Überlastung bei der Berliner Polizei - "Die Kolleginnen und Kollegen gehen schon unterhalb des Zahnfleischs"

Mi 25.10.23 | 19:16 Uhr | Von Oda Tischewski
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Symbolbild: Polizisten im Bereich Sonnenalle in der Friedelstraße am 15.05.2021 in Berlin-Neukölln. (Quelle. dpa/Vladimir Menck/SULUPRESS.DE)
Video: rbb24 Abendschau | 25.10.2023 | Kerstin Breinig | Bild: dpa/Vladimir Menck/SULUPRESS.DE

Die Arbeitsbelastung bei der Berliner Polizei ist nicht erst seit gestern enorm hoch. 2,5 Millionen Überstunden sind nach Gewerkschaftsangaben bereits aufgelaufen. Und es besteht kaum eine Chance, diese abzubauen. Von Oda Tischewski

Über Mangel an Arbeit kann sich Berlins Polizei nie beschweren: Kundgebungen und Demonstrationen, Staatsbesuche und die Bewachung der Regierungsgebäude, Fußballspiele und organisierte Kriminalität – der ganz normale Berufsalltag. In den vergangenen Tagen, Wochen und Monaten allerdings sind weitere Einsatzfelder hinzugekommen: Je mehr die Gesellschaft zu Themen wie Nahost, Klimakatastrophe, Ukraine-Krieg oder Pandemieschutz untereinander auszudiskutieren hat, desto häufiger wird Berlin zur Kulisse auch eskalierender Konflikte. Mittendrin: Die Berliner Polizei. Und die kommt mittlerweile an ihre Grenzen.

Für Benjamin Jendro ist ganz klar: Das Limit der Berliner Polizistinnen und Polizisten ist erreicht. "Wir haben 2,5 Millionen Überstunden bei der Berliner Polizei und die Kolleginnen und Kollegen kommen gar nicht zum Abbauen", klagt der Sprecher der Berliner Polizeigewerkschaft GdP. "Man sagt dann immer, irgendwann wird eine entspanntere Lage sein – ich sehe die noch nicht. Silvester steht vor der Tür, wir haben im nächsten Jahr eine Fußball-Europameisterschaft auch in unserer Stadt mit sechs Spielen – in Berlin passiert halt immer was."

Für Barbara Slowik daher auch Berliner Routine: "Also im Moment ist die Kräftelage deutlich angespannt, die Polizei Berlin ist stark gefordert – das ist so", sagt die Polizeipräsidentin. "Gleichzeitig nehmen wir in diesen Tagen eine gewisse Beruhigung der Lage zur Kenntnis. Es ist auf den Straßen etwas ruhiger geworden, die Versammlungsanzeigen sind zurückgegangen." Ihre Einsatzkräfte nehme sie als sehr motiviert wahr, so Slowik – bislang könne die Berliner Polizei alle ihre Aufgaben bewältigen.

Hilfe aus Bund und Ländern angefordert

Wie aber vermutlich jeder im Moment das Gefühl hat, dass nach jeder Krise einfach eine nächste kommt, so sieht die Berliner Polizei, dass die Hauptstadt immer wieder Schauplatz und Austragungsort dieser Krisen ist. 17 Hundertschaften stehen ihr zur Verfügung, um neben ihren bisherigen Aufgaben auch die jetzt neu hinzukommenden Probleme zu bewältigen: Blockaden der Letzten Generation, die Ausschreitungen von Hamas-Sympathisanten auf der Sonnenallee. Fünf weitere Hundertschaften können in solchen Fällen aus den Polizeiabschnitten mobilisiert werden. Doch die fehlen dann an ihren üblichen Einsatzorten. Ohne zusätzliche Hilfe sei das nicht zu stemmen, so GdP-Sprecher Jendro.

"Wir haben in der letzten Woche Bilder gesehen, dass Polizeiketten im Jahr 2023 ein Holocaust-Denkmal neben dem Brandenburger Tor vor einer Schändung schützen müssen. Und da müssen sich der Bund und auch die einzelnen Bundesländer beteiligen. Es gab jetzt zur Solidaritätsdemo am Sonntag ein bisschen Unterstützung, aber wir brauchen sie ehrlicherweise dauerhaft, denn unsere Kolleginnen und Kollegen gehen schon unterhalb des Zahnfleischs."

