Welttierschutztag - Berliner Bezirke uneinig über Umgang mit Stadttauben

Mi 04.10.23 | 13:00 Uhr | Von Naomi Donath
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In betreuten Taubenschlägen werden Stadttauben artgerecht gefüttert. (Bild: rbb/Naomi Donath)
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Video: rbb|24 | 04.10.2023 | Naomi Donath | Bild: rbb/Naomi Donath

Viele Berliner ärgern sich über den Kot von Stadttauben. Dabei gibt es ein Konzept, mit dessen Hilfe die Bahnhöfe sauberer und die Tauben gesünder würden. Doch nur wenige Bezirke wollen es umsetzen. Von Naomi Donath

Mindestens 10.000 Stadttauben gibt es schätzungsweise in Berlin. Zum Brüten suchen sie sich Nischen, oft in Bahnhöfen. Dort fühlen sich viele Menschen vom Kot der Tiere belästigt.

Die Berliner Landestierschutzbeauftragte Kathrin Herrmann hat im April diesen Jahres ein Stadttaubenkonzept [berlin.de] veröffentlicht, das der Verschmutzung des öffentlichen Raums durch Taubenkot entgegenwirken, die Anzahl der Tauben reduzieren und die Gesundheit der Tiere verbessern könnte. Erarbeitet hat sie es noch im Auftrag des rot-grün-roten Senats. Doch auch im Koalitionsvertrag von CDU und SPD [berlin.de] heißt es: "Für mehr Sauberkeit in der Stadt wollen wir ein Taubenmanagement etablieren mit dem Ziel, die Taubenpopulation zu reduzieren."

Weniger, aber gesündere Tauben - und weniger Kot

Das Konzept, das sich am "Augsburger Modell" orientiert (siehe Infobox), sieht vor, dass in der Nähe von Bahnhöfen - dort, wo sich viele Menschen vom Kot belästigt fühlen - betreute Taubenschläge gebaut werden sollen. Die wilden Brutplätze und Nistmöglichkeiten im Bahnhof und in der Umgebung sollen tierschutzgerecht verschlossen werden (sogenannte "Vergrämung"). Im Taubenschlag sollen die Tiere artgerechtes Futter und frisches Wasser bekommen und Nistplätze vorfinden. Um den Taubenschlag herum soll ein Fütterungsverbot für Tauben erlassen und kontrolliert werden (das besteht auf Bahnhöfen generell schon), sodass die Tauben, die standorttreue Tiere sind, den Taubenschlag als neues Zuhause annehmen. Dann würden sich die Tauben weniger im Bahnhof aufhalten und den weniger verschmutzen - im Idealfall gar nicht mehr.

Das Taubenhaus am S-Bahnhof Südkreuz. (Bild: rbb/Naomi Donath)
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"Augsburger Modell"

In Augsburg wird das Stadttaubenkonzept seit Mitte der 1990er Jahre umgesetzt. Mittlerweile gibt es zwölf betreute Taubenschläge und Taubentürme, in denen jährlich mehr als 5.000 Eier ausgetauscht werden - bei einer geschätzten Anzahl von rund 2.000 Stadttauben. Ein Anwachsen der Population konnte verhindert werden, auch wenn es vereinzelt noch Hotspots gibt. In den Taubenschlägen werden jährlich etwa fünf Tonnen Taubenkot gebunden, was die Stadtreinigung entlastet.

Im Taubenschlag werden die Eier der Tauben dann gegen Attrappen aus Gips oder Kunststoff ausgetauscht. So soll die Anzahl der Stadttauben in Berlin tierschutzgerecht reduziert werden - es würde weniger, aber gesündere Tauben geben. Und die Bahnhöfe würden sauberer werden. Denn durch artgerechtes Futter - Körner wie Mais und Weizen sowie Samen wie Sonnenblumenkerne - würde der Kot der Tauben fester werden und damit leichter zu entfernen sein als der dünnflüssige Kot, den sie von Imbissresten und Brot bekommen. Betreut werden soll der Taubenschlag von ehrenamtlichen Tierschützer:innen. Die füttern die Tauben, tauschen die Eier, machen den Taubenschlag sauber und bringen kranke und verletzte Tiere zum Tierarzt. "Der Gesundheitszustand der Stadttauben in Berlin ist aus tiermedizinischer Sicht prekär und bedarf aus Gründen des Tierschutzes dringender Hilfe", sagt Kathrin Herrmann.

