1.270 Fälle innerhalb eines Jahres - Rias dokumentiert enormen Anstieg antisemitischer Vorfälle in Berlin

Mi 22.05.24 | 12:40 Uhr
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Symbolbild:Stolpersteine in Berlin-Friedenau wurden mit schwarzer Farbe angesprüht.(Quelle:imago images/J.Hoff)
Video: rbb24 Abendschau | 22.05.2024 | K. Breinig | Bild: imago images/J.Hoff

Angriffe auf Jüdinnen und Juden haben in Berlin enorm zugenommen. Eine Dokumentationsstelle hat im Jahr 2023 einen Anstieg antisemitischer Vorfälle um 50 Prozent registriert. Darunter Beleidungen, Angriffe und versuchte Brandanschläge.

Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin (RIAS) hat 2023 insgesamt 1.270 antisemitische Vorfälle in Berlin dokumentiert. Das sei ein Anstieg um knapp 50 Prozent im Vergleich zu 2022 und die höchste Anzahl antisemitischer Vorfälle in der Bundeshauptstadt innerhalb eines Kalenderjahres, heißt es in dem am Mittwoch in Berlin vorgestellten Rias-Jahresbericht. Eine Zäsur seien die Massaker der Hamas und anderer Terrororganisationen an der israelischen Zivilbevölkerung am 7. Oktober 2023 gewesen.

Insgesamt dokumentierte die Meldestelle zwischen dem 7. Oktober und Jahresende 783 Vorfälle - also im Schnitt zehn pro Tag. Das waren etwa 62 Prozent aller Meldungen des Jahres.

Meldestelle spricht von antisemitischen Mustern

Der Oktober 2023 sei mit 323 Vorkommnissen der Monat mit den meisten Vorfällen, die das Projekt seit seinem Bestehen im Jahr 2015 bisher dokumentiert habe. Im November wurden 279 Vorfälle registriert, im Dezember waren es 188. In den neun Monaten vor dem 7. Oktober kam es durchschnittlich zu 53 Vorfällen pro Monat.

Auch sei das dokumentierte Vorfallgeschehen gewaltvoller geworden, hieß es. Insgesamt wurden 34 antisemitische Angriffe bekannt, darunter ein versuchter Brandanschlag auf ein jüdisches Gemeindezentrum in Berlin-Mitte in der Nacht zum 18. Oktober 2023. In einem anderen Fall seien zwei Personen, die in einer Bar Hebräisch sprachen, von einem unbekannten Mann mit einem Böller beworfen worden.

Die Meldestelle spricht von antisemitischen Mustern, die bereits vor dem 7. Oktober bekannt und verbreitet waren. Dazu gehöre beispielsweise, Jüdinnen und Juden kollektiv für die israelische Politik haftbar zu machen.

Sprachgebrauch im Internet sei "enthemmter" geworden

Das Projekt teilte mit: "Der 7. Oktober 2023 stellte eine Zäsur dar: Antisemitismus ist seitdem deutlich präsenter in Berlin; bereits bestehende Formen von Antisemitismus haben sich verstetigt und verschärft." Jüdisches Leben habe im öffentlichen Raum nach dem 7. Oktober noch eingeschränkter stattgefunden als zuvor schon. Auch der antisemitische Sprachgebrauch im Internet sei "enthemmter".

Jüdische Nutzerinnen und Nutzer würden im Netz unter anderem vermehrt mit Vernichtungsfantasien konfrontiert, hieß es. Hier dokumentierte Rias 41 Vorfälle.

Viele Juden ergriffen laut Rias direkt nach dem 7. Oktober Schutzmaßnahmen, um nicht als jüdisch erkennbar zu sein, oder sie mieden Räume, die ihnen nicht sicher erschienen. Diese umfassenden Auswirkungen sind laut Rias Berlin eine Zäsur für jüdische und israelische Gemeinschaften in der Hauptstadt.

Zum ersten Mal seit Beginn der Dokumentation ist den Angaben zufolge der antiisraelische Aktivismus dasjenige politisch-weltanschauliche Spektrum, dem die meisten Vorfälle (15,5 Prozent) zugewiesen wurden. Dem rechtsextremen oder rechtspopulistischen Spektrum, dem seit 2015 immer die meisten Vorfälle zuzuordnen waren, wurden im vergangenen Jahr 6,3 Prozent zugewiesen.

Seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel hat es in Deutschland insgesamt einen massiven Anstieg politisch motivierter Straftaten im Zusammenhang mit dem Nahost-Konflikt gegeben. Die Zahl der polizeibekannten Taten aus diesem Kontext betrug mit 4.369 im vergangenen Jahr mehr als das Siebzigfache der 61 Delikte des Vorjahrs, wie aus der bereits am Dienstag in Berlin von Bundesinnenministerium und Bundeskriminalamt (BKA) veröffentlichten Statistik zur politischen Kriminalität hervorgeht.

Sendung: rbb24 Inforadio, 22.05.2024, 12.02 Uhr

25 Kommentare

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  1. 25.

    Die HU ist nicht von Antisemiten besetzt worden. Die sind ganz harmlos "pro-palästinensisch". Man frage einfach die festgehaltenen Geiseln oder die Opfer sexueller Gewalt seitens palästinensischer Terroristen. Deshalb ist die Uni auch noch nicht geräumt worden.

