Rekord-Defizit bei Niederschlägen - Wie Berlins trockenster Ortsteil Dahlem mit der Dürre umgeht

Di 10.01.23 | 06:07 Uhr | Von Janek Alva Kronsteiner und Frank Preiss
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Felder in Berlin-Dahlem im Januar 2023. (Quelle: rbb/Janek Alva Kronsteiner)
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Video: rbb|24 | Janek Alva Kronsteiner | Bild: rbb/Janek Alva Kronsteiner

In keiner anderen Berliner Messstation wurde im vergangenen Jahr so wenig Regen gemessen wie in Dahlem. In die Bredouille geraten dadurch etwa der Botanische Garten und das Landgut Domäne. Betroffene spüren die Folgen – und suchen nach Auswegen. Von Janek Alva Kronsteiner und Frank Preiss

  • Berliner Ortsteil Dahlem war 2022 am trockensten
  • Pflanzen benötigen Bewässerung um zu überleben, Gemüseanbau leidet
  • Experte warnt vor Panik: Häufung, aber ein Trend lasse sich noch nicht herleiten

Seit Ende Dezember haben wir es Schwarz auf Weiß: Mit durchschnittlich 11,2 Grad Celsius war es in Berlin im Jahr 2022 bundesweit nicht nur am wärmsten, sondern mit 403 Litern Niederschlag je Quadratmeter auch am trockensten. Wie wenig das war, wird beim Blick auf den Durchschnittswert bei Niederschlägen in den Jahren 1950 bis 2010 deutlich: Hier fielen knapp 600 Liter pro Jahr.

Am schwersten suchte die Berliner Trockenheit im vergangenen Jahr den Ortsteil Dahlem im Südwesten der Stadt heim. Hier fielen von Januar bis Dezember nur 355 Liter pro Quadratmeter. In allen weiteren Berliner Messtationen waren es mehr: Buch meldete 427 Liter, Tempelhof 389 Liter und der Flughafen BER 405 Liter.

Grafik zu Niederschlagsmengen in Berlin-Dahlem (Bild: rbb/Janek Alva Kronsteiner)
| Bild: rbb/Janek Alva Kronsteiner

"Es geht nicht ohne Bewässerung"

Besonders deutlich zu spüren bekommen das natürlich Menschen, deren Alltag die Arbeit in und mit der Natur ist. So zum Beispiel der Botanische Garten in Dahlem, ein 43 Hektar großes Areal, das Pflanzen aus aller Welt beherbergt. Manche der dortigen Pflanzen sind durch die enorme Trockenheit in ihrer Existenz gefährdet.

Seit 1910 sorgt hier ein Wasserturm mit einem Füllvolumen von 100 Kubikmetern Wasser für Bewässerung. Das Wasser wird von März bis Oktober über ein Brunnensystem an mehr als 200 Zapfstellen auf dem Gelände gepumpt. "Wir haben hier die Möglichkeit, über ein dreiviertel Jahr lang zu bewässern. Ohne das könnten wir die Pflanzenvielfalt hier nicht mehr darstellen", betont Thorsten Laute, Leiter des Gartenbetriebs im Botanischer Garten, im Gespräch mit rbb|24.

Alpine und asiatische Pflanzen sind gefährdet

Ohne Niederschläge insbesondere in den Wachstumsmonaten März bis Juni würden viele Bäume krank werden und zusammenbrechen, "hier würde sich eine andere Waldgesellschaft einfügen", erklärt der Pflanzenexperte. Besonders gefährdet seien alpine Pflanzen wie die Alpenrose sowie Großgehölze aus Bergregionen oberhalb der Baumgrenze. Ihnen werde neben der Trockenheit vor allem die hohe Durchschnittstemperatur zum Verhängnis. "Nur mit Bewässern lässt sich das nicht hinkriegen. Eventuell werden wir eines Tages die Alpenrose bei uns nicht mehr abbilden können", warnt er.

Auch die Himalaya-Zedern, die vielen Rhododendren und die vier Flussläufe des Botanischen Gartens würden nicht so aussehen, wenn sie nicht bewässert würden, erklärt Laute. Auch Weidengewächse und Pappeln, darunter auch einige aus dem asiatischen Raum, seien auf Dauer im Botanischen Garten in ihrer Existenz gefährdet.

