FSME-Ansteckungen durch Zecken - "Entscheidender als steigende Temperaturen sind einzelne Wetterereignisse"

Di 28.03.23 | 17:34 Uhr
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Eine Auwaldzecke ist auf einem Blatt in einem Garten in Sieversdorf (Brandenburg) zu sehen. (Quelle: dpa/Patrick Pleul)
Video: rbb|24 | 28.03.2023 | Nachrichten | Bild: dpa/Patrick Pleul

Wer oft im Grünen ist, muss sich vor Zecken in Acht nehmen. Zuletzt stieg die Zahl der FSME-Fälle an, Teile Brandenburgs sind Risikogebiete. In Berlin hat sich eine Zeckenart, die "Hunde-Malaria" auslöst, massiv verbreitet. Was hat das Klima damit zu tun?

2022 hat es besonders viele Fälle von durch Zecken übertragene FSME-Ansteckungen gegeben. Einen klaren Grund gebe es dafür nicht, jedoch begünstigende Faktoren, sagte der Biologe Olaf Kahl am Dienstag in einer Pressekonferenz anlässlich des "Internationalen Symposiums zu Zecken und von Zecken übertragenen Erkrankungen".

"Es gibt drei wichtige Faktoren, die hierbei zu beachten sind: die Dichte an Zecken, die Anzahl der Menschen in Grünflächen und die Anzahl der nicht gegen FSME geimpften Menschen", so Kahl. 2022 sei ein warmes Jahr gewesen, weshalb sich viele Menschen im Grünen aufgehalten hätten.

Vergangenes Jahr wurden bundesweit 549 Fälle der Virenerkrankung gemeldet [nali-impfen.de]. Das ist der dritthöchste Stand seit 2001. Mehr Fälle gab es nur in den Jahren 2018 und 2020. Die Zeckenart ist meistens von März bis Oktober oder sogar November aktiv.

FSME kann zu Hirnhautentzündung führen - Teile Brandenburgs Risikogebiet

FSME ist eine schwerwiegende Erkrankung, die etwa zu Hirnhautentzündung führen kann. Sie wird unter anderem von der am häufigsten in Deutschland vorkommenden Zeckenart Ixodes ricinus, bekannt als Gemeiner Holzbock, übertragen.

Die Zeckenart ist jedoch auch Wirt für Borrelien. "Wir finden sie meistens im Wald und in Gärten. Sie fällt auf Tiere und Menschen, kann bis zu sechs Jahre leben und braucht etwa drei Blutmahlzeiten täglich", so Biologe Kahl. Inzwischen gilt auch der südöstliche Teil Brandenburgs als Risikogebiet [rki.de]. Dem RKI zufolge sind etwa 98 Prozent der erkrankten Menschen nicht gegen FSME-Viren geimpft.

Steigende Temperaturen kein klarer Grund für mehr Zecken

Der Biologe Kahl betonte im Beisein von Ard Nijhof, der am Institut für Tropenveterinärmedizin an der Freien Universität Berlin forscht, dass der Anstieg der Temperaturen nicht unbedingt mit mehr Vorkommnissen gleichzusetzen sei. "Entscheidender als steigende Temperaturen sind einzelne Wetterereignisse". So könne die Zeckenart Gemeiner Holzbock durchaus auch im Winter Menschen beißen, wenn die Temperatur bei milden 10 Grad liegt und sie somit überleben kann.

Zum anderen könne die Dichte der Zecken stark zurückgehen, wie etwa im April 2007. "Damals hatten wir einen historisch trockenen Wald, viele Zecken waren dann tot", sagte Kahl. Die Dichte der Zecken könne aber auch abnehmen, wenn beispielsweise zwei Wochen kalte und anschließend zwei Wochen milde Temperaturen herrschen. "Das kann ebenfalls dazu führen, dass wir im Folgejahr weniger Zecken haben."

"Hunde-Malaria" bereits in der Region - Pferden könnten gefährdet sein

Generell mag die Art Ixodes ricinus es eher weniger feucht und kalt - resistenter bei solch einer Witterung ist hingegen die Auwaldzecke (Dermacentor reticulatus), deren Biss die für Hunde gefährliche Krankheit Babesiose – auch "Hunde-Malaria" genannt – auslösen kann.

Die Auwaldzecke kommt derzeit verstärkt in Brandenburg und Berlin vor, und daran dürfte sich die nächsten Jahre auch eher wenig ändern: "Diese Zecke hat ihren Schwerpunkt in Süddeutschland und mittlerweile auch in Ostdeutschland. Vor dem Jahr 2000 habe ich niemals diese Zecke in und um Berlin gesammelt. Mittlerweile ist sie hier massiv vertreten", sagte Kahl.

