Gedenken in Tempelhof-Schöneberg - Mord an Sürücü vor 19 Jahren immer noch "erschütternd"

Mi 07.02.24 | 08:27 Uhr
Originalbild: Gedenken von Kai Wegner (CDU, Mitte links), Regierender Bürgermeister von Berlin, und Cansel Kiziltepe (SPD, Mitte rechts), Berliner Senatorin für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung, stehen während einer Gedenkveranstaltung am 19. Todestages der Berlinerin Hatun Aynur Sürücü mit weiteren Teilnehmern der Gedenkveranstaltung vor dem Gedenkstein am 07.02.2024. ( Quelle: Sebastian Christoph Gollnow)
Audio: rbb24 Inforadio | 07.02.2024 | Swetlana Oheim | Bild: dpa / Sebastian Christoph Gollnow

SPD-Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe hat gemeinsam mit dem Berliner Regierendem Bürgermeister Kai Wegner (CDU) im Bezirk Tempelhof-Schöneberg an die Ermordung von Hatun Sürücü vor 19 Jahren erinnert. "Sie hat den Wunsch, nach ihren ganz eigenen Vorstellungen leben zu können, mit ihrem Leben bezahlt", sagte Kiziltepe am Mittwoch bei der Kranzniederlegung.

Die Ermordung der Deutsch-Kurdin "war ein Femizid, die extremste Form von Gewalt gegen Frauen." Kiziltepe denke auch an all die anderen Mädchen und Frauen, "die getötet wurden oder Gewalt erfahren, weil sie Mädchen beziehungsweise Frauen waren."

Wegner: "Gewalt gegen Frauen hat viele furchtbare Facetten"

Auch Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) erinnerte am Gedenkstein in der Oberlandstraße an die Ermordung von Sürücü. Eine junge Frau habe frei und selbstbestimmt leben wollen, "umso erschütternder waren die Nachrichten, dass diese junge Frau vor 19 Jahren für einen ganz selbstverständlichen Wunsch von ihrem Bruder ermordet wurde", betonte Wegner.

Nach wie vor gebe es in Deutschland Weltbilder, die Selbstbestimmung und Gleichstellung ablehnten. Gewalt gegen Frauen dürfe jedoch nicht "auf die Herkunft reduziert werden, Gewalt gegen Frauen hat viele furchtbare Facetten".

Sürücü starb wegen vermeintlich "verletzter" Ehre

Hatun Sürücü wurde am 7. Februar 2005 an einer Bushaltestelle in Tempelhof von ihrem Bruder erschossen. Gegen den Willen ihrer Familie hatte Sürücü ihr Kopftuch abgelegt und einen Beruf gelernt.

Ihr westlicher Lebensstil verletzte vermeintlich die Ehre der Familie. Die Ermordung von Sürücü löste Entsetzen aus. Nach mehr als neun Jahren Jugendhaft wurde der Täter in die Türkei abgeschoben. Ein Gericht in Istanbul sprach zwei Brüder vom Vorwurf der Mittäterschaft frei.

Wegner und Kiziltepe: Betroffene Mädchen und Frauen unterstützen

Bei der Gedenkstunde schilderten Wegner und Kiziltepe auch die Konsequenzen aus dem Fall: "Unser Ziel ist es, jedem betroffenen Mädchen und jeder betroffenen Frau Unterstützung zukommen zu lassen, die in ihrer individuellen Situation die passende ist und die ihr hilft, der Gewaltsituation zu entkommen", sagte die Sozialsenatorin.

Neben der Kranzniederlegung waren am Mittwoch in Berlin weitere Veranstaltungen in Erinnerung an Hatun Sürücü geplant.

Zahl der Femizide in Deutschland 2022 gestiegen

Der Femizid an Hatun Sürücü hatte 2005 eine Debatte über sogenannte "Gewalt im Namen der Ehre" und Zwangsheirat ausgelöst. Der Begriff "Femizid" kommt aus dem Englischen ("Femicide") und wurde 1976 von der Soziologin Diane Russell geprägt. [ndr.de] Im Kontext der internationalen Diskussion bezeichnet er die vorsätzliche Tötung von Frauen, weil sie Frauen sind. Femizide sind vor dem Hintergrund geschlechtsspezifischer Macht und Hierarchieverhältnisse zu sehen und werden besonders häufig durch männliche Partner oder Ex-Partner verübt. Femizid ist in Deutschland bis heute kein eigener Straftatbestand. [tagesschau.de]

Deutschlandweit starben 2022 laut Zahlen des Bundeskriminalamt 133 Frauen durch Gewalt in der Partnerschaft. Das sind 9,4 Prozent mehr als 2021.

Sendung: rbb24 Inforadio, 07.02.2024, 6:20 Uhr

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