Wasserrecycling in Wohnbauten - "Lebensmittel gehören nicht in die Klospülung"

Sa 04.02.23 | 08:23 Uhr | Von Maren Schibilsky
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Grauwasserrecyclinganlage zur Aufbereitung von gebrauchtem Haushaltswasser (Quelle: Maren Schibilsky)
Bild: Maren Schibilsky

Unser Wasser wird durch die Klimakrise knapp. Ein Projekt in einem Berliner Studentenwohnheim zeigt, wie mit Grauwasserrecycling Wasser gespart werden kann. Umweltingenieure und Forschende an der TU Berlin wollen das zum Standard machen. Von Maren Schibilsky

Der Berliner Umweltingenieur Erwin Nolde drückt die Klospülung in einem Studentenapartment in der Pankower Selma-Lagerlöf-Straße. Normalerweise fließt Trinkwasser das Toilettenbecken hinunter, rund 50 Liter macht das pro Person und Tag aus. Für Nolde eine ungeheure Verschwendung. "Trinkwasser ist unser Lebensmittel Nummer eins und Lebensmittel gehören nicht in die Klospülung", meint er.

Neues Studentenwohnheim mit Grauwasserrecyclinganlage in Pankow (Quelle: Maren Schibilsky)
Neues Studentenwohnheim mit Grauwasserrecyclinganlage in PankowBild: Maren Schibilsky

Lange Zeit forschte Nolde an der TU Berlin zu Wasserrecycling. Heute betreibt er eine Firma, die innovative Wasserkonzepte anbietet. In dem Studentenwohnheim in Pankow hat er die größte Grauwasserrecyclinganlage in Berlin realisiert. Sie versorgt 400 Apartments. 2022 wurde der Umweltingenieur dafür ausgezeichnet. Toilettenspülung und Waschmaschine laufen hier mit recyceltem Grauwasser - das ist Wasser, das z.B. aus Dusche oder Waschbecken abfließt und als Betriebswasser verwertet werden kann.

Reinigung ganz ohne Chemie

Im Keller des Wohnheims steht die Anlage: ein intelligenter Mix aus Abwasserbehandlung und Trinkwasseraufbereitung. "Seit mehr als 15 Jahren ist diese Technik entwickelt", sagt Nolde. In drei Grauwasserbehältern wird das Dusch-, Badewannen-, Waschbecken- und Küchenwasser gesammelt und mithilfe von Mikroorganismen biologisch gereinigt. Alles passiert hier ohne Chemie. Es gibt Sandfilter und eine Desinfektion durch UV-Strahlung für die Keime. Heraus kommt ein sogenanntes Betriebswasser für die Toilettenspülung und Waschmaschine.

Nolde geht zu einem Waschbecken mit zwei Zapfstellen. Aus der einen kommt Trinkwasser. Aus der anderen das Betriebswasser. "Wenn man jetzt von beidem eine Probe nimmt, sieht man, dass zwischen dem Betriebswasser und dem Trinkwasser kein Unterschied ist. Weder optisch noch geruchsmäßig. Also der Nutzer merkt keinen Unterschied", versichert der Umweltingenieur. Die Leute dürfen keinen Komfortverlust, kein hygienisches Risiko haben – das ist ihm wichtig.

Im Keller des Studentenwohnheimes steht die Grauwasserecyclinganlage (Quelle: Maren Schibilsky)Die Grauwasserrecyclinganlage bereitet gebrauchtes Wasser ohne Chemikalien auf.

Hohes Einsparpotential

Mit dem Grauwasserrecycling lassen sich zwischen 30 bis 60 Prozent Trinkwasser einsparen. Außerdem nutzt die Anlage die Wärme aus dem Dusch- und Badewasser, um kaltes Trinkwasser zu erwärmen. Diese Wärmerückgewinnung ist neu. Wie auch die smarte Steuerung der Anlage.

