Berlin-Gropiusstadt - Mieterinnen und Mieter leben seit vier Monaten ohne Heizung und Wasser

Fr 27.10.23 | 06:09 Uhr | Von Stefan Oberwalleney
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Das Haus in der Gropiusstadt (Quelle: rbb)
rbb
Video: rbb|24 | 26.10.2023 | Stefan Oberwalleney | Bild: rbb

Am 7. Juli brennt es in der Severingstraße in Neukölln im Ortsteil Gropiusstadt. Zwei Menschen werden verletzt, technische Anlagen im Keller zerstört. Das Feuer ist schnell gelöscht, doch seitdem ist nichts mehr, wie es war. Von Stefan Oberwalleney

"Ich habe mir seit drei Wochen die Haare nicht gewaschen" sagt Rentnerin Gabriela, "deshalb sehe ich aus wie ein aufgerissenes Sofa."

Gabriela ist Bewohnerin im Hochhaus in der Severingstraße 1 in Berlin-Gropiusstadt. Sie hält sich am Geländer fest und ist stinksauer über die Situation, in der sie sich gerade befindet. "Beschissen" ist das Wort ihrer Wahl.

Seit einem Kellerbrand am 7. Juli ist die technische Ausrüstung im Haus zu einem großen Teil zerstört. Konkret heißt das: Wasser gibt es nicht. Die Heizung ist ausgefallen und Mieter:innen, die ihr Fernsehprogramm und das Internet über den hauseigenen Kabelanschluss beziehen, sind seit Monaten offline. Viele ältere Menschen wohnen in dem Hochhaus, für sie ist das ein echtes Problem.

Eine Frau mit beiden Händen zum Himmel gestreckt vor einem Gebäude (Quelle: rbb)
Eine betroffene Mieterin aus dem Gebäude. | Bild: rbb

WC- und Duschcontainer für 200 Bewohner:innen

Die Hausverwaltung der Wohnungsgesellschaft Deutsche Wohnen hat den Mieter:innen WC- und Duschcontainer vors Haus stellen lassen. Außerdem wurden zwei Waschmaschinen aufgestellt, die für alle 200 Bewohner:innen reichen müssen. Seit kurzem gibt es pro Wohnung ein Heizgerät und 5 Euro pro Tag, für den Strom, den diese Geräte zusätzlich verbrauchen.

"14 Grad sind in meiner Wohnung", klagt Mieterin Ursula Matthies, die auf ihrem Rollator sitzt, mehr ist nicht drin. Für ihre Wohlfühltemperatur müssten wohl mehrere solcher Radiatoren in den Wohnungen stehen. Doch davor warnt die Hausverwaltung, andernfalls sei die "elektrische Versorgungssicherheit des Gebäudes nicht zu gewährleisten". Wenn auch noch der Strom ausfiele, wäre die Katastrophe für Ursula, Gabriela und die anderen wohl komplett.

Ursula Matthies aus der Gropiusstadt (Quelle: rbb)
14 Grad sind in ihrer Wohnung, sagt Frau Matthies. | Bild: rbb

Wasser nur im Versorgungscontainer

Doch auch so ist das Leben in der Severingstraße 1 eine Herausforderung. Weil sie nicht abwaschen kann, ernährt sich Ursula Matthies zurzeit fast ausschließlich von Fertiggerichten oder geht auch mal ins Restaurant. Das ist teuer. Einzelne Mieter:innen haben wohl schon versucht, die Hausverwaltung zur Übernahme solcher "Mehrkosten" zu bewegen, ohne Erfolg.

Im Duschcontainer füllt eine ältere Dame vier große Plastikflaschen mit Wasser. Jeweils 5 Liter fassen die Behälter. Macht insgesamt rund 20 Kilogramm, die es jetzt in die heimischen vier Wände zu schleppen gilt. Die Dame arbeitet schwer daran, das ist ersichtlich. Der Weg führt über Versorgungskabel, die zwar mit Abdeckkappen gesichert sind, Stürze habe es hier aber trotzdem gegeben, berichtet sie. Vor allem, als es noch keine Beleuchtung zu den Containern gegeben habe. Die ist jetzt immerhin vorhanden.

