Studie zum Ehrenamt in Brandenburg - Unterstützung statt Urkunden

Sa 01.04.23 | 08:27 Uhr | Von Christoph Hölscher
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Archivbild: Die Vorstandsvorsitzende vom Jugendförderverein Chance e.V., sitzt im Kinder-Kunst-Zentrum Müncheberg, Brandenburg. (Quelle: dpa/P. Pleul)
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 31.03.2023 | Fred Pilarski | Bild: dpa/P. Pleul

Das Ehrenamt in Brandenburg wird einer neuen Studie zufolge nicht genug gefördert. Demnach wünschen sich Engagierte mehr Fortbildungen und weniger Bürokratie. Fehlt dies, fürchten Experten einen Rückgang des ehrenamtlichen Engagements. Von Christoph Hölscher

Rund 800.000 Brandenburgerinnen und Brandenburger engagieren sich ehrenamtlich – in Vereinen und Initiativen, bei der Feuerwehr oder in der Kirchengemeinde. Viele fühlen sich dabei jedoch von den Kommunen und Verwaltungen alleingelassen. Das ergab die Online-Befragung von mehr als 2.000 Engagierten und ihren Ansprechpartnern durch das Brandenburger Institut "Change Centre".

Studienleiter Joachim Klewes sieht in der mangelnden Unterstützung eine Gefahr für das Gemeinwesen: "Wenn es vor Ort zu wenig Fördermaßnahmen gibt, verhungert auch das Engagement der Bürgerinnen und Bürger", sagt er.

Kinderbetreuung statt "warme Worte"

Der Bedarf an konkreter Unterstützung sei durchweg höher als das Angebot, haben die Forscher herausgefunden: So gaben nur 2 Prozent der Befragten an, dass in ihrer Kommune eine Kinderbetreuung während des Ehrenamtes angeboten werde – zehnmal so viele wünschten sich diese jedoch. Beratungen etwa zu Rechtsfragen wurden achtmal häufiger nachgefragt als angeboten, Unterstützung bei Anträgen viermal häufiger.

Dagegen herrscht offenbar ein Überangebot an Preisen und Urkunden für Ehrenamtler: 62 Prozent der Befragten kennen solche Auszeichnungen aus eigener Erfahrung, aber nur 41 Prozent halten sie für wichtig. Fazit von Studienleiter Klewes: "Die Befragten wollen nicht nur warme Worte, sondern praktische Anerkennung und Unterstützung ihres Engagements im Alltag."

Wenn man gleichzeitig bei der Feuerwehr, bei der DLRG und beim Kirchengemeinderat ist, dann ist das mittlerweile der Regelfall und nicht die Ausnahme.

Daniel Keip, DLRG Brandenburg

Brandenburg im Ländervergleich hinten

Die Folge der geringen Unterstützung durch Politik und Verwaltung: Brandenburg liegt beim Ehrenamt im Ländervergleich weit hinten. Laut dem "Freiwilligen-Survey" der Bundesregierung engagieren sich 36 Prozent der Märker ehrenamtlich: Platz 14 von 16 Bundesländern. Bei der Bereitschaft zum Ehrenamt ist Brandenburg mit 49 Prozent sogar Vorletzter. Nur Thüringen schneidet schlechter ab.

Dafür liegt Brandenburg weit vorne, was den durchschnittlichen Zeitaufwand der Engagierten angeht: Platz 2 mit 6,8 Stunden pro Woche. Für Jan Holze von der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt zeigt sich in diesen Zahlen: "Das Engagement verteilt sich auf immer weniger Schultern von Menschen, die dafür überdurchschnittlich viel leisten." Das könnte dazu führen, dass die Engagierten überlastet sind und sich ebenfalls zurückziehen.

Daniel Keip, Pressesprecher des Landesverbandes Brandenburg der Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG), kann das bestätigen: "Wenn man gleichzeitig bei der Feuerwehr, bei der DLRG und beim Kirchengemeinderat ist, dann ist das mittlerweile der Regelfall und nicht die Ausnahme." Er findet zwar auch die Wertschätzung durch Preise und Urkunden wichtig, wünscht sich aber auch vor allem mehr handfeste Unterstützung durch die Verwaltungen – etwa für die ehrenamtlichen Schwimmtrainer der DLRG. Für jede Stunde, die sie am Beckenrand stünden, sei eine halbe Stunde Verwaltungsarbeit nötig, damit alles korrekt organisiert und abgesichert sei. Hier könne der Staat helfen.