Domäne Dahlem: Erträge sind geringer

Vor allem in den Monaten März, April, Mai und Juni seien Regenfälle wichtig, um das Pflanzenwachstum zu ermöglichen, betont auch Astrid Masson, Landwirtin in der Domäne Dahlem. Hier haben sich Obst- und Gemüsebauer, Imker sowie Garten- und Landschaftsbauer zusammengefunden. Auch hier wird über einen Brunnen bewässert. "Wir bewässern nicht gerne, aber viele Jungpflanzen würden ohne Bewässerung gar nicht mehr heranwachsen. Ganze Kulturen im Gemüsebau fallen auch so aus, die Erträge sind geringer, besonders beim Roggen", bilanziert sie im Gespräch mit rbb|24.

Teilweise habe man sich schon auf die neuen Herausforderungen durch den Klimawandel eingestellt. So setze man vermehrt auf Pflanzenmischungen an einem Standort. "Wir pflanzen eben nicht mehr nur Roggen an, sondern mischen Erbsen bei. Beim Kleegrasgemenge gibt es mehr Luzerne und weniger Gräsern, weil Luzerne mit ihren Wurzeln bis zu zehn Meter tief kommen", sagt Masson.

Meteorologe: "Keine Panik"

Grundsätzlich beobachte man in den letzten Jahren, dass sich viele Rhythmen der Natur verschieben, so zum Beispiel bei den Kartoffeln: "Eigentlich werden Kartoffeln Mitte April gelegt, dann wird es langsam warm und die Kartoffeln gehen auf. Erst dann kommt eigentlich der Kartoffelkäfer. Inzwischen ist der aber schon da, bevor wir überhaupt die Kartoffeln legen, weil er wegen der höheren Temperaturen im Winter früher aus dem Winterschlaf erwacht und anfängt zu fressen", erklärt die Landwirtin. Deshalb sei nicht nur genügend Regen in den Frühlingsmonaten wichtig, sondern auch ein kalter Winter, damit Schädlinge wie der Kartoffelkäfer nicht zu früh aus dem Erdreich nach oben kämen.

Auch der Meteorologe Uwe Ulbrich bestätigt, dass es in den zurückliegenden Jahren außergewöhnlich trocken in Berlin gewesen ist. Er arbeitet für das meteorologische Institut der FU Berlin, das von Dahlem aus Klima- und Wetterdaten an den Deutschen Wetterdienst liefert.

"Im vergangenen Jahr fiel in Berlin-Dahlem so wenig Regen wie nie seit Beginn der Wetteraufzeichnungen", sagte er rbb|24 - und fügt gleichzeitig hinzu: "Ich würde aus diesen zuletzt fünf supertrockenen Jahren aber keine Panik ableiten. Auch in der Vergangenheit gab es immer mal wieder solche Trockenphasen", erläutert er.

Ullbrich mahnt Anpassungen an

Es gebe in diesem Bereich zwar eine Häufung, aber ein Trend lasse sich daraus noch nicht herleiten. "Schaut man auf die Jahresniederschläge, dann waren die in den letzten fünf Jahren in Berlin eigentlich stabil. Auch Klimamodelle sprechen von mehr Trockenheit im Sommer und mehr Niederschlag im Winter, im Mittel bleibt also alles gleich. Für Pflanzen ist das natürlich nicht befriedigend, Birken sind beispielsweise massenhaft abgestorben. Allerdings ist Niederschlag auch im Winter äußerst wichtig für das Grundwasser", führt Ulbrich aus.

Meteorologen schauten eher auf Entwicklungen innerhalb von 30 Jahren als auf fünf Jahre, erklärt er weiter. Wenn längerfristige Klimavorhersagen auf eine höhere Wahrscheinlichkeit für Trockenheit hindeuteten, müssten natürlich Anpassungen in die Wege geleitet werden, so Ulbrich: "Dann müssen wir gezielt Grundwasser speichern oder andere Maßnahmen ergreifen, um solche Trockenperioden besser überwinden zu können."

