Brandenburg unter dem Hakenkreuz - Audiowalks führen auf die Spur der Machtübernahme

Mo 30.01.23 | 18:29 Uhr | Von Lisa Steger
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Archivbild: Reichstagseröffnung. Reichskanzler Adolf Hitler, Vizekanzler Franz von Papen und Reichsminister Joseph Goebbels. Potsdam. 21.03.1933. (Quelle: dpa)
Audio: Antenne Brandenburg | 30.01.2023 | Lisa Steger | Bild: dpa

Vor 90 Jahren übernahmen die Nazis die Macht in Deutschland. Aus diesem Anlass hat ein Bündnis in Brandenburg acht Audio-Spaziergänge herausgegeben, mit denen Interessierte den Anfängen des Nationalsozialismus buchstäblich nachgehen können. Von Lisa Steger

Den Audiowalk für den Selbstversuch auf mein Handy herunterzuladen, ist kein Problem. Die Rundgänge dauern 30 bis 60 Minuten, mit Stöpseln im Ohr laufe ich los.

Die erste der acht Neuruppiner Stationen ist der Bernhard-Brasch-Platz, Schauplatz eines Fackelzugs. "Am Abend des 31. Januar 1933 marschieren 450 SA-Leute und 350 Mitglieder des Stahlhelms mit Fackeln und Fahnen durch Neuruppin", tönt es aus den Kopfhörern. Rund 1.000 Menschen seien mitgelaufen und hätten das Deutschland-Lied gesungen – nur einen Tag nach der Machtübernahme.

Weiter geht es zum Rathaus, in dem die NSDAP bereits in den ersten Monaten ihrer Herrschaft unliebsame Kommunalpolitiker austauschte, über den damals in Adolf-Hitler-Platz umbenannten Schulplatz zu einem unscheinbaren Haus in der Virchowstraße. Es ist das ehemalige Kreisarbeitsamt. "Am 9. März meldete die 'Märkische Zeitung', dass 20 SA-Männer und 20 Stahlhelm-Anhänger zum Amt marschiert seien und verlangt hätten, die Nazi-Fahne zu hissen", informiert der Audiowalk. Sie setzten sich durch. Angefeuert worden seien die Männer von einer begeisterten Menschenmenge.

Viele Neuruppiner unterstützten die Nationalsozialisten

Die heutige Karl-Marx-Straße in Neuruppin war schon in den 1930er Jahren eine Einkaufsstraße. Und weil es dort viele jüdische Geschäfte gab, führt der Audiowalk hier entlang. "Große Mengen Neugieriger verfolgten die Aufstellung der Boykottposten", wird die Lokalzeitung aus dem April 1933 zitiert. "Die Boykottbewegung setzt um Punkt 10 Uhr ein." Doch die meisten Geschäfte seien bereits geschlossen gewesen. Die von den Nationalsozialisten ausgegebene Parole "Deutsche, wehrt Euch. Kauft nicht bei Juden." hatte offenbar verfangen. Diskussionen habe es nicht gegeben, hieß es seinerzeit in der Lokalzeitung.

Die letzte Station der kleinen Wanderung ist eine ehemalige Brauerei in der Wittstocker Allee. Am 22. Juni 1933 wurden 45 Menschen aus Neuruppin und Umgebung dorthin gebracht, die Nazis hatten die Brauerei zu einem Lager umfunktioniert. Die 45 waren Mitglieder von SPD und KPD. "Die SA verhört und foltert die Verhafteten dort", höre ich. "Ein bekanntes Foto zeigt, wie ein führender Kommunist gefesselt durch die Straßen Neuruppins geführt wird", so der Audiowalk weiter. Ein anderer KPD-Mann sei im November 1933 in diesem Lager "an den Folgen der Haft gestorben".

Das Konzentrationslager Neuruppin liegt mitten in der Stadt in einem Wohngebiet. Beklemmender Eindruck nach der etwa einstündigen Wanderung: Die Nazis haben auch in der Kleinstadt Neuruppin sehr schnell Fuß gefasst, innerhalb von Tagen und Wochen. Und sie mussten ihre Untaten nicht verstecken, viele Neuruppiner unterstützten sie.