Doch Bund und Länder könnten nicht immer unterstützen, so Jendro: "Es ist so, dass dann ein Unterstützungsersuchen rausgeht, an den Bund und die Länder, aber es gibt keine Verpflichtung, dem auch nachzukommen. Wenn die Bundesländer eigene Lagen haben – und da reicht zum Beispiel, wir haben heute in Bayern eine Versammlungslage, bei der wir nicht wissen, wie’s läuft – dann schicken die auch keine Kräfte."

Start der stationären Grenzkontrollen

Und auch die Bundespolizei kann derzeit kaum auf Personal verzichten, um Berlin auszuhelfen. Vor kurzem haben die stationären Kontrollen an der Grenze zu Polen begonnen, mit denen die Bundesregierung die Migration nach Deutschland eindämmen will. Hier werden viele Einsatzkräfte langfristig gebunden – denn Lars Wendland von der Brandenburger Polizeigewerkschaft rechnet mit einer Verlängerung der zehntägigen Testphase: "Man muss einfach sagen, die Kolleginnen und Kollegen können nicht mehr, die sind über dem Limit und wir haben schon gerade auch in den Bereichen jetzt wirklich Personal von überall aus Deutschland und ich behaupte, wir halten das nicht allzu lange durch."

Für Jendro sind angesichts dieser Belastungen die Forderungen klar: Eine Aufstockung des Etats für die Berliner Polizei, dauerhafte Unterstützung aus Bund und Ländern und eine erneute Reform des Berliner Versammlungsfreiheitsgesetzes - zum Beispiel durch mehr präventive Maßnahmen: "Wir sehen ganz klar, dass Polizei und Justiz nicht in der Lage sind, entsprechend schnell auch so zu reagieren, dass man die Leute, die Straftaten begehen, dass man die aus dem Verkehr zieht. Also Haushaltsberatungen aus unserer Sicht müssen momentan unterbrochen werden, man muss Polizei und Justiz schnell an einen Tisch holen und ähnlich wie bei der Bundeswehr jetzt ein Paket schnüren. Dann sollte man Polizei und Justiz auch mal fragen, was braucht ihr denn eigentlich noch aktuell, weil klar ist auch, wir hätten gern ganz, ganz viel Personal – aber das wächst nicht auf Bäumen."

Sendung: rbb24 Abendschau, 25.10.2023, 19:30 Uhr

Beitrag von Oda Tischewski

25 Kommentare

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  1. 25.

    Schade,leider wird sich daran nichts ändern,da die Berliner Polizei mehrfach durch den Senat kastriert wurde.
    Gerade unsere lieben Politiker aus der Grünen Ecke tragen daran eine Hauptschuld
    Was hat dieser eitle Geisen als ehem. Innensenator doch alles der Polizei und Feuerwehr versprochen?
    Nicht,aber auch garnichts wurde davon umgesetzt

  2. 24.

    Ich finde das die Polizei für ihre Arbeit ordentlich bezahlt werden sollte, Beamte die denn ganzen Tag im Büro sitzen und so tun als ob sie Arbeiten und einen auf ich bin besser als ihr machen,sollten einfach Mal sehen was andere Buckeln und sie davon bezahlt werden.irgenwo ist auch Mal Schluss,ich geh knapp 70 Std die Woche arbeiten (Berufskraftfahrer),also für 2 Beamte wo ich dann nicht Mal die Hälfte an Rente bekomme was sie bekommen.klasse Einstellung.menschlich denken ist in Deutschland nicht mehr,hier gibt es nur noch ich bin der erste und der Rest ist mir egal.jammern tun nur die die viel bekommen.

  3. 23.

    Und Sie meinen, damit einen Beitrag eleistet zu haben.
    Im übrigen weiß ich, was au0ertarifliche Bezahlung heißt. Denn die bösen Sozialpädogischen MA verbraten ja auch nur das Geld der Steuerzahler für (angebl.) Hilfe) für Personen, die ihr Leben nicht selbst ordnen können. Alles in einen Topf kippen und dann umrühren und als Meinung verkaufen geht so heute nicht mehr, sorry. Ich stellte an die Politik die Forderung nach klaren Regelungen. Gilt eigentlich für alle Bereiche. Mit "dehnbar wie Gummi" kann keiner etwas anfangen, scheint aber Methode zu sein..