Berliner Bezirke uneins

Die Berliner Bezirke sind sich indessen uneinig, wie sie mit den Stadttauben umgehen sollen.

Treptow-Köpenick möchte das Konzept umsetzen. Aktuell wird ein möglicher Standort für einen betreuten Taubenschlag geprüft, teilt das Bezirksamt auf Anfrage von rbb|24 mit. Auch Marzahn-Hellersdorf möchte dem Konzept grundsätzlich folgen. Es sei allerdings davon abhängig, ob sie einen geeigneten Standort und eine Finanzierung finden, teilt das Bezirksamt mit. Das werde gerade geprüft.

Links zu sehen ist eine Ei-Attrappe aus Kunststoff. Rechts zu sehen ist ein Tauben-Ei. (Bild: rbb/Naomi Donath)
Links zu sehen ist eine Ei-Attrappe aus Kunststoff. Rechts zu sehen ist ein Tauben-Ei. | Bild: rbb/Naomi Donath

Hunderte Taubenschläge wären nötig

Steglitz-Zehlendorf, Charlottenburg-Wilmersdorf, Mitte und Pankow lehnen das Konzept ab. Sie argumentieren, trotz Austausch der Eier sei die Errichtung betreuter Taubenschläge ein "Nettogewinn" für die Population der Stadttauben. Eine Vergrämung von Brutplätzen sei an vielen Stellen unrealistisch. Die Tauben hätten dann einfach einen zusätzlichen Nistplatz und zusätzliches Futter.

Das Bezirksamt Pankow teilt auf Anfrage mit, das Konzept sei "schon aus praktischen Gründen untauglich, weil mit erheblichem finanziellen und personellen Aufwand hunderte solcher Taubenschläge errichtet und betrieben werden müssten". Es gibt laut S-Bahn Berlin im Berliner Stadtgebiet und im Brandenburger Umland allein 168 S-Bahnhöfe [sbahn.berlin]. Die Bezirksämter Mitte und Pankow empfehlen stattdessen, das Füttern von Stadttauben zu verbieten. So ein Fütterungsverbot wäre aber aus Sicht der Landestierschutzbeauftragten nicht mit dem Tierschutzgesetz vereinbar.

Kein Geld für Unterhaltskosten

Neukölln verweist auf fehlende personelle Kapazitäten im Bezirksamt. Die Bezirksämter Lichtenberg und Friedrichshain-Kreuzberg verweisen auf einen fehlenden Etat in ihren Bezirkshaushalten.

Für den Bau der Taubenschläge können die Bezirke Mittel bei der Landestierschutzbeauftragten beantragen. Dieser stehen, nach eigenen Angaben, zu diesem Zweck dieses Jahr 50.000 Euro und für 2024 und 2025 voraussichtlich jeweils 200.000 Euro zur Verfügung. Die Bezirke müssen allerdings mittelfristig die laufenden Kosten für die Taubenschläge übernehmen und in ihren Produktkatalog aufnehmen, beispielsweise für das Futter für die Tauben.

Bislang hat nur Treptow-Köpenick diese Mittel für die Errichtung eines Taubenschlags beantragt. Die Bezirksverordnetenversammlung Lichtenberg hat eine Finanzierung der Unterhaltskosten für den Haushalt 2024/2025 abgelehnt. Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg teilt mit, es wäre das "sinnvollere Modell (…), wenn die Landestierschutzbeauftragte die Errichtung und Unterhaltung der Taubenschläge übernehmen würde."

Eine Taube sitzt in einem Nest in einem betreuten Taubenschlag in Berlin-Reinickendorf. (Bild: rbb/Naomi Donath)
Eine Taube sitzt in einem Nest in einem betreuten Taubenschlag in Berlin-Reinickendorf. | Bild: rbb/Naomi Donath

Reinickendorf möchte das Konzept nicht umsetzen. Taubenschläge hätten sich in der Vergangenheit als "personalkostenintensiv ohne den gewünschten Effekt" dargestellt und seien daher eingestellt worden, teilt das Bezirksamt mit. In Reinickendorf betreibt die gemeinnützige C.U.B.A. GmbH seit 2010 mehrere Taubenschläge - einige wurden wieder geschlossen, weil sie von den Tauben wohl nicht angenommen wurden.