Brigitte Pohl aus der Gropiusstadt (Quelle: rbb)
Wasser müssen Bewohner:innen in Flaschen oder Kanister füllen. | Bild: rbb

Keine barrierefreien Duschen

Die Dusche können die Mieterinnen Gabriela und Ursula Matthies trotzdem nicht benutzen. Sie sind nicht behindertengerecht. Die Duschwanne hat einen hohen Rand, zu hoch für Rentnerin Gabriela, die sich nirgends festhalten kann. Sie habe Angst zu stürzen, sagt sie, "dann liege ich hier und wir haben eine freie Wohnung, oder was? Ohne mich."

Mit spitzen Fingern schließt sie die Tür zum Duschcontainer. Normalerweise trage sie immer Gummihandschuhe, wenn sie die Containertür öffnet. Zur Bestätigung rümpft sie die Nase. In ihrer Wohnung ist es einfach sauberer. Wobei – seit sie nicht mehr zum Putzen komme, sieht es schlimm aus. "Die Fenster", stöhnt sie. Es helfe, wenn der Besuch nicht mehr so gut sehen könne, sagt sie mit ihrem Berliner Humor. Allerdings käme wegen der momentanen Situation ohnehin kein Besuch zu ihr.

Brigitte Pohl aus der Gropiusstadt (Quelle: rbb)
Frau Pohl ist eine Mieterin, die seit Monaten ohne Wasser leben muss. | Bild: rbb

Vermieter Deutsche Wohnen gibt Mietminderung

Unten vor dem Haus begegnet ihr Brigitte Pohl. Sie ist 81 Jahre alt und "ja, es ist schlimm für uns alte Menschen", sagt sie. Ohne Wasser und die Möglichkeit, den Abfluss zu benutzen, bleibe in der Nacht nur der Eimer. "Ich gehe doch nachts nicht zum WC-Container, aus dem 7. Stock?" empört sich Gabriela beipflichtend. Wer weiß, wen ich da treffe. Und überhaupt, jedes Mal anziehen, das komme nicht infrage.

Es gebe ja Leute, "die schleppen ihren Pipi-Eimer morgens in den WC-Container. Aber ich bin doch nicht bekloppt. Ich gehe auch am Tage oben auf den Eimer. Und dann entsorgst du das auf dem Balkon", sagt sie verschwörerisch, "oder auf dem Hausbalkon". Sie zeigt auf das große Vordach über dem Hauseingang, "dann kommt es da raus". Die Stufen haben an dieser Stelle bereits eine Verfärbung.

Für die Monate September, Oktober und November erhalten die Mieter:innen eine Mietminderung um 100 Prozent, teilt die Wohnungsverwaltung mit. Weitere Mietminderungen werden dem Sanierungsfortschritt angepasst, heißt es weiter. Die Deutsche Wohnen hofft, dass Heizung und Sanitär bis zum 12. Dezember wieder funktionieren.

Beitrag von Stefan Oberwalleney

125 Kommentare

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  1. 124.

    Es war eben nicht nötig! Es war der Zeitgeist. Dresden beispielsweise hat damals seinen gesamten kommunalen Wohnungsbestand verhökert. Wieviel Bankenskandale hatten die? Fragen Sie Ihren Freund.

  2. 122.

    "Damals wurde, durch Rot/Grün ,unser Wohnungsmarkt den Heuschrecken (so nannte man die damals) zum Fraß vorgeworfen. "

    Sie haben mal wieder "vergessen" warum das so war. Diepgen und Landowsky haben Berlin in einer beispiellosen Kampagne in eine Milliardenpleite getrieben, die sPD und die PDS durften dann den Scherbenhaufen zusammenfegen. Hätte die sPD nicht den Junuiorpartner PDS gehabt wäre es z.B. wäre der Verkauf (eher ein Verschleudern) für die GSW Mieter noch schlimmer gewesen.

    Der Ausverkauf hatte aber schon früher unter Diepgen stattgefunden. Das war schwarz/gelb, später schwarz/rot.

  3. 121.

    "Damals wurde, durch Rot/Grün ,unser Wohnungsmarkt den Heuschrecken (so nannte man die damals) zum Fraß vorgeworfen. "

    Sie haben mal wieder "vergessen" warum das so war. Diepgen und Landowsky haben Berlin in einer beispiellosen Kampagne in eine Milliardenpleite getrieben, die sPD und die PDS durften dann den Scherbenhaufen zusammenfegen. Hätte die sPD nicht den Junuiorpartner PDS gehabt wäre es z.B. wäre der Verkauf (eher ein Verschleudern) für die GSW Mieter noch schlimmer gewesen.

    Der Ausverkauf hatte aber schon früher unter Diepgen stattgefunden. Das war schwarz/gelb, später schwarz/rot.

