100.000 Tiere pro Jahr - Passt eine Bio-Hähnchenmastanlage ins Dorf?

Mi 15.02.23 | 16:38 Uhr | Von Björn Haase-Wendt
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Die Dahlhausener kritisieren Landwirt Jan-Steffen Grünhagen für den Bau der Hähnchenmastanlage. Björn Haase-Wendt/rbb
Audio: Antenne Brandenburg | 15.02.2023 | Björn Haase-Wendt | Bild: Björn Haase-Wendt/rbb

Bio liegt im Trend, besonders bei Discountern. Moderate Preise und trotzdem ein gutes Gefühl. Das hat auch Junglandwirt Jan-Steffen Grünhagen aus Ostprignitz-Ruppin erkannt. Er will er eine Bio-Hähnchenmastanlage errichten. Von Björn Haase-Wendt

Im hohen Norden Brandenburgs nahe Heiligengrabe (Ostprignitz-Ruppin) soll nach dem Willen von Junglandwirt Jan-Steffen Grünhagen eine Bio-Hähnchenmastanlage für jährlich insgesamt 100.000 Tiere entstehen. Er will so einen Discounter beliefern. Doch ist das noch Bio und passt das zum Dorf? Die Dahlhausener sagen Nein und lehnen das Projekt ab.

Angespannt steht Grünhagen an der Landesstraße zwischen Dahlhausen und Kolrep in Ostprignitz-Ruppin. Der 26-Jährige hat die Einwohner eingeladen, um sie doch vom Projekt zu überzeugen. Denn sowohl der Ortsbeirat als auch die Gemeindevertretung von Heiligengrabe lehnen die Bio-Hähnchenmastanlage ab. "Es sind zwei kleine Stallanlagen geplant für insgesamt rund 19.000 Tiere, in denen Hähnchen nach hohen Bioland-Standards gehalten werden", erklärt der Landwirt.

Klein heißt: Die Ställe werden jeweils rund 600 Quadratmeter groß sein, hinzu kommt Grünland, auf dem die Hähnchen die letzten Wochen vor ihrer Schlachtung leben werden. Fünf Durchläufe sind pro Jahr geplant – insgesamt geht es also um etwa 100.000 Tiere, die in den Ställen im Jahr großgezogen werden, bevor sie nach 70 Tagen geschlachtet und über einen Discounter vermarktet werden.

Sorge vor Lärm, Geruch und Ungeziefer

Die Dahlhausener machen beim Vor-Ort-Termin aber klar, was sie vom Projekt halten. "Ich will das nicht, ich will mir nicht die Ställe angucken, wenn ich morgens aus dem Fenster gucke", ruft ein Dahlhausener wütend, der direkt am Ortsausgang wohnt. Gut 700 Meter von seinem Grundstück entfernt sollen die Stallanlagen entstehen. Viel zu nahe, finden die Einwohner, wie auch Andreas Kobow.

Er befürchtet Geruchsbelästigungen, Krankheiten und Ungezieferplagen, die durch den Stall seiner Ansicht nach drohen könnten. "Und es geht natürlich um den ersten Eindruck, wenn man in unser eigentlich schönes Dorf kommt. So ein Massentierstall – das kann es nicht sein." Auch Anwohnerin Anke Glaser fürchtet um die noch relativ unverbrauchte Landschaft. "Das würde ich gerne als Zukunftspotential an die nächste Generation weitergeben", sagt sie.

Landwirt Jan-Steffen Grünhagen beim Vor Ort-Termin mit Dahlhausenern am künftigen Stall-Standort. (Foto: Björn Haase-Wendt/rbb)Landwirt Grünhagen beim Vor-Ort-Termin mit Dahlhausenern am künftigen Stall-Standort.

Halle in Leichtbauweise

Junglandwirt Jan-Steffen Grünhagen versucht noch zu retten, was zu retten ist. Es wird keinen großen Eingriff in die Landschaft geben, erklärt er den Einwohnern direkt auf dem Feld, wo künftig die Ställe stehen werden. "Wir tragen nicht viel Boden ab, setzen nur kleine Fundamente und die Halle wird in Leichtbauweise errichtet", erklärt der 26-Jährige. Auch die befürchteten Geruchsbelästigungen werde es seiner Ansicht nach nicht geben. "Die Masthähnchen kommen erst ab der vierten oder fünften Woche vor die Ställe. Von den Erfahrungen aus Wernikow weiß ich, dass man schon am Zaun rund um die Anlagen nichts mehr riecht."