Tempelhof-Schöneberg möchte die Einrichtung eines Taubenmanagements aus Tierschutzgründen unterstützen, aber selbst keine Taubenschläge betreiben. Das Bezirksamt verweist darauf, dass es bereits Taubenschläge im Bezirk gibt, beispielsweise am S-Bahnhof Südkreuz. Der wird auch von C.U.B.A. betrieben, gemeinsam mit ehrenamtlichen Tierschützer:innen - und wird von den Stadttauben erfolgreich angenommen. "Leider gilt nach Aussage der Tierschutzbeauftragten die zur Verfügung gestellte finanzielle Förderung nicht für die Unterstützung zur Pflege von bestehenden Taubenschlägen. Ein Antrag dazu musste daher abgelehnt werden", heißt es vom Bezirksamt. Im Taubenhaus am Südkreuz werden rund 800 Tauben betreut. Kathrin Herrmann sagt, der Taubenschlag sei zu klein. Sie würde es finanziell unterstützen, wenn der Bezirk dort einen zweiten Taubenschlag errichten lassen wollen würde.

Das Bezirksamt Spandau ließ die rbb|24-Anfrage unbeantwortet.

"Momentan fehlt der politische Wille"

Die Landestierschutzbeauftragte hat eine beratende Funktion gegenüber dem Senat. Sie sagt, sie sei erstaunt über die Rückmeldungen aus den Bezirken. "Momentan fehlt der politische Wille in den meisten Bezirken", sagt Herrmann. "Dabei ist das Leid der Tauben groß." Sie hofft, dass sich noch weitere Bezirke für das Geld bewerben wollen. Eine Frist gebe es nicht mehr.

Beitrag von Naomi Donath

53 Kommentare

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  1. 53.

    Interessante Info. ist mir entgangen. Da könnte der Bezirk ja wirklich nochmal ansetzen und dann Ehrenamtliche ernsthaft und zielführend rekrutieren, inkl. kurzer Einarbeitung mit Besen :)

  2. 52.

    wenn man keine Ahnung hat, sollte man vielleicht keine Kommentare posten. Es sind eben keine Wildtiere, sondern ausgewilderte Nutztiere. Etwas Hintergrundwissen kann mensch in wenigen Minuten erwerben, dauert kaum länger als einen Kommentar zu verfassen.

  3. 51.

    @ 42 ff

    Donnerwetter!! Lauter poetische Meisterwerke!
    Sind Sie auch bei anderen Medien unterwegs?
    Sollte man im Auge behalten...

  4. 50.

    Wir alle hier wissen um die Begleitumstände wenn viele Tauben sich irgendwo niederlassen. Gute Ansätze gibt es nur werden diese einfach nicht umgesetzt. Und wird dies getan, kümmert man sich nicht von Seiten der Behörde weiter darum. Am S Bahnhof Charlottenburg hat man vor Jahren ein Taubenhäuschen hingestellt. Als es drumherum einfach nur noch Taubenkot gab, Leute sich darüber( zu recht ) beschwerten, wurde alles wieder abgebaut u.das war’s dann.

  5. 49.

    Wo haben Sie denn diesen Unsinn her? Bevor Sie Tauben als "reinste Krankheitsüberträger" hinstellen, sollten Sie sich erstmal umfassend informieren.

  6. 48.

    Trauen Sie sich auch mit Maske und Einweganzug auf Brückenbauwerke, unter Bahnsteige, in Dachbereiche von Bahnhofshallen ?
    Das machen die Beschäftigten selbst ! Keinen Finger werden Die krumm machen und ihre Gesundheit riskieren.

  7. 47.

    Wo sind denn die ehrenamtlichen ?
    Na die laufen mit den Weißbrotkrümmeltüten ...
    Wenn Der Senat von Berlin Tauben füttert, unterstütze ich den DSvB, indem ich meine Brotreste im Park, am Ententeich .... und Alle machen mit ! Ist auch viel billiger.

  8. 46.

    Frage , werden Sie für ihre Problemverschleppung von Steuergeld oder durch Kassenleistungen ernährt ?
    Ich frage für eine Freundin ...

  9. 45.