  4. 22.

    Hallo, auch ich arbeite täglich mit aggressivem und anspruchsvollem Klientel, aber, was Sie und Ihe Kollegen täglich leisten, meinen Respekt! Alles Gute für alle Ihre Kollegen! Obwohl ich selbst schon sehr schlechte Erfahrungen mit der Polizei gemacht habe, aufgrund einer verwechselten Hausnummer, hab ich 1,5 Jahre unter einem eindeutig widerlegbaren Vorwurf gestanden, das war nicht lustig und aufgrund der Absurdität des Vorwurfs auch nicht nachvollziehbar. Aber trotzdem, ich ziehe meinen Hut vor Jedem, der den Job noch macht!

  5. 21.

    Wann haben die Behördenvertreter nicht gejammert, wenn sie keine Beamten sind, streiken sie dann gerne. Krass unterbezahlte in der überwiegend tarifabgekoppelten Wirtschaft, haben diese Möglichkeit nicht. Das trifft auch auf andere chronisch subventionierte Bereiche, wie Bauern zu. Solange bei einem Unfall mit Sachschaden mit 4 Einsatzwagen vorfahren kann, frage ich mich, ob da keine Optimierung möglich ist. Bei Schwierigkeiten wird die Polizei gerufen, daß ist die Natur der Sache, sonst wären sie ja nicht gebraucht, dafür sind sie da. Da sollte Polizist/in nicht zu zart beseitigt sein.

  6. 20.

    Die Berl.Polizei muss das "ausbügeln", Klartext: Nacharbeiten, was die Politik versäumt hat. Ich bin dafür, dass das Berl. Polizeigesetz schnellstens eine Angleichung erfährt. Es ist doch nicht zumutbar, dass sich die Klimakleber, die das Wort Aktivist schamvoll missbrauchen, dafür sorgen, dass kaum ein Tag vergeht, an dem die Öffentl.Ordnung nicht gestört, Eingriffe in den Straßenverkehr oder Personenverkehr stattfinden. Von den unsäglichen/gemeinen Übergriffen auf Kultur- u. Baudenkmäler möchte ich gar nicht reden. Und auch jedes andere Gebäude hat einen Eigentümer, dessen Rechte/Pflichten bei Verunstaltung jeder Art mit Füßen getreten werden. Nicht eine Lärmschutzwand ist nicht beschmiert! So wollen wir Berliner aber nicht leben! Und die meisten distanzieren sich von den kindl.-geistlosen MN, die dann Polizeigewalt erfordern. Ich frage mich auch, ob der Richter/in noch ruhig schläft, wenn eineTafel mit dem Text GG verunstaltet werden darf - Freispruch! Schluss m. d. Kuschelkurs!

  7. 19.

    Es muss vor allem aufhören, dass die Polizei als Ersatzfeind gesehen wird. Sie ist kein Sparringpartner frustierter Jugendlicher und Jung-Erwachsener, sondern ein wichtiger Baustein der Gesellschaft.

    Ich sehe keine andere Möglichkeit, als unangenehme (nicht drakonische) Strafen zu verhängen, wenn Rettungs- Polizei und Pflegekräfte angegriffen werden. Und zwar: 1 Jahr Job/Studium und Bezug Sperre, bei unangenehmer gemeinnütziger Arbeit (Mülltrennung, Müllsammeln), ehe der Fall vor Gericht verhandelt wird.

  8. 18.

    „ Die Freigaben sollten sorgfältig geprüft werden. “
    Welche Freigaben meinen sie denn ?

  9. 17.

    Ich könnte den Job nicht machen, aber wenn der Staat das Versammlungsrecht nicht angemeldeter Demos höher stellt, als das Recht zum Arzt (Dialyse Krankenpflege, Tabletten ect) oder seine Kinder abzuholen oder pünktlich zur Arbeit zu kommen., braucht sich der Staat auch nicht wundern, dass Polizisten am Limit sind.

  10. 16.

    Ein Paket, wie bei der Bundeswehr? Dort ist doch noch keine konkrete Unterstützung angekommen. Floskeln und Versprechungen helfen nicht weiter. Die Politik muss jetzt handeln, denn diese Situation wird auch keine geeigneten Bewerber motivieren, Polizist zu werden. Einfach mal „Danke“ sagen, für das Engagement der Polizei.

