100.000 Euro für "Artemis"-Betreiber - Berlin muss nach Razzia in Bordell Schadenersatz zahlen
Vorverurteilende Aussagen der Staatsanwaltschaft von 2016 kommen dem Land Berlin jetzt teuer zu stehen: Den Betreibern des Bordells "Artemis" wurden Verbindungen zur organisierten Kriminalität nachgesagt - nun erhalten sie Schadenersatz.
- Zwei Betreiber des Berliner Bordells "Artemis" sollen je 50.000 Euro Schadenersatz erhalten
- Grund sind "vorverurteilende" Äußerungen nach einer Durchsuchung
- Die Justizsenatsverwaltung prüft eine mögliche Anfechtung des Urteils
Nach einer Razzia im Großbordell "Artemis" muss das Land Berlin Schadenersatz an die beiden Betreiber bezahlen. Das Berliner Kammergericht sprach zwei Klägern in einem Berufungsprozess jeweils 50.000 Euro nebst Zinsen zu. Das Gericht begründete die Entscheidung am Dienstag damit, dass die Staatsanwaltschaft bei einer Pressekonferenz 2016 zum Teil unzutreffende und vorverurteilende Äußerungen abgegeben habe.
Die Behörde hatte unter anderem von Verbindungen zur organisierten Kriminalität gesprochen. Die Vorwürfe waren jedoch in sich zusammengefallen; eine Anklage wurde 2018 nicht zugelassen.
900 Menschen bei der damaligen Großrazzia im Einsatz
Das Bordell war im April 2016 von 900 Polizisten, Zollfahndern und Staatsanwälten durchsucht worden. Danach hatte die Staatsanwaltschaft von direkten Verbindungen zur organisierten Rocker-Kriminalität, Ausbeutung von Prostituierten und Gewaltanwendung im "Artemis" gesprochen. Die Betreiber kamen in Untersuchungshaft, aus der sie jedoch im Juli 2016 überraschend freikamen.
Das Berliner Kammergericht hatte die Haftbefehle aufgehoben. Für die Vorwürfe der Hinterziehung von Sozialabgaben und Steuern gab es nach Einschätzung des Kammergerichts keinen dringenden Tatverdacht. Das Landgericht hatte zuvor festgestellt, dass es keinen dringenden Verdacht für Vorwürfe des Menschenhandels und Verbindung zur organisierten Kriminalität gebe.
"Unzulässige Verdachtsberichterstattung" provoziert
In der Folge gingen die Bordell-Betreiber juristisch gegen die Berliner Staatsanwaltschaft vor. Die vorverurteilenden Aussagen bei der Pressekonferenz nach der Razzia hätten eine "in weiten Teilen unzulässige Verdachtsberichterstattung" provoziert - so der Vorwurf eines Medienrechtlers, der 2016 die Interessen der Betreiber vertrat.
Zwar hatte das Landgericht Berlin im Januar 2021 zunächst keine Amtspflichtverletzung erkannt und die Klage abgewiesen, die Betreiber aber akzeptierten das Urteil nicht und zogen vor das Kammergericht. Der dort angebotene Vergleich - nach dem das Land 25.000 Euro an eine gemeinnützige Organisation überwiesen hätte, statt Schadenersatz an die Bordellbetreiber zu zahlen - kam nicht zustande. Der den Klägern jetzt zugestandene Schadenersatzanspruch beläuft sich nun auf ein Vielfaches.
Justizverwaltung will Gang zum BGH prüfen
Das Ressort von Justizsenatorin Lena Kreck (Linke) will eigenen Angaben zufolge nun prüfen, ob Rechtsmittel gegen das Urteil beim Bundesgerichtshof eingelegt werden sollen. Dazu warte man aber zunächst das schriftliche Urteil des Kammergerichts ab, sagte eine Sprecherin.
Bislang halte man das Urteil in erster Instanz vom Landgericht aber für zutreffend. Ob die Entscheidung des Kammergerichts geeignet sei, "die nach unserer Auffassung zutreffend begründete landgerichtliche Entscheidung, die in einer Besetzung von drei Berufsrichter*innen getroffen wurde, zu widerlegen, bleibt abzuwarten", hieß es.
Darüberhinaus betonte die Sprecherin, dass eventuell auch Rückgriffsansprüche gegenüber den Beamten in Betracht kommen könnten. "Sollte tatsächlich eine Zahlungsverpflichtung des Landes Berlin rechtskräftig werden, werden wir auch dies sorgfältig prüfen", sagte die Sprecherin.
Sendung: rbb24 Inforadio, Nachrichten, 20.12.2022, 13:20 Uhr