    Warum dürfen dann in der Großstadt
    Wirbeltiere gehalten werden ?
    Wer entscheidet was Wirbeltiere sind ?
    Sind Menschen Wirbeltiere ?
    Sie treten sich, stechen einander, verprügeln ihre und fremde Frauen und
    Kinder ...
    Und,
    Das Problem ist der Dreck !
    Der Dreck den NIEMAND entfernt !
    Der Dreck der Kinder und Erwachsene krank machen kann.
    Wann kommen öffentliche Toiletten für kulturellangepasste Tauben ?
    Berlin hat nur 2 Probleme ...
    1. Dreck
    2. Menschen die Das kunstvoll wegdrücken.

  10. 44.

    Wenn Tauben verwilderte Haustiere sind,
    nehmen Sie bitte meine 12000 bei sich auf.
    Ich schenke sie Ihnen, gern geschehen !
    Für das Futter und die Unterbringung sorgt wie bisher, Der Senat von Berlin !
    Kosten ?
    Kosten spart der DSvB bei Fütterung, Betreuung und Reinigung !
    Ich wünsche Ihnen viele schöne Tage, Jahrzehnte, mit den von Ihnen gepflegten, gesunden, immer älter werdenden Tierschen .. gurridiigurr

  11. 43.

    Was Reinickendorf betrifft, ist die offizielle Aussage nur die halbe Wahrheit. Ja, es gab Taubenschläge, aber die waren baulich nicht gut geeignet (Bauwagen statt richtiger Taubenschläge wie in Augsburg) und personell gar nicht richtig ausgestattet - da wurden kaum geschulte und natürlich auch nicht motivierte 1-Euro-Jobber eingesetzt. Da muss sich niemand wundern, wenn das unter solchen Bedingungen nicht funktioniert.
    Das Augsburger Modell ist nachgewiesenermaßen sinnvoll und Berlin hätte das längst schon umsetzen und die Taubenpopulation deutlich reduzieren können, aber wenn der politische Wille fehlt, wird das eben nix.

  12. 42.

    Wenn in Berlin Löwinnen gejagt werden dürfen ?
    Was behindert die Taubenjagd ?
    Tauben ernähren sich von Mais und Weizen.
    Das tun Kinder auch.
    Wieviele ukrainische Weizenfrachter fahren monatlich nach Berlin ?
    Wieviel zahlen Taubenfreundinnen für Afrika ? So wenig ? Weil Die nicht fliegen können ?

  13. 41.

    Man sollte die Tiere sterilisieren und vergiften. Sind die reinsten Krankheitsüberträger.

  14. 40.

    Ja, das imprägnierte Futter ließe sich sicherlich im Rahmen eines betreuten Taubenschlags füttern. Nach Angaben des Herstellers/Vertreibers müsste eine Taube fünf Tage am Stück vom imprägnierten Mais fressen, um unfruchtbar zu werden. Der Wirkstoff heißt „Nicarbazin“ und soll die Tauben wohl auch vor einem Befall mit Kokzidien (Darmparasiten) schützen.

  15. 39.

    Ja, das imprägnierte Futter ließe sich sicherlich im Rahmen eines betreuten Taubenschlags füttern. Nach Angaben des Herstellers/Vertreibers müsste eine Taube fünf Tage am Stück vom imprägnierten Mais fressen, um unfruchtbar zu werden. Der Wirkstoff heißt „Nicarbazin“ und soll die Tauben wohl auch vor einem Befall mit Kokzidien (Darmparasiten) schützen.

  16. 38.

    Für Vergiften gilt dasselbe wie für Abschießen: Stadttauben sind Wirbeltiere, für sie gilt das Tierschutzgesetz. Demnach ist das verboten.

  17. 36.

    Es gäbe bestimmt genug Ehrenamtliche, die sich um die Taubenschläge gern kümmern würden. Ich wäre dabei. Wo ein Wille ist ist auch ein Weg. Das Kostenargument zieht nicht.

  18. 35.

    Mit dieser Erkenntnis bitte sofort zum nächsten Schlachtbetrieb gehen. Sie sind da was ganz Heißem auf der Spur!

  19. 34.

    Sehr gut kommentiert. Nur leider hat ausgerechnet ein Turmfalke es immer wieder auf die kleine Spatzen Horde abgesehen wenn diese auf meinem Balkon ans Futternapf fliegen. Ein Spatz hat er vor ein paar Tagen erwischt im Steilflug.

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