100.000 Euro für "Artemis"-Betreiber - Berlin muss nach Razzia in Bordell Schadenersatz zahlen

Mi 21.12.22 | 08:58 Uhr
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Archivbild: Ein Zimmer des FKK und Saunaclubs Artemis. (Quelle: dpa/F. Sommer)
Audio: rbb24 Inforadio | 20.12.2022 | Silke Mehring | Bild: dpa/F. Sommer

Vorverurteilende Aussagen der Staatsanwaltschaft von 2016 kommen dem Land Berlin jetzt teuer zu stehen: Den Betreibern des Bordells "Artemis" wurden Verbindungen zur organisierten Kriminalität nachgesagt - nun erhalten sie Schadenersatz.

  • Zwei Betreiber des Berliner Bordells "Artemis" sollen je 50.000 Euro Schadenersatz erhalten
  • Grund sind "vorverurteilende" Äußerungen nach einer Durchsuchung
  • Die Justizsenatsverwaltung prüft eine mögliche Anfechtung des Urteils

Nach einer Razzia im Großbordell "Artemis" muss das Land Berlin Schadenersatz an die beiden Betreiber bezahlen. Das Berliner Kammergericht sprach zwei Klägern in einem Berufungsprozess jeweils 50.000 Euro nebst Zinsen zu. Das Gericht begründete die Entscheidung am Dienstag damit, dass die Staatsanwaltschaft bei einer Pressekonferenz 2016 zum Teil unzutreffende und vorverurteilende Äußerungen abgegeben habe.

Die Behörde hatte unter anderem von Verbindungen zur organisierten Kriminalität gesprochen. Die Vorwürfe waren jedoch in sich zusammengefallen; eine Anklage wurde 2018 nicht zugelassen.

900 Menschen bei der damaligen Großrazzia im Einsatz

Das Bordell war im April 2016 von 900 Polizisten, Zollfahndern und Staatsanwälten durchsucht worden. Danach hatte die Staatsanwaltschaft von direkten Verbindungen zur organisierten Rocker-Kriminalität, Ausbeutung von Prostituierten und Gewaltanwendung im "Artemis" gesprochen. Die Betreiber kamen in Untersuchungshaft, aus der sie jedoch im Juli 2016 überraschend freikamen.

Das Berliner Kammergericht hatte die Haftbefehle aufgehoben. Für die Vorwürfe der Hinterziehung von Sozialabgaben und Steuern gab es nach Einschätzung des Kammergerichts keinen dringenden Tatverdacht. Das Landgericht hatte zuvor festgestellt, dass es keinen dringenden Verdacht für Vorwürfe des Menschenhandels und Verbindung zur organisierten Kriminalität gebe.

"Unzulässige Verdachtsberichterstattung" provoziert

In der Folge gingen die Bordell-Betreiber juristisch gegen die Berliner Staatsanwaltschaft vor. Die vorverurteilenden Aussagen bei der Pressekonferenz nach der Razzia hätten eine "in weiten Teilen unzulässige Verdachtsberichterstattung" provoziert - so der Vorwurf eines Medienrechtlers, der 2016 die Interessen der Betreiber vertrat.

Zwar hatte das Landgericht Berlin im Januar 2021 zunächst keine Amtspflichtverletzung erkannt und die Klage abgewiesen, die Betreiber aber akzeptierten das Urteil nicht und zogen vor das Kammergericht. Der dort angebotene Vergleich - nach dem das Land 25.000 Euro an eine gemeinnützige Organisation überwiesen hätte, statt Schadenersatz an die Bordellbetreiber zu zahlen - kam nicht zustande. Der den Klägern jetzt zugestandene Schadenersatzanspruch beläuft sich nun auf ein Vielfaches.

Justizverwaltung will Gang zum BGH prüfen

Das Ressort von Justizsenatorin Lena Kreck (Linke) will eigenen Angaben zufolge nun prüfen, ob Rechtsmittel gegen das Urteil beim Bundesgerichtshof eingelegt werden sollen. Dazu warte man aber zunächst das schriftliche Urteil des Kammergerichts ab, sagte eine Sprecherin.

Bislang halte man das Urteil in erster Instanz vom Landgericht aber für zutreffend. Ob die Entscheidung des Kammergerichts geeignet sei, "die nach unserer Auffassung zutreffend begründete landgerichtliche Entscheidung, die in einer Besetzung von drei Berufsrichter*innen getroffen wurde, zu widerlegen, bleibt abzuwarten", hieß es.

Darüberhinaus betonte die Sprecherin, dass eventuell auch Rückgriffsansprüche gegenüber den Beamten in Betracht kommen könnten. "Sollte tatsächlich eine Zahlungsverpflichtung des Landes Berlin rechtskräftig werden, werden wir auch dies sorgfältig prüfen", sagte die Sprecherin.

Sendung: rbb24 Inforadio, Nachrichten, 20.12.2022, 13:20 Uhr

44 Kommentare

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  1. 44.

    Er weiß nicht, wem die Staatsanwaltschaft unterstellt ist und wem sie folgt bzw. folgen muss. Es hat keinen Sinn, wenn die Basics nicht bekannt sind. Man muss auch nicht auf alles antworten.

