Telefonzellenfriedhof in Michendorf - Das Ende der letzten Telefonzelle Potsdams

Di 28.05.24 | 11:30 Uhr | Von Jennifer Lichnau
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Fernmeldezeugamt Berlin, Außenstelle Potsdam (Quelle: Ralf Hirschberger)
Video: rbb|24 | 28.05.2024 | Material: Jennifer Lichnau | Bild: dpa/Ralf Hirschberger

Verschmutzt und verwüstet steht sie am Platz der Einheit, die letzte Telefonzelle Potsdams. Spätestens 2025 bekommt sie einen Platz in einem Wald in Brandenburg, neben tausend anderen Telefonzellen. Von Jennifer Lichnau

Telefoniert hat hier schon lange niemand mehr. Anfang 2023 hat die Telekom auch die letzten öffentlichen Telefone deaktiviert. Telefonzellen lohnen sich nicht mehr, viel eher ist es ein Minusgeschäft. Allein Schäden durch Vandalismus haben die Telekom nach eigenen Angaben über eine Millionen Euro gekostet, hinzu kommen Standortmiete und Reparaturkosten.

Die letzte Telefonzelle in Potsdam ist erst gar nicht mehr repariert worden. Sie vegetiert unbemerkt vor sich hin und wird, wenn überhaupt, als Mülleimer benutzt. Sie ist eine der 12.000 Telefonzellen bzw. Stelen, die bundesweit noch in Städten und Gemeinden stehen (Mitte der 90er Jahre waren es mal 160.000). Die Telekom hat sie nicht vergessen. Nur ist der Abbau aufwendig. Da kommen mehrere Gewerke ins Spiel: Bauämter, Energieversorger und Recyclingunternehmen. Das dauert.

Die letzte Telefonzelle in Potsdam, aufgenommen im Mai 2024. (Quelle: rbb)
Die letzte Telefonzelle in Potsdam. | Bild: rbb

Alle bundesweit ausrangierten Telefonzellen kommen nach Michendorf

Einige wenige Telefonzellen bekommen ein zweites Leben: Als Bücherschränke oder Mini-Diskos. Die anderem landen nach ihrem Abbau in einem Wald in Brandenburg, im "Fernmeldezeugamt Berlin, Außenstelle Potsdam" in Michendorf. Dort stehen die ausrangierten Telefonzellen aus ganz Deutschland. Es sind Tausende, dicht an dicht.

Besucher erlaubt die Telekom auf dem Gelände nicht. Auch das Angebot an Privatpersonen, eine alte Telefonzelle zu kaufen und abzuholen besteht nicht mehr. Die Anfrage sei so hoch gewesen, schreibt die Telekom auf Anfrage des rbb, dass es schlicht keine Telefonzellen mehr gibt, die man verkaufen könne.

2021 ist gesetzliche Pflicht weggefallen, öffentliche Telefone zu betreiben

Der Abgesang auf die Telefonzelle ist bereits öfter angestimmt worden. Beispielsweise als Handys auf den Markt kamen. Während die ersten Handys noch rund ein halbes Kilo wogen, hatte Ende der 90er Jahre fast jede und jeder ein handliches Handy (das erste Nokia-Handy mit dem Spiel "Snake" wurde 1997 verkauft).

Ende 2021 ist durch eine Gesetzesänderung die Pflicht weggefallen, öffentliche Telefone bereitzustellen. Eine weitere Wegmarke, die das Ende der Telefonzellen-Ära eingeläutet hat, nach rund 150 Jahren.

Bis auch die letzten Zellen aus Städten und Gemeinden verschwinden werden, dauert es wohl noch ein Jahr: Bis 2025 plant die Telekom alle Telefonzellen abzubauen. Dann reiht sich auch die letzte Telefonzelle Potsdams auf dem sogenannten Telefonzellenfriedhof in Michendorf ein. Eine Bezeichnung, die die Telekom ablehnt, die sich jedoch längst durchgesetzt hat.

Sendung: rbb|24, 28.05.2024, 10:00 Uhr

Beitrag von Jennifer Lichnau

18 Kommentare

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  1. 18.

    Danke für den Kommentar und Ihre gute Arbeit Herr Flemming. Die Bücherzelle Bautzen steht seit 2015. Hat alles super funktioniert damals. Übrigens gab es schon damals keine gelben Zellen mehr. Soviel zum verwendeten Bild.

  2. 17.

    Jedes Jahr ein neuer mystischer Report über Michendorf. Das Sommerloch beginnt und die Medienbranche weiß mal wieder nicht,worauf sie sich stürzen sollen. Ich habe das 23 Jahre durch. Auch diese Potsdamer Telefonzelle wird den Weg nach Michendorf nicht gehen. Woher soll ein Reporter das wissen, wenn sein Bericht größtenteils nur Spekulationen sind. Selbst ehemalige Kunden fragen besorgt an,ob in Michendorf wirklich Schluß sei ?! Dabei sind Bücherboxen nur ein Bruchteil dessen, was meine Kunden daraus gebaut haben. Es kommt der Sommer 2025. Dasselbe Loch, dasselbe Thema nur wieder eine abgewandelte Berichterstattung. Es bleibt also spannend.