Inzwischen gibt es offiziellen Daten zufolge erste Funde auch an der Ostsee, das sei vor einigen Jahren "undenkbar" gewesen. "Wenn ich diese Zecke fange, mache ich das nur noch mit den Augen. Die sitzt auf den Spitzen der Grashalme und sind klar zu sehen, das spricht dafür, dass diese Art eine unheimlich große Populationsdichte erreicht hat." Es wundere ihn deshalb nicht, dass es vermehrt Fälle von "Hunde-Malaria" gebe. Kahl betonte aber, dass die Durchseuchungsrate dieser Zecken mit der Krankheit insgesamt aber relativ gering sei.

Auf die Frage, ob in Zukunft auch andere Wirbeltiere gefährdet sein könnten, sagte der Forscher Ard Nijhof, dass eine Krankheitsübertragung auf Pferde nicht auszuschließen sei. "Es gibt ähnliche Erreger, die auch bei Pferden vorkommen. Derzeit gibt es kaum solche Fälle, in den Niederlanden haben wir aber gesehen, dass Babesien durch Zecken eingeschleppt wurden und zu Erkrankungen von Pferden führten."

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10 Kommentare

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  1. 10.

    Seit dem Ostzonenkollaps ist die Welt nicht stehengeblieben und das (damals niedrige) Entzündungsgeschehen auch nicht, wobei ja dort die Tschernobylkatastrophe staatlich verordnet verschwiegen werden musste.

  2. 9.

    Hey Bella, ich würde mal langam machen: mittlerweile sind "eingewanderte" Holzböcke Träger von Borrelien und FSME-
    Errregern, die die heimischen Zecken durch Vermischung mit aufgenommen haben. Es geht nicht um "früher war alles besser und harmloser". Die Sandmücke ist früher auch nicht heimisch gewesen, jedoch durch Klimaänderung und wärmere Sommer und durch mehr und weiteren Saharastaubeintrag nach Nordeuropa hergekommen. Außerdem ist niemand panisch sondern realistisch.

  3. 7.

    verstehe einer die Welt, bin in der DDR aufgewachsen, da hatten Hunde Holzböcke, wir Kinder sind durch Wiesen und Wälder gelaufen und hatten nichts dergleichen, wir mussten raus , hatten keine Konsolen, heute wird gewarnt vor jeder Kreatur , die im Freien auftauchen könnte, alles nur Schlappis und Waschlappen, die ständig mit Desinfektionsspray rumlaufen, werdet doch langsam mal wieder normal

  4. 6.

    Interessante Informationen dazu finden sie hier:
    https://barockmeetsclassic.com/ein-paar-worte-und-erklaerungen-zu-piroplasmose/
    https://www.cavallo.de/medizin/pferdekrankheit-was-ist-piroplasmose/
    Der Impfstoff NOBIVAC PIRO ist nicht länger zugelassen
    https://www.ema.europa.eu/en/documents/overview/nobivac-piro-epar-summary-public_de.pdf
    aber in der Schweiz gibt es ein Produkt, leider dort nur Hunde zugelassen.
    https://www.vetpharm.uzh.ch/TAK/00000000/00001171.01
    Die Erkrankung ist auch als Piroplasmose bekannt.

  5. 5.

    Da handelt es es sich wohl um einen Fehler. Zecken / Holzböcke benötigen bis zum adulten Stadium mehrere Blut"mahlzeiten". Durch kürzere Frostperioden und wärmere Winter bleiben viele dieser Spinnentiere am Leben und werden durch Wild, Vögel, Hunde und auch Menschen weitergetragen. Gegen Zecken gibt's für Hunde Zeckenhalsbänder oder Tabletten. Als Hundehalter habe ich mich gegen FSME impfen lassen. Jedoch wird oftmals diese Impfung als Schutz gegen Borreliose angesehen, was falsch ist. Borrelien werden u. U. ebenfalls übertragen und dagegen gibt's keine Impfung, nur Antibiotika. Daher die Fellnasen und sich selbst nach Wald und Wiese absuchen. Nach Zeckenbiss empfiehlt sich eine Blutuntersuchung auf Borrelien beim Facharzt, die nach 6 Wochen wiederholt werden muss, um diese Erreger nachweisen zu können.

  6. 4.

    "...und braucht etwa drei Blutmahlzeiten täglich", so Biologe Kahl.
    Das hat Herr Kahl tatsächlich wörtlich so gesagt?!? Das muss meiner Meinung nach ein Zitierfehler sein.
    Der Holzbock gilt zwar als dreiwirtige Zecke, aber das bedeutet drei Wirte pro Leben (ca. 3-6 Jahre), nicht pro Tag!

  7. 3.

    Ja wir lieben die Natur.
    Das ist nicht ungefährlich, aber beherrschbar. Wohne schon immer am Wald, werd bald 65, hatte schon mit Borreliose zu tun, lebe aber noch.
    Also: Nur Mut!

  8. 2.

    "...braucht etwa drei Blutmahlzeiten täglich..." ähem, iss schon klar :-) Hier werden Zecken wohl mit Vampiren verwechselt.

  9. 1.

    ... und was empfehlen nun die Fachleute für das Pferdeland Brandenburg ?
    Hier ist die Auwaldzecke inzwischen "führend"

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