Wildnisgebiet bei Luckenwalde erweitert - Hier darf Brandenburg unberührt bleiben

So 26.05.24 | 15:42 Uhr | Von Michaela Grimm
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Blick auf das Wildnisgebiet Heidehof, eine der neuen Flächen der Stiftung Naturlandschaften Brandenburg. (Quelle: dpa/Soeren Stache)
Audio: Antenne Brandenburg | 22.05.2024 | Alexander Goligowski | Bild: dpa/Soeren Stache

Was passiert eigentlich, wenn der Mensch die Natur komplett in Ruhe und sich selbst überlässt? Das können Wildnisgebiete zeigen. Bei Luckenwalde gibt es nun 600 Hektar mehr davon auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz Heidehof.

Noch wachsen auf den neuen Flächen des Wildnisgebiets Heidehof bei Luckenwalde (Teltow-Fläming) vor allem Kiefern. Doch in den kommenden Jahren soll durch vorsichtigen Waldumbau die Monokultur verschwinden. Danach – in spätestens zehn Jahren – wird die Fläche frei von menschlichem Einfluss sein und sich selbst weiterentwickeln können.

10,5 Millionen Euro hat die Stiftung Naturlandschaften Brandenburg dafür aus dem Wildnisfonds des Bundesumweltministeriums erhalten. Damit kaufte sie 600 Hektar auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz Heidehof von privaten Waldbesitzern und konnte das bereits bestehende Wildnisgebiet auf insgesamt 3.400 Hektar erweitern. Schon seit einigen Monaten darf das Gebiet nicht mehr bejagt werden und auch die forstwirtschaftliche Nutzung ist nun ausgeschlossen.

Nur, wenn wir der Natur großflächig Raum geben, sich selbst zu organisieren, kann Klimaanpassung funktionieren.

Andreas Meißner

"Wir greifen überall ein als Menschen und nur, wenn wir der Natur auch großflächig Raum geben, sich selbst zu organisieren und sich ungestört zu entwickeln, kann Klimaanpassung funktionieren", sagte der Stiftungs-Geschäftsführer Andreas Meißner bei einer Begehung dem rbb.

Wildnisgebiet soll zugänglich für Besucher bleiben

Das natürliche System Wildnis dabei zu beobachten, wie es sich selbst neu ausrichtet, sollen auch Besucher können. Zwar sind nun keine Eingriffe in die Natur mehr vorgesehen, erlebbar bleiben soll sie dennoch, so Meißner: mit Wanderwegen, Veranstaltungen und Führungen.

Das Bundesamt für Naturschutz definiert Wildnisgebiete als "ausreichend große, weitgehend unzerschnittene, nutzungsfreie Gebiete, die dazu dienen, einen vom Menschen unbeeinflussten Ablauf natürlicher Prozesse dauerhaft zu gewährleisten."

Von solchen Naturräumen gibt es in Deutschland und weiten Teilen Mitteleuropas heutzutage fast keine mehr, die der ursprünglichen Wildnis entsprechen.

Brandenburg muss noch 30.000 Hektar Wildnis ausweisen

Mit einem Bundesgesetz hat Deutschland es sich zur Aufgabe gemacht, zwei Prozent seiner Gesamtfläche zu Wildnisgebieten zu erklären. Die zugehörige "Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt" hat die Bundesregierung schon 2007 beschlossen. Das gesteckte Ziel sollte eigentlich im Jahr 2020 erreicht sein, wurde jedoch verfehlt. Aktuell sind 0,7 Prozent der Fläche als Wildnis deklariert.

In Brandenburg entspricht das Zwei-Prozent-Ziel etwa 60.000 Hektar. Die Hälfte davon, also ein Prozent der Landesfläche, ist bereits Wildnis. 30.000 weitere Hektar fehlen also noch.

Trotzdem ist das Bundesland schon weit, findet Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Bündnis90/Grüne). "Wir haben bisher das Ziel noch nicht erreicht, aber Brandenburg ist Vorreiter", sagte sie dem rbb.

Flächen wie Heidehof seien wichtig, damit sich biologische Vielfalt entwickeln könne und in solchen Landschaften "auch Kohlenstoff CO2 eingespeichert werden und der Wasserhaushalt stabilisiert werden kann", sagte Lemke.