  11. 15.

    Eine 80h-Woche war nicht ungewöhnlich bei mehreren Beamten.
    Als dank für einen solchen Einsatz, darf man am nächsten Tag etwas von Polizeigewalt lesen.
    Keiner von uns möchte zu den Personen sagen "Die Demo ist verboten, weil es so ist!".
    Und dennoch wird der geballte Hass und Ablehnung an uns ausgelassen.
    Dafür hat man sich beworben. Dafür macht man den Job. Damit Berlin sowas nicht immer erlebt. Aber die jungen Menschen sehen die Zustände und überlegen es sich gut sich bei uns zu bewerben. 3/3

  12. 14.

    Die Kolleginnen/Kollegen sind auch bloß Mütter und Väter und möchten ihre Familie wiedersehen.
    ICH möchte ebenfalls diese wieder sehen.
    Dies macht auch etwas mit einem, wenn man teilweise Freundschaften geschlossen hat und diese Person sieht wie sie ein Polenböller ins Gesicht geworfen bekommt oder einen Ziegelstein.
    In meinem Umfeld gab es verletzte Beamte mit ausgekugelter Schulter nach Tritt in den Rücken oder gebrochenem Ellenbogen.

    Die Leute machen krank, weil man es nicht mehr packt. 2/3

  13. 13.

    Es bringt halt nichts, wenn es lediglich bei leeren Worthülsen bleibt...

    Ich bin Polizist bei der Berliner Polizei.
    Man geht zur Arbeit aufgrund des Pflichtbewustseins (Wer soll es sonst machen?) und der Kolleginnen/Kollegen.
    Man muss sich schon sehr selten, vereinzelte Erfolge rausziehen aus diesem Beruf um diesen nicht hinzuschmeißen.

    Die Aggressivität sowie Gewaltpotenzial ist enorm und mir so noch nie vorgekommen wie die letzten Wochen in Berlin.
    1/2

  14. 12.

    Das finde ich auch Anni. Für alle politischen Demos sollte die Bundespolizei zuständig sein in Berlin. Für normale Kiezveranstaltungen wie z.B. "Maifestspiele" Kreuzberg mit vermummten Feuerwerkswerfern die Berliner Polizei. Die förderale Regelung mit jedem Land seine eigene Sicherheit ist zwar gut und schön. Aber in Jedermanns-Aufregungszeiten wie diesen darf man schon einen Unterschied machen, welche Demos eine "Regionalpolizei" und die staatsweite Bundespolizei absichert. Eine Demo gegen für oder gegen Kriege in anderen Regionen ist wohl eindeutig Bundespolitik. Egal wo diese Demo stattfindet.

  15. 11.

    Nachtrag: Es gibt zu viele Veranstaltungen / Demos in Berlin!
    Hier eine Demo, da die Klima-Kleber, dort ein Schwimmbad, dazu noch Staatsbesuch, dann noch eine Sportveranstaltung... Das läppert sich!
    Die Freigaben sollten sorgfältig geprüft werden.

    Insgesamt war Berlin mal etwas ruhiger. Da muss man wieder hin!

    Es wird einfach zu viel in Berlin.

    Respekt an die Polizei die das Gesamt-Paket bewältigt!

  16. 10.

    Die Politiker machen die Gesetze. Dann verstecken sie sich dahinter und die Polizei solles richten. Hut an, wer sich dafür noch hin gibt.

  17. 9.

    Es sollte endlich akzeptiert werden, dass Berlin als Hauptstadt die Unterstützung vom Bund braucht. Es kann nicht sein, dass diese Stadt alles alleine stemmen soll und das übliche Berlin-Bashing muss aufhören.

  18. 8.

    des Fleisches. Bei C. gab es keine personelle Probleme. Wie bestellt, so geliefert. ;-)

  19. 7.

    Ich war 44 Jahre bis 2016 bei der Berliner Polizei und habe, aus dem Ruhestand gesehen, aller größte Hochachtung vor der Leistung und Einsatzbereitschaft aller Kollegen in dieser Zeit! Bleibt stark!!


  20. 6.

    Die Jugend registriert diese Bedingungen ganz genau, die Bewerberzahlen für Polizeiberufe gehen seit Jahren zurück. Die große Ruhestandswelle beginnt gerade erst, das wird schwierig bis unmöglich.

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