Ehrenamtsstiftung: Andere Bundesländer sind weiter

Andere Bundesländer seien Brandenburg bei der Unterstützung des Ehrenamtes weit voraus, kritisiert Jan Holze von der Ehrenamtsstiftung: "Während andere Bundesländer um Brandenburg herum sehr proaktiv Engagementförderung durch verschiedenste Maßnahmen betreiben, nehme ich in Brandenburg eher gegenteilige Effekte wahr."

So habe Sachsen-Anhalt eine Ehrenamtsstrategie auf den Weg gebracht, in Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen und Sachsen gebe es Ehrenamtsstiftungen. In Brandenburg habe sich die Landesregierung im Koalitionsvertrag zwar darauf verständigt, Ehrenamtsstützpunkte einzurichten. Das Programm werde jedoch seit zwei Jahren nicht mehr umgesetzt, bemängelt Holze. Dabei sei gerade es gerade im ländlichen Raum wichtig, die Engagierten zu unterstützen – etwa durch Beratungen, Fortbildungen oder eben Kinderbetreuung.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 31.03.23, 19:30 Uhr

Beitrag von Christoph Hölscher

5 Kommentare

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  1. 5.

    Die Sachverhalte von Helga kann ich bestätigen. Unsere Feriengäste und Anwohner aus dieser Region haben uns übereinstimmend und mehrfach darüber berichtet. Für die Auslöschung der Ehrenämter im Lk Oder-Spree ist ein Landratskandidat verantwortlich. Dieser wurde gleich dreimal hintereinander im Zeitraum November 2016 bis Januar 2017 bei der Landratswahl abgwählt und steht am 23.04.2023 erneut zur Wahl. Als Wahlberechtigte bekommt dieser Herr auch viertmalig von mir nicht meine Stimme. Wer engagierte Bürger einfach auslöscht, hat ein ernsthaftes Problem.

  2. 4.

    Das Ehrenamt wird viel zu wenig geehrt. Hier sollte es mehr finanzielle Unterstützung für die Helfer geben. Ein Orden ist zwar schön, ersetzt aber nicht den finanziellen Aufwand des einzelnen. Die besten Helfer sind diejenigen die sich im Hintergrund halten und es aus Überzeugung machen. Ich hätte mehr von der Politik erwartet, als nur Orden.

  3. 3.

    In Brandenburg gibt es Kommunen, die sehr wohl wissen, dass das öffentliche Leben ohne Ehrenamtler nicht funktioniert. Dass es diese Angebote gibt, dafür benötigt es insbesondere permanente öffentliche Werbung. Dazu aktuelle Beispiele:
    Positiv: Landratsämter OHV und SPN. Auf der Internetseite werden Ehrenämter beworben. Räume werden kostenlos zur Verfügung gestellt usw. Bürger und Gäste finden sie und können sie direkt kontaktieren.
    Absolut negativ und destruktiv: Landratsamt LOS, Stadt Fürstenwalde/Spree, Amt Grünheide/Mark und Stadt Beeskow: Auf der Internetseite wurden ehemals beworbene Ehrenämter hinterrücks gelöscht. Bürger und Gäste finden sie nicht, auch nicht in Notfällen.

  4. 2.

    Für ehrenamtliche Richter ist eine Fahrtkostenpauschale in Höhe von 7 € je Sitzung vorgesehen. Ich habe GdB und bin auf's Taxi angewiesen. Diese Fälle könnten sicher nur durch Sonderregelungen "angepasst" werden.

  5. 1.

    Das sehe ich genauso. Die Verwaltung soll den Ehrenamtlichen Helfern u.Helferinnen Rückhalt bieten. Ihnen nicht noch Steine in den Weg rollen. Aber so kenne ich überwiegend Verwaltungen. Stur nach Aktenlage arbeiten.

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