Diskussion um Demos in Berlin - Wieso begehen Palästinenser den Nakba-Tag?

Fr 19.05.23 | 16:23 Uhr
Archivbild:Eine Teilnehmerin der Demonstration verschiedener palästinensischer Gruppen läuft mit einem überdimensionalen Papp-Schlüssel durch Neukölln am 15.05.2023.(Quelle:dpa/F.Sommer)
Bild: dpa/F.Sommer

Die Polizei hat Demonstrationen zum 75. Nakba-Tag in Berlin verboten. Sie befürchtet, dass dabei antisemitische Parolen gerufen werden. Aber was ist eigentlich vor 75 Jahren passiert? Was bedeutet dieser Tag? Ein historische Herleitung.

Im 19. Jahrhundert entstand in Europa die zionistische Bewegung. Immer mehr europäische Juden migrierten ins heutige Israel, um dort einen eigenen Staat zu gründen. Viele flohen vor immer wiederkehrendem Antisemitismus in ihren Heimatländern. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts - als das heutige Israel, die Westbank und Gaza noch britisches Mandatsgebiet waren - kam es immer häufiger zu Gewalt zwischen den dort lebenden Palästinensern und den Neu-Ankömmlingen. Immer mehr Palästinenser flohen oder wurden vertrieben.

700.000 Menschen geflohen, hunderte Dörfer zerstört

Am 14. Mai 1948 zogen die letzten britischen Truppen ab und David Ben Gurion - Israels erster Premierminister - rief die israelische Unabhängigkeit aus. Einen Tag später griffen die Armeen Ägyptens, Saudi-Arabiens, Jordaniens, Syriens, des Libanon und des Irak den neu gegründeten Staat an. Im Zuge der für beide Seiten verlustreichen Kämpfe mussten weitere palästinensische Zivilisten ihre Heimat verlassen. Mehrere Studien gehen davon, dass bis zum Ende des Krieges im Jahr 1949 etwa 700.000 Palästinenser flohen. Etwa 400 arabische Dörfer wurden zerstört.

UN würdigt zum ersten Mal Nakba-Tag

Dieses Ereignis wird in der palästinensischen Kultur seitdem als Nakba-Katastrophe - bezeichnet. 1998 erklärte Jassir Arafat, der damalige Vorsitzende der Palästinensischen Befreiungsorganisation, den 15. Mai offiziell zum Tag der Nakba. Wie jedes Jahr haben deshalb am Montag Menschen zum Beispiel in vielen Städten der Westbank demonstriert. Dabei hielten sie Bilder von Schlüsseln hoch. Sie symbolisieren für die Demonstrierenden die Verbindung zu den Häusern, aus denen sie oder ihre Vorfahren geflohen sind. Neu ist dieses Jahr, dass die Vereinten Nationen diesen Tag mit Reden und einem Konzert gewürdigt haben.

Viele Palästinenser haben keine Staatsbürgerschaft

Auch in den Jahren nach dem israelischen Unabhängigkeitskrieg flohen immer wieder Palästinenser aus dem heutigen Israel. Viele der Flüchtlinge und ihre Nachkommen leben heute in der Westbank, Gaza und in den umliegenden arabischen Ländern. Einige haben entsprechende Staatsbürgerschaften, viele leben als Staatenlose in Flüchtlingslagern. Laut der UN sind in der Region heute etwa 5,7 Millionen Menschen als palästinensische Flüchtlinge registriert.

"Die Nakba dauert noch an"

Die palästinensische Diaspora reicht inzwischen auch nach Europa. Wie viele Menschen palästinensischer Abstammung etwa in Deutschland leben, ist allerdings schwer zu sagen, denn viele von ihnen sind Bürger anderer arabischer Länder. Schätzungen gehen von etwa 200.000 aus. Für viele geht es bei der Nakba aber nicht nur um die Ereignisse von 1948. "Die Nakba dauert noch an", schreibt etwa die Deutsch-Palästinensische Gesellschaft auf ihrer Internetseite und kritisiert den Bau israelischer Siedlungen in der besetzten Westbank. Das sei "eine schleichende Vertreibung palästinensischer Bewohner".

Sendung: rbb24 Inforadio, 19.05.2023, 17 Uhr

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