  2. 24.

    "Wir können nicht, selbst wenn Jahrzehnte zwischen den beiden Ereignissen liegen, Millionen Juden töten und Millionen ihrer schlimmsten Feinde ins Land holen“, sagte der inzwischen Verstorbene in einer französischen TV-Show „Salut les Terres“ des Senders Canal 8.

  3. 23.

    Der Antisemitismus ist an unseren Universitäten und auf der Straße angekommen und das schlimmste daran ist er wird geduldet und ist schon lange kein Problem mehr nur von rechts.
    Hier wird mit zweierlei Maß gemessen.

  4. 22.

    Ich würde daher die offiziellen Zahlen so interpretieren:

    BKA: Straftaten wegen ausländischer und religiöser Ideologie nehmen stark zu

  5. 21.

    "Was soll das , dass immer wieder die Herkunft der Täter verschwiegen wird ? "

    das ist doch schon seit Jahren Usus bei den Medien, polit gewollt bzw angeordnet . Da wird undifferenziert von Männern oder Gruppen berichtet
    und der Leser weiß Bescheid , ebenso in Polizeiberichten

  6. 20.

    Und ich dachte immer Deutsche hätten den Holocaust zu verantworten. Niemand holt Antisemiten ins Land, sondern Geflüchtete oder Arbeitskräfte. Antisemitismus war schon immer ein riesiges Problem in Deutschland und von Deutschen. Jetzt kann man es aber schön auf "Die Ausländer" schieben. Schön einfach! Alle Studiek zum Thema der vergangenen Jahrzehnte zeigten klar den Antisemitismus unter Deutschen auf...

  7. 19.

    enormer Anstieg antisemitischer Vorfälle in Berlin

    und die Ursachen sind was ? "Der 7. Oktober 2023 stellte eine Zäsur dar: Antisemitismus ist seitdem deutlich präsenter in Berlin;

    sind die Berliner alle zu Antisemiten mutiert ? wohl kaum

  8. 18.

    Wenn man so viele Antisemiten ins Land holt, ist der Befund nicht überraschend.

  9. 17.

    Warum werden in einem anderen Artikel nicht auch die Herkunft der Täter genannt?
    Das Opfer was auf der Flucht aus dem Bus angefahren wurde ist ein kleiner Junge von 8 Jahren. Er hatte so große Angst und kam aus Eritrea hier her.
    Was soll das , dass immer wieder die Herkunft der Täter verschwiegen wird ?
    Eine Schande
    Gute Besserung dem Jungen

  10. 16.

    Judenfeindliche Straftaten explodieren – Laut der Statistik zur politischen Kriminalität stiegen die politisch motivierten Straftaten im Zusammenhang mit dem Nahost-Konflikt auf unfassbare 4.369 und damit um mehr als das 70-fache des Vorjahres an.

  11. 15.

    Kritik an Israel wird in D. meist mit Antisemitismus gleichgesetzt. Insofern wundern mich solche Statistiken nicht.

  12. 14.

    Wirkt der Herr Professor auf sie auch extrem unabgebracht Hämisch?
    www.tagesschau.de/ausland/asien/reaktionen-anerkennung-palaestina-staat-100.html

    Angesichts dessen das die Hamas immernoch Raketen auf Israel feuert, und kann nicht verstehen, wie man Gaza anerkennen kann! - Bemi Westjordanland, kann ich es nachvollziehen, schließlich regiert da die Fatah, aber ein von Terroristen kontrolliertes Gebiet anerkennen, und sich dann tierisch darüber freuen, das man Israel eine Ausgewischt hat, ist m.E. total daneben!

  13. 12.

    Das sehe ich genauso. Muslime z.T. mit deutscher Staatsangehörigkeit, aber Migrationshintergrund, verzerren das Bild in der Öffentlichkeit, wie antisemitisch Deutschland wäre. Oder zählt moslemisch geprägte, faschistuide Haltung zu rechts?

  14. 10.

    Bei einem Anstieg um knapp 50 Prozent im Vergleich zu 2022 hätte ich die Statistik gern genauer aufgedröselt.

  15. 9.

    Die Zuordnung (rechts-links-radikal muslimisch) wäre interessant zu erfahren.

  16. 8.

    Da fällt mir doch gleich das Interwiev von Karl Lagerfeld im Jahre 2017 ein, in dem er sagte: „Wir können nicht Millionen von Juden töten und Millionen ihrer schlimmsten Feinde in unser Land holen.“
    Wir sollten auf unsere jüdischen Mitbürger achten und beschützen.

  17. 7.

    Es ist eine große Schande, das es immer noch diesen Hass gegenüber jüdischen Menschen gibt und offensichtlich einige nichts aus der Geschichte gelernt haben. Was hat Euch Euer jüdischer Nachbar getan, das ihr ihn nicht achten könnt und wollt. Es wäre so einfach, wir sind alle Menschen, wollen möglichst gut und friedlich leben. Warum gelingt uns das nicht?

  18. 6.

    Wie sagte doch Frau Göring-Eckardt: „Ich freue mich auf die Vielfalt....“, wenn das so ist, dürften ihre Bemühungen um antisemitische Vorfälle ausreichen, damit soetwas nicht auftritt. Sonst erweckt sie den Eindruck des Gönnerhaften und „man lässt andere Probleme klären“. „Ich urteile dann...“

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