Die Berlinovo-Immobiliengesellschaft hat das Grauwasserrecycling in dem Studentenheim umsetzen lassen. "Dass wir Wasserknappheit in Berlin haben, liegt auf der Hand", meint Abteilungsleiter André Haßmann, der für den Bau zuständig ist. Mittlerweile prüft das Unternehmen bei all seinen Bauprojekten, wie mehr Nachhaltigkeit möglich ist. Für Haßmann rechnet sich eine Grauwasseranlage mit Wärmerückgewinnung ab 50 bis 60 Personen, also bei großen Wohneinheiten. In der Rhinstraße in Lichtenberg baut die Berlinovo jetzt zwei weitere Studentenwohnheime mit Grauwasserrecycling für insgesamt 800 Wohnapartments.

Nolde geht davon aus, dass sich die Anlagen innerhalb von 10 Jahren amortisieren. "Wir sagen so über den Daumen gerechnet, dass wir Mehrkosten für das zweite Leitungsnetz und für die Anlage von zirka 20 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche haben. Peanuts, wenn man vergleicht, für welchen Preis pro Quadratmeter Wohnfläche über den Ladentisch geht", so Nolde.

Für den Umweltingenieur ist jeder Neubau, der entsteht und das Grauwasserrecycling mit Wärmerückgewinnung nicht realisiert, eine Bausünde und ein Vergehen gegen Klimaanpassung. Auch bei der Plattenbausanierung in Berlin hätte man Grauwasserrecycling mitdenken können – meint Nolde. "Man hat uns Jahrzehnte im Glauben gelassen, dass Berlin genügend Wasser hat, Wasser im Überfluss und dass man sich darum nicht kümmern muss. Das war schon seit langem klar, dass das nicht richtig ist."

Der Bevölkerungszuwachs in der Bundeshauptstadt und die zunehmende Hitze und Trockenheit machen die Wasserversorgung künftig zur Herausforderung.

Spürbarer Effekt nur durch Neubau und Sanierung möglich

Der Wissenschaftsladen "Kubus" an der TU Berlin hat jetzt Vertreter aus Politik, dem Wohnungsbau, der Verwaltung und der Wissenschaft erstmals zusammengebracht, um Grauwasserrecycling in der Bundeshauptstadt voranzubringen. Frank Becker vom Wissenschaftsladen fordert eine Überarbeitung der Bauordnung, in der getrennte Wasserkreisläufe für Trinkwasser und Grauwasser zwingend vorgeschrieben werden.

Nicht nur beim Wohnungsneubau brauche es neue Rahmenbedingungen, fordert er. "Wir müssen jetzt handeln! Deshalb ist die Politik gefordert, hier Lösungen zu erarbeiten, die durchaus experimentell im Sanierungsbereich die Nutzung von Grauwasser ermöglichen. Weil, wenn wir das nur auf den Neubau beschränken würden, würde es viel zu lange dauern, bis wir eine Wirkung im Sinne des Trinkwasserverbrauchs in Berlin sehen."

Bisher gibt es in ganz Berlin weniger als zehn Grauwasserrecyclinganlagen.

Sendung: rbb24 Inforadio, 2.2.2023, 17:50 Uhr

Beitrag von Maren Schibilsky

20 Kommentare

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  1. 20.

    "Stinktiere" haben auch ein Existenzrecht. Solange sie andere dadurch nicht (geruchs) belästigen ist das völlig o.K.

  2. 19.

    Ich bin alleinstehend und kann mir von daher etwas erlauben, was also niemanden stört. Ich pinkel zuerst mal in meinen Nachttopf der ein ehem. Messbecher ist. Ist dieser voll wird er geleert. Aber mit Abwaschwasser aus den Spülbecken falls gerade vorhanden. Baden tue ich nur einmal die Woche so richtig gründlich. Ansonsten gibt es nur die üblich tägliche Katzenwäsche. Es soll ja Leute geben die sich dreimal am Tag unter die Dusche stellen tun. Und überhaupt sich Stundenlang im Bad aufhalten. Naja, ich gehöre noch der Generation „Plumpsklo“ an, von daher weiß ich wie man sparsam mit Trinkwasser umgeht.