Widerstand gegen Wildnisgebiet im Spreewald

"Auch wenn sich das Ergebnis teilweise erst den nachfolgenden Generationen zeigen wird, müssen wir jetzt damit anfangen, denn sonst ist der Verlust der Artenvielfalt nicht aufzuhalten", sagte Brandenburgs Umweltminister Axel Vogel (Bündnis90/Grüne).

Um das Zwei-Prozent-Ziel zu erreichen, seien Flächen im Landeswald identifiziert worden, die zu Naturwaldentwicklungsflächen werden können. Große Potentiale für die Wildnisentwicklung biete zudem die Bergbaufolgelandschaft.

Doch es gibt auch Gegenwind. So waren Flächen im Spreewald vom Land als Wildnisgebiete vorgesehen. Dagegen gab es Widerstand aus Tourismus und Forstwirtschaft, eine Bürgerinitiative hatte sich gebildet, das Ansinnen wird vorerst nicht umgesetzt.

Wildkatze könnte sich in dem Gebiet niederlassen

Das nun erfolgreich vergrößerte Areal im Landkreis Teltow-Fläming liegt im Naturschutzgebiet Heidehof-Golmberg und beherbergt viele seltene Tierarten wie Ziegenmelker und Hirschkäfer, Nachtschwalbe, Wolf und Becherflechte, Heidelerche und Sumpfohreule. Auch die seit dem vergangenen Jahr im benachbarten Wildnisgebiet Jüterbog nachgewiesene Wildkatze könnte sich hier perspektivisch gut niederlassen.

Die zwei neu erworbenen Flächen sind frei von Straßen und Bebauung und nur von wenigen Forstwegen durchzogen. Stattdessen gibt es Kiefernwälder, steppenähnliche Landschaften mit Heide, Sanddünen, Trockenrasen und junge Birkenbestände.

Die Stiftung Naturlandschaften Brandenburg besitzt und verwaltet insgesamt über 14.350 Hektar Fläche auf den ehemaligen Truppenübungsplätzen Heidehof, Jüterbog (Teltow-Fläming) und Lieberose (Dahme-Spreewald) und Tangersdorf (Uckermark). Sie wurde im Jahr 2000 gegründet und ist nach eigenen Angaben eine der größten privaten Eigentümerinnen von Wildnisgebieten in Deutschland.

Förderungen aus dem "Wildnisfonds" bis Ende 2030 möglich

Das Förderprogramm "Wildnisfonds" wurde 2019 vom Bundesumweltministerium ins Leben gerufen. Im Jahr 2023 wurden daraus sieben Projekte mit einer Gesamtgröße von 1.051 Hektar mit mehr als 18 Millionen Euro gefördert. Davon entfallen allein rund 17,3 Millionen Euro auf Projekte in Brandenburg, wo vier der sieben geförderten Flächen liegen.

Eine Förderung über den "Wildnisfonds" ist noch bis zum 31.12.2030 möglich. Stiftungen und Naturschutzorganisationen können damit Wald-, Moor-, oder Auenflächen kaufen, die mindestens 500 Hektar groß sind und sich wild entwickeln sollen ohne Nutzung durch Menschen.

Mit Material von Alexander Goligowski

Sendung: Antenne Brandenburg, 22.05.2024, 6:30 Uhr

Beitrag von Michaela Grimm

28 Kommentare

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  1. 28.

    Meinen Sie solche Ranger?
    https://www.naturschutzfonds.de/natur-schuetzen/naturwacht-brandenburg
    Ach nein kann ja nicht sein. Dieser Naturschutzfonds sind ja exakt diejenigen die Blüte hier überheblicher- oder unwissenderweise als "Faulis" bezeichnet. Und wenn er es als Tatsachenbeschreibung bezeichnet wird es wohl stimmen.