Forderung: Ställe weiter weg vom Ort

Aber die Einwohner glauben das nicht, auch weil sie schon bei anderen Projekten im Ort schlechte Erfahrungen gemacht haben. Etwa beim Bau eines Solarparks. Auch dort wurde ihnen versprochen, dass das Umfeld begrünt wird und die Anlagen nicht zu sehen sein werden. Bis heute ist das nicht passiert, kritisiert Norbert Gottschalk aus Blumenthal. Und sie wurden vom Bau der Hähnchenmastanlage überrumpelt. Erst nachdem es eine erste Entscheidung in der Gemeindevertretung gab, wurden die Einwohner über die Pläne informiert.

Auch aufgrund dieser Erfahrung bleiben sie bei ihrer Forderung: Die Ställe sollen gar nicht erst gebaut werden oder deutlich weiter weg vom Ortsausgang – am besten näher an ein Waldgebiet heran, so dass sie nicht mehr zu sehen sind.

Landwirt überarbeitet Planungen

Bauer Grünhagen hatte aufgrund der Kritik bereits seine Planungen überarbeiten lassen. Die Ställe könnten zusätzliche 70 Meter weiter vom ursprünglich geplanten Standort wegrücken und es sei ein Sichtschutzwall geplant. Mehr sei aber nicht möglich, erklärt er und beruft sich auf die gesetzlichen Auflagen: "Da wir gewisse Abstände etwa zu Wäldern, zu Gewässern, Mooren, Orten und Naturschutzgebieten einhalten müssen." Auch andere Standorte in der Region kämen nicht in Frage, weil man sich mit den Eigentümern nicht über den Kaufpreis hätte einigen können oder die Flächen nicht zum Verkauf stehen würden.

Einigung nicht in Sicht

Der junge Landwirt will in den nächsten Wochen weiter mit den Einwohnern sprechen, Umweltgutachten vorlegen und die Bedenken ausräumen. "Ich möchte in meiner Region was auf die Beine stellen und möchte aber auch vor Ort mit den Leuten klarkommen, deshalb habe ich mich bereits zum vierten Mal den Fragen der Einwohner gestellt und werde das auch weiter tun." Doch die Fronten sind in Dahlhausen verhärtet, das sieht auch Anwohner Andreas Kobow so: "Ich denke nach heute nicht, dass es zu einer Einigung kommt. Da werden jetzt die Messer gewetzt, jetzt geht's zur Sache."

Das letzte Wort hat die Kreisverwaltung von Ostprignitz-Ruppin, sie muss in den kommenden Monaten über den Bauantrag für die Bio-Hähnchenmastanlage entscheiden.

Sendung: Antenne Brandenburg, 15.02.2023, 14:40 Uhr

Beitrag von Björn Haase-Wendt

23 Kommentare

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  1. 23.

    Sich über so eine Anlage beschweren, aber trotzdem noch Geflügel essen wollen. Da sieht man mal wieder, dass die Leute keinen Kontakt zum eigentlich Lebewesen haben/haben wollen. Denn dann würde man sehen und riechen, wie schlecht es den Tieren dort geht und dann vergeht einem bestimmt auch der Appetit auf Geflügel! Aber die Leute wollen ja weiterhin ihre Leichenteile essen.

  2. 22.

    Also die platte Landschaft ist aber schon so ein kleines bisschen geografisch bedingt. Ehrlich. Wo z.B. die Zechower Berge mit rund 97 M ü.NN emporragen kommt kein Alpenfeeling auf und das schöne Dorf ist übrigens auf der anderen Seite des Fotos.

  3. 21.

    ... aber essen wollen sie alle.... und brauchen die Einwohner im "sonst so schönem Dorf" keinen Strom...? Ironie aus...

  4. 20.

    . "Und es geht natürlich um den ersten Eindruck, wenn man in unser eigentlich schönes Dorf kommt. "
    Es hat schon was makabres, wenn man angesichts der plattgewalzten Landschaft, welche auf dem Foto zu sehen ist, von einem eigentlich schönen Dorf spricht.
    Womit ich, weiß Gott, mich nicht für die geplante Massentierhaltung aussprechen will. Im Gegenteil.
    Allerdings-wenn die Damen und Herren Dorfbewohner son neumodisches Zeuch wie Solarparks oder Massentierställe nicht haben wollen, gibt es ein effektives Mittel: Energie sparen auf Deibel komm raus und weniger bzw. gar kein Fleisch mehr essen.
    Danmn klappts auch mit dem "eigentlich schönen Dorf" weiterhin.

  5. 19.

    Viehställe gehören zum Dorf , wer den Geruch nicht erträgt, hat sich den falschen Wohnort ausgesucht . Ich wohne auch auf dem Lande Luftlinie 500 m vom Kuhstall entfernt . nicht immer schön aber gehört dazu

  6. 18.

    Man darf auch nur beruflich "Klimaschützer" sein. Was privat ist bleibt privat. :-D

  7. 17.

    Leute, was soll der Quatsch, in zehn Jahren gibt es für Fleisch keinen lukrativen Markt mehr.

  8. 16.