Audiowalk

Alle Zielgruppen sollen mit dem Audiowalk angesprochen werden

Ähnlich war das auch in anderen Städten in Brandenburg. So erfährt man in den kleinen Hörspielen von "Brandenburg 33" auch, dass in Brandenburg an der Havel die SA Bücher verbrannte, dass Fehrbellin 1933 Adolf Hitler und Joseph Goebbels als Ehrengäste begrüßte und dass in Cottbus der erste Propagandafilm der SA gezeigt wurde.

Mein persönliches Fazit: Die Produktion ist gut recherchiert. Bei der Umsetzung ist jedoch noch Luft nach oben. Atemlos rasen die Sprecherin und der Sprecher durch den Text, die Betonung stimmt nicht immer – beides kann beim Zuhören eine Herausforderung sein.

Doch ganz bewusst hat sich das Bündnis, ein Zusammenschluss von Vereinen und Bürgerinitiativen, für acht kleine Hörspiele entschieden und gegen eine Broschüre. "Uns ging es darum, Geschichte erlebbar zu machen, die Leute sollen auch sehen, was um sie herum passiert", sagt Frauke Büttner vom Aktionsbündnis. "Und sie sollten nicht gleichzeitig in die Broschüre gucken müssen." Gedacht ist das Angebot für alle Geschichtsinteressierten, auch für Schulklassen.

Sendung: Antenne Brandenburg, 30.01.2023, 15:10 Uhr

Beitrag von Lisa Steger

6 Kommentare

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  1. 6.

    Ja anfänglich war es eine Koalitionsregierung. Die Konservativen glaubten, Hittler "zähmen" zu können. Ein Irrtum, wie sich herausstellte, da Hitler nach dem Reichstagsbrand mittels des Ermächtigungsgesetzes die Macht an sich riss und damit das Parlament faktisch ausgeschaltet hat. Man war sich damals der Tragweite nicht mal ansatzweise bewusst und glaubte, nach vier Jahren wieder die Macht im Parlament zu haben. Ist natürlich nicht passiert.
    Immerhin ist ein solches Vorgehen heute nach dem Grundgesetz gar nicht mehr möglich. Insofern hat man aus den Fehlern der Weimarer Verfassung gelernt.

  2. 5.

    Zum Aufmacherphoto. Und wer läuft dort zur Linken ohne Hut von Reichsknzler Hitler? Das ist niemand von der NSDAP, sondern v. Papen - es war eine Koalitionsregierung.

  3. 4.

    Das stimmt nicht so ganz. 1880 begannen die ersten nationalsozialistischen Bestrebungen, die dann 1919 gefestigt wurden. Unter Hitler wurde das nur anders ausgeprägt. Der sozialistische Gedanke entspricht nicht dem des eigentlichen Sozialismus. Ebensowenig ist der eigentliche Faschismus mit dem Nationalsozialismus gleichzusetzen. Wie in jeder politischen Richtung sind Allgemeingültigkeiten unmöglich.

    @ Jörg, die jetzigen rechten Richtungen mit Hitler und dem Dritten Reich in Verbindung zu bringen bedeutet auch, die damaligen Geschehnisse zu verharmlosen. Nichts aber auch nichts ist mit Hitlers Maschinerie der Menschenvernichtung zu vergleichen.

  4. 3.

    Im Nationalsozialismus liefen die Fäden eines überlieferten Anti-Judaismus, einer völkischen Gesinnung und des typisch deutschen Ordnungssinns zusammen, der unterhalb einer zur Perfektion getriebenen Handlung nichts kennt. Keines ohne das andere hätte diese Wirkung entfalten können.

  5. 2.

    Nein, Anton Drexler hat bereits 1918 den Münchner Freien Arbeiterausschuss für einen guten Frieden gegründet aus dem 1919 die DAP und 1920 schließlich die NSDAP hervorging.
    Aber das völkische und antisemitische Gedankengut ist viel älter.

  6. 1.

    Der Anfang des "Nationsozialismus" ist nicht 1933 sondern 1919.

    Da haben die Nazis angefangen mit Lügen nach Anhängern zu fischen. Wer das mal vergleicht findet viele Gemeinsamkeiten mit den heutigen Querdenkern, Rechtsextremen, Afd, NPD und anderen völkischen Wirrköpfen !

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