Berlin - Kammergericht bestätigt erstmals Nötigungs-Urteil wegen Blockade

Di 13.02.24 | 18:03 Uhr
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Die Aktivisten der Gruppe "Letzte Generation" am 06.10.2023 bei einer Blockade-Aktion im Bereich Ecke Potsdamer Platz / Ebertstraße / Leipziger Platz im Bezirk Mitte. (Quelle: Picture Alliance/Sulupress/Marc Vorwerk)
Bild: Picture Alliance/Sulupress/Marc Vorwerk

In Berlin ist ein Urteil gegen einen Klimaaktivisten wegen einer Straßenblockade erstmals auf höchster richterlicher Ebene als Nötigung eingestuft und bestätigt worden. Entsprechend habe das Berliner Kammergericht bereits am 31. Januar entschieden, wie eine Gerichtssprecherin dem rbb am Dienstag mitteilte. Das höchste Berliner Strafgericht habe damit die Entscheidungen der beiden Vorinstanzen bestätigt. Damit ist die Verurteilung eines 62-Jährigen zu einer Geldstrafe von 600 Euro rechtskräftig, betonte die Gerichtssprecherin weiter.

Das Mitglied der Klimagruppe "Letzte Generation" hatte sich am 11. Februar 2022 an einer Straßenblockade in Berlin-Spandau beteiligt. Einige Teilnehmer hatten sich dabei an der Straße festgeklebt, der inzwischen 62-Jährige jedoch nicht. Gleichwohl wurde der Mann wegen seiner Beteiligung an der rund 20-minütigen Blockade verurteilt - zu Recht, wie das Gericht in dritter Instanz entschied. (Az.: 3 ORs 69/23)

Zugleich habe der Senat betont, dass es bei den Fällen keinerlei pauschale Bewertungen geben dürfe, teilte die Gerichtssprecherin mit. Bei der Beurteilung der Straßenblockaden müssten jeweils die konkreten Umstände berücksichtigt werden - beispielsweise Dauer und Ausmaß sowie die Motive der jeweiligen Angeklagten.

Angeklagter ging zwei Mal in Berufung

Der 62-Jährige hatte sich an der Aktion der Klimaaktivisten auf dem Siemensdamm beteiligt. Laut Kammergericht konnten wegen der Blockade mindestens 50 Fahrzeuge nicht ausweichen und steckten fest. Zunächst hatte das Amtsgericht Tiergarten den Angeklagten am 19. Januar 2023 der Nötigung für schuldig befunden und eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 30,- Euro verhängt. Gegen dieses Urteil hatte der Angeklagte Berufung eingelegt; er strebte einen Freispruch an.

Am 7. Juli 2023 änderte das Landgericht Berlin das angefochtene Urteil ab und reduzierte die Anzahl der Tagessätze auf 20. An der Verurteilung wegen Nötigung hielt das Landgericht allerdings fest. Dagegen legte der 62-Jährige erneut Berufung ein, letztlich ohne Erfolg, wie das Kammergericht nun entschied.

Bislang eine Haftstrafe wegen Straßenblockade

Bei der Berliner Staatsanwaltschaft haben die Aktivitäten der Klimagruppe in den vergangenen zwei Jahren bislang zu knapp 3.940 Verfahren (Stand 13.2.) geführt, wie ein Behördensprecher am Dienstag auf Anfrage sagte. Nach einer Abfrage der vom Deutschen Richterbund herausgegebenen "Deutschen Richterzeitung" bei exemplarischen Städten ist Berlin die Großstadt mit der höchsten Zahl von Strafverfahren gegen Klimaaktivisten.

Das Amtsgericht Tiergarten hat nach Angaben der Gerichtssprecherin inzwischen Hunderte Strafbefehle gegen Mitglieder der Klimagruppe Letzte Generation erlassen, die von der Staatsanwaltschaft beantragt wurden. In der Regel geht es um Nötigung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte.

Meist wurden die Klima-Aktivisten zu Geldstrafen verurteilt. Im September vergangenen Jahres wurde aber auch eine Haftstrafe ausgesprochen: Eine Klima-Aktivistin bekam u.a. wegen Nötigung acht Monate Gefängnis ohne Bewährung. Die 41-Jährige hatte im Zeitraum vom 10. Oktober bis 19. Oktober 2022 an mehreren Straßenblockaden der "Letzten Generation" teilgenommen.

"Letzte Generation" rückt von Klebe-Aktionen ab

Ende Januar hat die Klimaschutz-Organisation "Letzte Generation" eine Abkehr von ihren Klebe-Aktionen hin zu anderen Protestformen angekündigt. "Das Festkleben war wichtig, um nicht direkt von der Straße gezogen zu werden und somit unignorierbar protestieren zu können. (…) Von nun an werden wir in anderer Form protestieren - unignorierbar wird es aber bleiben", heißt es in einer Mitteilung vom Montag.

Ab März werde man zu "ungehorsamen Versammlungen im ganzen Land" aufrufen. Anstelle von Straßenblockaden werde man sich dort treffen, "wo wir nicht ignoriert werden können", kündigen die Aktivisten an. Zudem wolle man künftig Politiker und Entscheider "öffentlich und vor laufenden Kameras zur Rede stellen" sowie verstärkt Orte wie Öl-Pipelines, Flughäfen und Betriebsgelände von Energieerzeugern wie RWE aufsuchen und dort protestieren.

Sendung: rbb24 Inforadio, 13.02.2024, 17:45 Uhr

9 Kommentare

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  1. 9.

    Kommt dann auch die Bauern vor Gericht? Die haben auch Straßen gesperrt und Menschen behindert.

  2. 8.

    Nehmen Sie einfach sachlich seine Kommentare auseinander oder noch besser, reagieren Sie gar nicht mehr auf ihn, dann hört er von ganz alleine wieder auf.

    Ich würde mir wünschen, dass alle hier mehr auf solche Versuche reagieren und nicht einfach nur zuschauen.

  3. 7.

    Hallo lieber Ausländerfreund, wenn Sie sich überlegen, wem Sie in der letzten Zeit besonders auf die Füße getreten sind, dann befindet sich derjenige mit ziemlicher Sicherheit unter ihnen. Danke für Ihre Kommentare. Ich erkenne so oder so, was von Ihnen ist und was nicht. Lassen Sie sich nicht ärgern, das hat er schon bei vielen probiert.

  4. 6.

    Wenn eine Revision zurückgewiesen wird trägt der Angeklagte die Kosten des Verfahrens einschl. die seiner Verteidigung.
    Der Verteidiger kostet in einem solchen Strafverfahren um die 700,00 Euro.

  5. 5.

    So - Herr oder Frau Nickname-Klauer:in, es überhaupt nicht schade, daß Schluß sein soll mit den sinnlosen Klebeaktionen.

  6. 3.

    Hier müsste der Staatsschutz mal bei der angeblich blinden Justitia schnüffeln, ob hier nicht auch Extreme zu Werke gehen. Die laschen Urteile deuten stark darauf hin. Eine geistige und ideologische Komplizenschaft scheint nicht ausgeschlossen. Was für Rechte gilt, muss auch für Linke gelten.

  7. 2.

    Der Ermittlungen wegen des Verdachts auf Bildung einer kriminellen Vereinigung zeigen Wirkung. Anders ist es nicht zu erklären das auf Klebeaktion künftig verzichtet wird. Schade eigentlich....

  8. 1.

    Ich hoffe man hat ihm auch die Prozesskosten auferlegt.

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