    Also mal ganz ehrlich, Berlin würde ohne Brandenburg verhungern. Das ist kein Vorwurf, aber bitte überlassen Sie der Brandenburger Bevölkerung, ob diese wieder einen neuen Mastbetrieb im Ort haben möchten. So viel Verständnis sollten Sie schon aufbringen. China ist übrigens ein großer Importeur von deutschem Fleisch und so zieht Ihre Abwanderungspanik nicht mehr. Viele Länder haben schon lange sehr strenge Auflagen an Mastbetriebe. In D tummeln sich die Betreiber, exportieren das Fleisch in die ganze Welt, nur die Hinterlassenschaften bleiben hier. Dank des Lobbyismus in D werden geplante Verordnungen aufgeweicht und von der Industrie und dem Handel ein Haltungsform Label erfunden.

  9. 15.

    In 70 Tagen vom Eintagsküken bis zum schlachtfertigen Hähnchen gemästet, das ist sportlich. Viel Biofutter, wenig Auslauf, dann klappt das mit der Mast. Die Auslauffläche bleibt auch nicht grûn, nicht bei 19000 Tieren. Und der Endverbraucher wird sein Fleisch ebenso in der Pfanne suchen, wie von der konventionellen Mast. Hähnchen können in 70Tagen nicht ausgereift sein.
    Bei uns wurden die Hähnchen immer von Mai bis Advent gefüttert. Sie verdunsteten nicht in der Pfanne.^^

  10. 14.

    Sehr wahr: "Was ist da noch BIO? Darunter verstehe ich schon etwas anderes."

  11. 13.

    19.000 Tiere auf 1200 qm - macht rd. 16 Tiere pro qm - Mahlzeit. Würde im Vorgarten ganz schön kuschelig werden aber entspricht der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung. Bio ist anders. Hier sind sieben Tiere pro qm Stallfläche und acht qm Auslauf pro Tier vorgesehen. De Berichtsdaten nach ist es ein normaler Mastbetrieb - nichts anderes. Davon gibt es mehr als ausreichend. Der Albert-Schweitzer-Stiftung nach gibt es DE 92 Mio. Hühner nur für die Fleischversorgung. Dem stehen rd. 1700 Mastanlagen gegenüber. 2020 war DE auf Platz 6 der weltweiten Exporteure, bei Schweinefleisch auf Platz 3. Es geht hier nicht mehr um Versorgung nur um "Kohle". Da zieht das "Nimby-Argument" nicht mehr wirklich.

  12. 11.

    Wohnen Sie in der Gegend? Falls nicht, wäre es hilfreich, Sie würden ab sofort und für alle Zukunft auf den Konsum von Masthähnchen verzichten. Danke.

    Gruß
    Navan

  13. 10.

    Stimmt, jetzt fällt mir das auch erst so richtig auf: 1200 Quadratmeter, das sind ja gerade mal drei Schrebergärten - und auf der kleinen Fläche 19.000 Tiere????
    Wenn sowas Bio sein kann, dann weiß ich auch nicht mehr...

  14. 9.

    Das ist nicht Ihre Heimat. Was wir wollen? Fangen wir einfach damit an, das sich die Leute raushalten die diese Massenfabriken nicht vor der Nase haben. Oder fahrt ihr am Wochenende ins Grüne und erholt euch neben solch einer Anlage?

  15. 8.

    Werden wahrscheinlich zwei Etagen sein, also dann werden aus den 1200 m2 2400 m2 und damit 0,126.. m2.

  16. 7.

    Lebensmittel und heimische Produktion wollen alle, aber nicht “in my front yard”…! Wenn die Ställe nicht bei uns gebaut werden, kommen die Tiere/Fleisch etc. in Zukunft eben aus Polen/Litauen/China, dass kann es doch auch nicht sein. Der geplante Stall ist nun wirklich nicht Groß und wird nach höchstem Standard gebaut…was wollt ihr denn noch?

  17. 6.

    Und mal ganz ehrlich, wenn der Landwirt meint 19000 Hähnchen geben keine Gerüche ab? Warum müssen es immer gleich so viele Tiere auf einmal sein? Bei 19000 Tieren pro Durchlauf auf insgesamt 1200 m² frage ich mich schon, was ist da noch BIO? Darunter verstehe ich schon etwas anderes.

  18. 5.

    Also wenn ich das richtig verstehe, möchte der Landwirt 19000 Tiere in zweimal 600 m² halten. Wenn ich die 1200 m² durch 19000 Tiere teile komme ich auf 0,0631 m² pro Tier. Laut der Verordnung sind aber 0,12 m² vorgeschrieben. Liege ich da falsch? Wer weiß mehr darüber? Der RBB vielleicht???

  19. 4.

    Lieber Chemie im Huhn? Bio ist definitiv besser. Aber wie Sie meinen.

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