  4. 120.

    Vermieter dürften eigentlich keine Aktiengesellschaften sein,da wohnen ein Grundrecht ist nach der Berliner Verfassung aus dem mutmaßlich kein überschüssiger unangemessener Gewinn erwirtschaftet werden dürfte,obwohl Eigentümern ein Gewinn aus Vermietung zusteht. Die Mieter stehen dann gegebenenfalls alleine gegen große Mietgesellschaften da ,was von vorne herein grob unfair ist oder ein Machtgefälle

  5. 119.

    Ja, der damalige Senat hat so ziemlich alles privatisiert, was sich irgendwie zu Geld machen ließ. Leider scheinen Sie vergessen zu haben, warum das nötig wurde. Oder reicht die Erinnerung nicht in die Zeit von Landowsky und Diepgen zurück? War da nicht etwas mit der Bankgesellschaft Berlin? Frage für einen Freund.

  6. 118.

    Und ich glaube eher dass die Geschichten weit übertrieben sind um Vonovia und DW besser dastehen zu lassen.

    Und nu?

  7. 117.

    Tja, is schon komisch, dass Sie keine Probleme haben. Ich bin Mitglied im Deutschen Mieterschutzbund und die sagen mir (und das auch die öffentlichen Informationsstellen), dass gerade die landeseigenen WBG erhebliche finanzielle Schwierigkeiten haben und deshalb Reparaturen auf sich warten lassen..

  8. 116.

    Kann ich so nicht bestätigen. Bei uns macht Vonovia einen gute Job und die Nebenkostenabrechnung hat der Mieterverein beanstandungslos geprüft.

  9. 114.

    Das kann ich nicht bestätigen Wohne bei der Degewo. Wir haben hier etliche offene Themen, die nicht gelöst werden.

  10. 113.

    Komisch, ich wohne auch bei einer städtischen WBG und hier läuft alles nach Plan.

  11. 112.

    Da muss ich Sie enttäuschen. Das mit der Heizung habe ich nur aus Aktualität des Berichtes geschrieben. Es gibt bei uns noch mehrere Baustellen, die seit über 1 Jahr nicht repariert sind. Marode Fenster, defektes Tor einer Tiefgarage, Wasserleitungen, die nur heißes Wasser fördern, aber kaltes Wasser nicht zulassen. Und und und.
    Entweder man erreicht niemanden bei der Gesellschaft oder es wird nicht getan. Und das mit der Heizung wird genauso laufen.
    Was nutzt eine Mietminderung, wenn der Schaden ignoriert wird.

  12. 111.

    Tja, super Beispiele, nur völlig daneben. Hier geht es um Wohnen-zählt zur Daseinsfürsorge. Damals wurde, durch Rot/Grün ,unser Wohnungsmarkt den Heuschrecken (so nannte man die damals) zum Fraß vorgeworfen. Das Ergebnis sehen wir seit vielen Jahren. Ihre vielgepriesene Privatwirtschaft hat in vielen Bereichen nur ein Ziel: Geld verdienen. Die Privatwirtschaft zieht sich in Krisenzeiten immer mehr zurück und entzieht sich jeder gesellschaftliche Verantwortung. Enteignung grosser Konzerne!!!

  13. 110.

    18.10. oder vier Monate ist ein kleiner Unterschied oder? Und bei ihnen ist es "nur" die Heizung bei 13° Außentemperatur.

  14. 109.

    Wir leben seit dem 18.10.2023 ohne Heizung und unser Mietshaus gehört seit 2 Jahren der Landeseigenen Wohnungsgesellschaft Degewo und die kümmert sich einen Dreck drum.

  15. 108.

    Ja . Rekommunalisieren sofort. Dann wäre die ganze Angelegenheit spätestens in zwei Tagen erledigt gewesen. BER war auch schon nach fünfzehn Jahren fast fertiggestellt. Aufzug Cotbusser Bahnhof in nur wenigen Jahren installiert. Sterbeurkunde bekommt man schon nach fünf bis sechs Monaten. Deshalb weg mit der Prifatwirtschaft. Sofort!

  16. 107.

    Ist ja üblich bei der Deutschen Wohnen. Es wird erst dann reagiert wenn man die Miete dementsprechend gekürzt hat oder an die Öffentlichkeit gegangen ist. Ansonsten ist der Service bei denen gleich Null. Umgekehrt drohen die SOFORT mit Gericht bei kleinen Ungereimtheiten.

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