  3. 18.

    Vor Jahren haben wir entschieden, die Toiletten von der halben Etage in die Wohnungen zu holen. Eine Errungenschaft, die sich in der Miete niederschlug. Jetzt sehen wir, was in Sachen Nutzwasserverwertung möglich ist. Fortschritt ist nicht umsonst und auch nicht kostenlos. Wenn man das will, zahlt man auch. Ich finde das eine sinnvolle Entwicklung.

  4. 17.

    Berlin leitet seine Abwässer nicht in die Flüsse, sondern entnimmt dort Wasser, weil ein Teil in Lebewesen verdunstet.

    Es gibt zwar Unternehmen, die Abwässer in Flüsse und Seen leiten (Schlachtbetriebe, Altenheime, Chemiekonzerne), aber da ist dann eher das Problem, das sie es nicht gut aufbereiten. Da wäre eine Verrieselungsplicht durchaus Sinnvoll, zumal ein Fataler Fehler dann Lokal bleiben würde, und man Handlungszeit bekäme.

    Verloren geht geht dem Planeten nichts, es sind lediglich ein paar tausend Industriestoffe im Wasser, die für einen Großteil des Arten schädlich sind, und die man niemals wieder zu 100% rausbekommt!

    Momentan sollte mehr Wasser unterwegs sein, und da es überall genug Schwemmland als Pufferzone für die Grundwasserspeicher gibt, wird es auch nie zum Problem, wenn die Jahresmenge Wasser, innerhalb weniger Wochen fällt.

    Es wäre aber vlt Sinnvoll, entsalztes Meerwasser (Neues Verfahren!) mit Nordstream anzusaugen und in trockenen Gebieten zu verrieseln.

  5. 16.

    Das wenigste vom Trinkwasser wird wirklich getrunken.
    Für Waschen und Spülen wird wohl das meiste „verbraucht“. Wenn man das geklärte Abwasser nicht per Fluss ins Meer sondern verrieseln würde, und somit dem Grundwasser wieder zuführen würde, wie früher üblich, hätte man auch ohne Umbau der Haustechnik einen Kreislauf. Aber das sollte nicht mehr sein…

  6. 15.

    Ich spüle nicht beim pullern und 1x pro Woche duschen reicht völlig aus. Kein Witz.

  7. 14.

    "... zirka 20 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche haben. Peanuts, wenn man vergleicht, für welchen Preis pro Quadratmeter Wohnfläche über den Ladentisch geht" Das ist aber in einem Studentenwohnheim und nicht irgendeine Immobilie, das dürfte für Studenten schon eine wesentliche Steigerung sein - da ja neben der Installation sicher auch noch zusätzliche Betreibs- und Wartungkosten dazukommen.

  8. 13.

    Die in Brandenburg mal vorhandenen großen Rieselfelder wurden aber ja gerade eingestellt, weil das nicht mehr gewünscht war. Es wird sicher schwierig und teuer, dafür jetzt neue Flächen dafür zu erschließen. Wäre in den Grundwasserleiter pumpen nach hinreichender Reinigung und damit das Grundwasserreservoir auffüllen dann nicht praktikabler?

  9. 12.

    In Hamburg wird sogar das Schwarzwasser gesammelt und in eine Biogasanlage aufbereitet.
    Neu ist das Konzept nicht.
    https://www.hamburg.de/projekt-jenfelder-au/

  10. 10.

    Alte Kamelle die jetzt einer neu vermarkten will. Vom Grundsatz her auch eine schöne Sache. Allerdings sehr aufwändig. Neben den höheren Baukosten benötigt man auch enorm viel Platz im jeweiligen Gebäude und hat auch einen erheblich höheren Wartungsaufwand, was die Betriebskosten in die Höhe treibt. Sinnvoller und effektiver ist es das Wasser wie bisher zentral zu klären. Allerdings sollte das geklärte Abwasser nicht mehr in die Flüsse geleitet werden, sondern verrieselt.