Beitrag von Janek Alva Kronsteiner und Frank Preiss

18 Kommentare

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  1. 17.

    Die Devise lautet immer "Keine Panik".
    Die Prognosen sind Bund und Ländern bekannt. Berlin Brandenburg gelten als am schwersten vom Klimawandel betroffene Regionen Deutschlands.
    Wir haben aber Möglichkeiten, das ganz üble Szenario abzuwenden. Das geht insgesamt nur und ausschließlich gemeinsam - mindestens auf gesamteuropäischer Ebene. Allein der Hochwasserschutz... Da müssen wir auch mit den Russen zusammenarbeiten...

  2. 16.

    Ich meine auch Oberflächenwasser.
    Man kann Seen vor Verdunstung schützen indem man Bäume drumherum gedeihen lässt.
    Wasser an der Oberfläche wird brackig, wenn es steht. Daher muss ein "Bewegungsplan" her. Das Wasser an der Oberfläche (und die muss vergrößert werden) sollte in Bewegung sein damit es nicht stinkt und faulig wird.

    Das Thema Grundwasser und Abpumpen von Grundwasser ist noch mal ein ganz anderes Thema.

    Aber selbst wenn wir das Oberflächenwasser selbst nicht nutzen können weil es zu schmutzig oder schadstoffbelastet ist, kann damit ein gewisser Baumbestand gehalten werden.

  3. 15.

    Was der Meteorologe da behauptet ("Auch in der Vergangenheit gab es immer mal wieder solche Trockenphase") ist nicht wahr. Die aktuelle 5-Jahres-Dürre ist die schwerste seit Messbeginn*. Und die Häufung dieser Extremwetterphasen nimmt nachweislich durch den Klimawandel zu. Und zwar extrem. Panik ist da sehr wohl angebracht. Oder besser: Klimaschutz endlich! Auch und gerade im betroffenen Brandenburg!

    *Quelle: https://www.t-online.de/nachhaltigkeit/klima-und-umwelt/id_100047918/klimakrise-und-trockenzeit-das-zeitalter-der-duerre-beginnt.html

  4. 14.

    Nach meiner Kenntnis geht der große Teil Regenwasser in Rohre, ebenso unser Trinkwasser. Über die Rohre gelangt es in die Kläranlage, vo dort in die Flüsse und dann ins Meer und ist - für uns - verloren.

  5. 13.

    Ich schalte nicht in den Konkurrenzmodus sondern ich habe Ihnen versucht in kurzen Worten einen extrem komplexen Sachverhalt zu erklären. Wenn Sie dieses nicht überregional sehen, dann kann ich Ihnen leider nicht helfen die Zusammenhänge zu verstehen.

  6. 12.

    Da Berlin im Urstromtal liegt, wäre eine Absenkung des Grundwasserspiegels für den Bau größerer Fundamente, z.B. für Hochhäuser oder Windräder ;-) sogar von Vorteil. Nur, wie kommt das Wasser an die Stellen wo es fehlt?

  7. 11.

    Das ist gar nicht so komplex. Alles verständlich.
    Regenwasser in der Stadt versickern zu lassen und zu speichern ist wichtig. Wassermanagement im Vorlauf Berlins, wie Sie es ansprechen, ist auch wichtig. Kein Grund, in den Konkurrenzmodus zu schalten

  8. 10.

    Nicht nur das Wasser im Stadtgebiet versickern lassen, sondern auch einmal großräumig denen. Hier sind die großen Waserverschwender die neuen künstlich angelegten Seen im ehemaligen ostdeutschen Braunkohlegebiet. Dadurch wurden riesige Verdunstungsfächen geschaffen, deren Niederschlag erst weit hinter der Oder niedergeht und wo uns das Wasser fehlt. Auch durch das Abpumpen des Grundwassers in den Tagebauen wird den Flüssen weiträumig sehr viel Wasser entzogen, da das Wasser wie in einer Vertiefung zur tiefsten Stelle hin fließt. Das hier zu erklären ist ziemlich komplex, da Wasserkreisläufe selbst von vielen Faktoren abhängig sind.