  3. 16.

    In Neuruppin direkt am See auch. Auf der Rückseite ist 'n lecker Cafe. Suchen lohnt :-).

  4. 14.

    Das würde in der Tat voraussetzen, dass den einschlägigen Mitmenschen die gravierende Unterscheidung zwischen öffentlich und privat überhaupt noch bewusst ist. Ich halte das sogar für ein gesellschaftliches Ideal, doch ich habe den Eindruck, bei 90 % ist dies perdú - auch bei Jenen, die sich ansonsten über Mithören beschweren, wo sie es doch in aller Öffentlichkeit geradezu provozieren.

    ;-

    Eine Grundversorgung öffentlich abgeschirmten Telefonierens, damit die Privatheit nicht vor aller Ohren ausgesprochen werden muss, wäre auf jeden Fall zu überlegen, auch wenn Menschen, die solches überlegen, als Phantasten angesehen werden.

  5. 13.

    Ich tippe darauf, dass der RBB ein altes Agenturbild verwendet. Und wer eine richtig alte Telefonzelle sehen will, fährt mit dem M22 nach Lübars, Bücher zum tauschen nicht vergessen.

  6. 12.

    Hahahaha, Klasse Idee! Sie werdens nicht glauben, aber Ihren Traum habe ich wirklich erlebt: in den 70er - 90er Jahren!
    Aber im Ernst (Busch): Es wäre wirklich schön und gut!

  7. 11.

    Ganz verrückte Idee:
    man könnte ja diese Zellen an Straßenecken aufbauen und ans Telefonnetz anschließen, damit man von dort telefonieren kann. Dann muss man nicht immer sein Handy rausholen und Akkuladung verbrauchen.
    Aber der Hauptvorteil ist: die Mitmenschen müssen nicht mithören.
    Toll, oder?!

  8. 9.

    Ja, auch bei uns/Angermünde gibt so eine Büchertelefonzelle....Sehr gute, müssen noch mehr werden!

  9. 8.

    In einem Dorf in der Nähe meines Wohnortes gibt es ein zur Büchertauschstelle umfunktionierte Telefonzelle.
    Dort wurden ein paar Regale eingebaut auf denen die Lektüre steht.
    Jede o. Jeder der möchte kann dort Bücher oder Magazine die er durchgelesen hat aus seinem eigenen Bestand gegen andere tauschen.
    Ich selber habe diese auch schon genutzt und meine Bücher gegen andere eingetauscht.

  10. 7.

    Da kann man doch seine Kreativität austoben. Warum werden die denn nicht verkauft?

  11. 6.

    An sinnvollen Zweitverwendungen würde es doch nicht mangeln. Wie wäre es, wenn z.B. die Berliner S- und U-Bahnen in jedem ihrer Waggons jeweils eine Telefonzelle einbauen würden, in die man sich zurückziehen kann für seine Handygespräche und Videocalls, ohne eingebautes Telefon, aber dafür endlich mit mehr Privatsphäre für alle umsitzenden Fahrgäste, die keine Lust haben, die ganzen Details aus dem Intimleben ungefragt aufgezwungen zu kriegen?

    Oder vielleicht umgekehrt: als handyfreier, schallgeschützter Rückzugsort -- ein Safespace vor der Tyrannei der öffentlich ausgewalzten Privatsphären der Mitmenschen?

  12. 5.

    Die waren so häßlich mit ihrem Telekom-Design! geschmacklose Gestaltung, färben, die weh tun - weg mit dem Mist! Die englischen Telezellen hingegen sind eine Wohltat fürs Auge!!!

  13. 4.

    "Alles ist vergänglich"

  14. 3.

    Also da stehen tausende Tausende Telefonzellen (auf dem Bild sogar noch viele „gelbe“ dabei) aber die Telekom sagt „Die Anfrage sei so hoch gewesen, … , dass es schlicht keine Telefonzellen mehr gibt, die man verkaufen könne.“
    Diese Logik muß man verstehen?

  15. 2.

    Tausende Telefonzellen nicht mehr zu verkaufen? Und jetzt verrotten die vor sich hin? Man sollte doch meinen, dass es genügend Bastler:innen mit handwerklichem Geschick gibt, die daraus was vernünftiges machen könnten. Ich meine wenn Menschen aus Schrottautos echte Schmuckstücke zaubern können, warum dann nicht alten Telefonzellen neues Leben einhauchen. Schade, dass hier der Kreativität der Leute schon vorab ein Riegel vorgeschoben wird.

  16. 1.

    Ich verstehe eines nicht:
    die Telefonzellen stehen dort zu Tausenden dicht an dicht, wie auch das Foto zeigt. Und dennoch gibt es das Angebot nicht mehr, die Teile zu verkaufen?
    Man könnte noch viel mehr Bücherzellen aufstellen

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