  11. 9.

    Man kann parallel die Subventionen für Kohle, Gas und Öl streichen und diese Trinkwassersparsysteme subventionieren.
    Man muss es nur wollen.

  12. 8.

    2 getrennte Systeme mögen in der Sache sinnvoll sein. Gleichzeitig aber ein weiterer Baustein Mieten in die Höhe zu treiben.

  13. 7.

    Pipi machen beim duschen … Spart (alleine) bei uns locker 3.000 Liter Frischwasser im Jahr … Und ein paar kleine Euro auf der Rechnung … Ganz nebenbei, sozusagen … Kein Quatsch … Ansonsten tolle technische Lösung … Leider (noch zu) teuer.

  14. 6.

    Mir haben 2 Dinge besonders gut gefallen, die die Seriosität von Herrn Nolde und Herrn Becker beweisen: Der realistische Umgang mit Zahlen: 20€/m2 als Mehrkosten und das alle Sanierungen mit rein müssen um einen Effekt zu bekommen.
    Diese beiden Dinge wünscht man sich auch bei anderen (Umwelt)Themen auch viel mehr. Das auch wichtige Bauchgefühl hilft nicht, wenn die Ansichten extrem werden...

  15. 5.

    "Frank Becker vom Wissenschaftsladen fordert eine Überarbeitung der Bauordnung, in der getrennte Wasserkreisläufe für Trinkwasser und Grauwasser zwingend vorgeschrieben werden." Nur so kann es gehen und nicht anders! Die Materialforschung hat längst herausgefunden, wie wichtig die Aufbereitung ist &noch besser, dass man Abriss vermeiden muss. Auch hier unisono die Forderung, die Bauordnung zu ändern! Das läge auch im Interesse bezahlbaren Wohnens! -- Wie viele zig Jahre sollen die Erfinder und Techniker warten, was längst bewiesen ist, in die Praxis zu bringen?Politik werde munter & mach dich nicht weiter zum Bremsklotz! -- Auf jeden Fall ist die im Artikel beschriebene Leistung der Fortschritt & nicht das Ankleben auf der Str./das Verkriechen in irg.-w. Löcher!

  16. 4.

    Ja, da ist schon viel schon länger technisch machbar. Bisher standen dem aber oft Kostennachteile entgegen.

  17. 3.

    Das liest sich phantastisch.
    Danke für den Einblick in diese Technologie und den Erfinder dahinter.
    Wir sollten uns vor Augen halten, dass die Menschen aus Südeuropa nach Norden kommen werden. In Spanien, Südfrankreich oder Italien ist es immer Sommer so heiß, dass Menschen mittlerweile Richtung Norden abwandern.
    Wir haben es also nicht nur mit Klimaflüchtlingen aus Afrika zu tun. Wir haben Menschen, die ob steigender Meereshöhe, immenser Hitzeentwicklung und Unbewohnbarkeit riesiger Gebiete zu uns kommen.
    Die wollen gern alle trinken, duschen, kochen und aufs Klo.

  18. 2.

    Großartige Sache! Bitte berichtet mehr über konkrete Handlungsmöglichkeiten, Innovationen, Kleines und Großes. Fragt in Interviews nach, wie der Senat solche Projekte (in breiter Umsetzung) fördert.

  19. 1.

    Die Grauwassergewinnung als Thema ist doch nicht neu. Das Lebensmittel, also Wasser, einfach als Klospülung zu verschwenden zeigt, wie dekadent wir hier leben, obwohl wir hier seit einigen Jahren schon am Rande der Trockenheit leiden. Es muss, leider mal wieder von der Politik, gesetzlich geregelt werden, da freiwillig keiner in Richtung Wiederverwertung umrüstet. aber vllt klappt es bei den Neubauten, dass die Wiederverwertung mit eingeplant und auch umgesetzt wird. Und Wasserknappheit kann man nicht mit Kosten aufrechnen, denn wir haben nur das "eine" Wasser!

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