  9. 9.

    Ich sehe auf den Straßen eher alte Autos, neue sind meistens finanziert.

    Konsumschulden für Urlaub, Möbel - da tun sich Abgründe auf.

    Und bevor Sie mir mitteilen möchten, dass so mancher nur mit Krediten über die Runden kommt, möchte ich anmerken: Ohne Bonität keinen Kredit.

    Bedeutet: Konsumschulden sind Schulden, die regelmäßig den über den eigentlichen Bedarf hinausgehenden Bedarf decken.

  10. 8.

    Hotels, Bars, Restaurants, Reisen, alles läuft doch hervorragend.

    Böller, Feuerwerk läuft auch.

    Was möchten Sie mir genau sagen?

    Richtige Opfer gibt es immer, da stimme ich Ihnen zu.

    Ich trinke natürlich jeden Tag Champagner und esse Kaviar, Sie etwa nicht?

  11. 7.

    Richtig!
    Das Regenwasser des Winters muss im Stadtgebiet versickern können, so dass die Grundwasservorräte aufgefüllt werden. Überschüssige Mengen müssen gespeichert.
    Es ist schon lange überfällig, die Mischkanalisation aus der Gründerzeit zumindest in Teilen zu ersetzen durch eine getrennte Kanalisation, die das Regenwasser in Speicherbecken / Seen leitet.
    Es ist kaum mit anzusehen, wie jetzt im Winter das wertvolle Regenwasser in die Gullys verschwindet und somit letztlich über Flüsse und Kanäle aus der Region abfließt, anstatt für die trockenen Sommerzeit gespeichert zu werden.

  12. 6.

    Möchten Sie Vorschläge zur Verbesserung des Leistungsprinzips machen?
    (Nur so, weil man nicht so ohne weiteres "Hotte" eine "Verteilung" überlassen darf. Es kommt dann zu noch mehr Ungerechtigkeit, was logisch ist.)

  13. 5.

    @Ulle: Sie scheinen dazuzugehören zur Wohlstandgesellschaft, die in Saus und Braus lebt. Sonst wäre Ihnen nämllich bewusst, wie zynisch Ihre Wort in den Ohren jener klingen, die sich seit Jahren nichts mehr leisten können, keinen Urlaub, kein Essengehen, keine Kultur, keine Mobilität, keine Heizung.
    Wenn Sie das mal minimum 10 Jahre durchgezogen haben, dann sprechen wir uns wieder, ok?

  14. 4.

    "Wasser lässt sich nicht ohne Weiteres speichern."
    Aber wird es denn nicht ganz ohne Weiteres im Grundwasser gespeichert? Oder denke ich als Laie da jetzt zu simpel?
    Das Gegenteil wäre ja so etwas wie der Cottbusser Ostsee oder der geplante noch größere See. Dort verdunstet das Wasser ja aber, von Speichern kann keine Rede sein, jedenfalls nicht ohne Abdeckung...

  15. 3.

    Wasser lässt sich nicht ohne Weiteres speichern. Es benötigt Raum und muss in Bewegung sein.
    Das bedeutet, dass Berlin, eher Brandenburg Flächen aufgeben muss. Auf diesen Flächen muss das Regenwasser von Herbst und Winter gespeichert werden.

    Wir dürfen das Wasser nicht einfach abfließen lassen.

  16. 2.

    Wer finanziell gut bis sehr gut ausgestattet ist - in Deutschland etwa 20 Prozent - der lebt weiter in "Saus und Braus". Der macht weiter Sausen mit dem großen Auto, dem Flugzeug und Schiff. Der dreht die Brause in Duschtempel und Whirlpool weiter auf. Und achtzig Prozent leben immer bescheidener.

  17. 1.

    1Anpassungen in die Wege geleitet werden“

    Damit ist alles gesagt.

    Die Welt geht nicht unter, kein Nostradamus.

    Die gelebte „Wohlstandsgesellschaft“ der jetzigen Generation geht schon eher unter.

    Das ist nicht schlimm.

    Nicht jeder muss jährlich überall mehrmals hinfliegen.

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