  2. 43.

    @Sebastian T. und Heidekind:
    Ich glaube nicht, dass es hier um körperliche Nähe (hört sich so liebevoll an) und Kuscheln geht...

  3. 42.

    Absolut peinlich. Und der Steuerzahler kann den Zirkus bezahlen. Die tausend Personen Aktion dürfte schon 50t EUR verschlungen haben, jetzt plus 100t EUR auf Steuerkosten. Zeigt gleichzeitig, dass sie eigentlich nichts zu tun haben ausser sich irgendwelche im Rechtsstaat nicht haltbaren Märchen auszudenken. Das einzige was hier dichtgemacht gehört ist die Staatsanwaltschaft mit ihren hirnlosen Fantasten!

  4. 40.

    Warum sollte man Bordelle verbieten.? Das ist eines der ältesten Gewerbe .Wenn vernünftig , arbeitnehmerfreundlich und gesundheitspräventiv geführt ist es ein Dienstleistungsbetrieb wie jeder Andere.
    Selbstverständlich ist eine gewisse Nähe zur OK immer da. Die dürfte bei der Justizverwaltung aber ebenfalls nicht grundlegend ausgeschlossen werden.

  5. 37.

    "Senator? Weil man sich einen Erfolg bei Gericht ausgerechnet hatte?" haben sie überhaupt den Artikel gelesen? Dann erkläre ich es ihnen kurz, das Kammergericht hat schon vor einer Urteilsverkündung die Justizsenatorin Lena Kreck (Linke) darauf aufmerksam gemacht, das ein Vergleich besser und günstiger wäre, Sie hat aber Abgelehnt als Chef ihrer Behörde. Jetzt sind wir halt bei 100.000 Euro für die Bordellbetreiber, ist natürlich besser als 25.000 Euro für UNICEF.

  6. 36.

    unsere juztiessenatorin,
    25.000 euro vergleich abgelehnt....jetzt 100.000 euro schagensersatz!!!!

    diese senatorin (linke) ist ein stern der aufgeht...ein wahres goldstück, bin stolz auf
    solche senatorin....

  7. 35.

    Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass körperliche Nähe ganz wichtig für die Gesundheit ist. Von daher sollte jeder Mensch wenigstens hin und wieder die Möglichkeit haben, sowas zu erleben.

  8. 34.

    100.000€? dank Andreas Behm, heute Generalstaatsanwalt des Landes Brandenburgs, früher "als Chef der Staatsanwaltschaft Berlin war er umstritten und für einige schwere Pannen verantwortlich, etwa für die Razzia im Großbordell Artemis 2016. 900 Beamte von Zoll, Polizei und Steuerfahndung waren bei der Großrazzia im Einsatz. Kurz danach sprach Behm von Vorwürfen zu organisierter Kriminalität, Ausbeutung und Gewaltanwendung und zog einen Vergleich mit dem Chicagoer Gangster Al Capone. Der Rechtsanwalt der beiden Betreiber sah darin eine Vorverurteilung und ging dagegen vor. Das Berliner Landgericht hatte später entschieden, ein Hauptverfahren gar nicht erst zu eröffnen – zu dünn und teilweise fehlerhaft lese sich die Anklageschrift.(tagesspiegel)"

  9. 33.

    Anders als Richter ist die Staatsanwaltschaft nicht unabhängig. Sie dient dem (politischen) Dienstherren.

  10. 32.

    Eine völlige und absichtliche Verdrehung der Tatsachen. Ersten beschließt das kein Senator allein, zweitens wollte man keine 25.000 Euro an eine gemeinnützige Organisation überweisen weil man sich einen Erfolg bei Gericht augerechnet hatte.

    Wenn sie hier unbedingt einen Skandal sehen wollen dann bei der Berliner Staatsanwaltschaft weil man bei einer Pressekonferenz 2016 zum Teil unzutreffende und vorverurteilende Äußerungen abgegeben habe.

    Aber das passt halt nicht so schön in ihre Agenda.

  11. 31.

    “Bordelle sollte man verbieten” -
    Komisch, die gleiche Meinung haben viele Zuhälter auch… Warum wohl?

  12. 30.

    Der Steuerzahler finanziert das gern.

  13. 29.

    Ooooo ... solche "Kerle" tun mir echt leid. Tempo fürs Näschen gefällig? Samtweich.

    "Rent a Girl" - ich könnt' göbeln bei dieser "Mietwagenmentalität".

  14. 27.

    Das Ressort von Justizsenatorin Lena Kreck (Linke) hat entschieden, keine 25.000 Euro an UNICEF zu spenden so wie das Gericht vorgeschlagen hat, jetzt bezahlt der Steuerzahler lieber 100.000 Euro an die Bordellbetreiber und das ist der eigentliche Skandal.

  15. 26.

    Wirklich klasse Leistung! Trotz eindeutiger Hinweise des Gerichtes und Absenkung des ursprünglichen Vergleichsvorschlages von 50.000 auf 25.000 an Unicef also 100.000 für die Clan-Betreiber. Wann werden Politiker endlich in Amtshaftung genommen?

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