einmal alle deutschen Dienstliche Zugänge der Deutscher Behörden, die diesen Dienst per Anordnung nutzen sollen.

Nächster Artikel