    Thomas, Sie wissen sicherlich dass man bei Wildnis nicht in Grenzen eines ehemaligen Truppenübungsplatzes denken kann, sondern räumlich übergreifende Korridore im Blick hat, die mit menschlich gesetzten Grenzen möglichst wenig zu tun haben. Daher sind insbesondere die Randgebiete um die es hier geht hochinteressant. Dort ist Forst und Jagdbetrieb durchaus üblich.
    Welche wirtschaftliche Leistung solche Schutzgebiete bringen, ist Ihnen sicher bekannt. Manch anderer bräuchte wohl noch einiges an Aufklärung.

  2. 27.

    Wahrscheinlich Politik um die 2% Quote zu erreichen. Für den Kauf spräche die gesellschaftliche Kontrolle über das Land Brandenburg. Aber im Prinzip haben sie Recht. Ehemalige Truppenübungsplätze sind aufgrund ihrer Altlasten sowieso implizit "quasi Naturlanschaften". Die Eigentümer haben nicht das Geld für die Beräumung und können das Gebiet auch nicht anderweitig nutzen, wenn sie nicht lebensmüde sind.
    Inwieweit eine spätere "touristische" Nutzung mit dem Ziel einer "Natur"landschaft einhergeht, ist ja auch noch die Frage. Zumindest bräuchte es dann sowas wie Ranger, die den "Tourismus" flankieren. Und die damit einhergehenden Räumungskosten werden astronomisch hoch. Zumindest wenn man sorgfältig beräumt. Für die Unterpflanzung mit Laubbäumen wird man aus Sicherheitsgründen wahrscheinlich Drohnen einsetzen. Wie effizient das ist, großes Fragezeichen.
    Aber das Ziel der Renaturierung ist definitiv richtig und längst überfällig.

  3. 26.

    Ihre Ortsunkundigkeit sei verziehen, das andere nicht. Warum viel Geld für einen wertlosen Kauf? Das Gelände ist der Natur sowieso überlassen. Seit 34 Jahren.

    P.S. „Faulis“ geben viel Geld aus und rechtfertigen das Faulsein ist keine Provokation sondern eine Tatsachenbeschreibung. Das erklärt auch, warum abseits der großen Städte diese Leute „kein Bein auf die Erde kriegen“, also dort wo in der Freizeit Fleiß zu den Tugenden gehört.

  4. 25.

    Oh, Mist! Danke für die Info!
    Ich hatte es fast geahnt, aber noch gehofft ...
    Also wie schon geschrieben, hat der private Waldbesitzer zur richtigen Zeit gut verkauft.
    Da bleibt wohl nur noch Daumendrücken, dass dieses ,Unternehmen' gut geht bzw. kein ,warmer Abriss' kommt. ;-(

  5. 24.

    Unberührt? ja, aber nur beim Käferholz. Ansonsten liegen da mächtige Stromleitungen im Boden der Stiftungsfläche. Wozu eigentlich? Möchte die Stiftung natürlich nicht mitteilen.

  6. 23.

    ich wohne quasi direkt in der Nähe.... und ich finde das toll. bin da oft spazieren und finde es schön, wie die natur sich selbst erholt... wie sie wächst und alles natürlich sich verändert.

    *** ABER...

    das gebiet ist total munitionsverseucht. da liegen die granaten, Munitionen offen herum. da muss. man nicht gross suchen. wenn das alles einwächst,brauchen se sich nicht wundern, wenn im sommer nach selbstentzundung wieder alles abrennt und niemand das gebiet zum löschen betreten darf. haben wir ja in der JÜ heide als beispiel. dann war alles umsonst.

    PS. räumt bitte das gebiet ordentlich!!!

  7. 22.

    Unberührt ist gut. Bis zu den Motocross-Fahrern, die sich dort jedes Wochenende austoben, als ob es sonst nirgendwo Sand gäbe, hat sich das jedenfalls noch nicht herumgesprochen.

  8. 21.

    Entschädigungsfreie Enteignung ist in einem Rechtsstaat sehr schwer umsetzbar. Vor 35 Jahren ging das vielleicht noch.
    Daher ist kaufen die rechtlich sicherste Option.

    Zu Ihrem anderen Unsinn äußere ich mich nicht. Zu plumpe Provokation.

  9. 20.

    Feuer natürlich? Das mag es ab und zu irgendwo auf der Welt geben, bei uns ist es fast immer Brandstiftung, wenn auch fahrlässig

  10. 19.

    Find ich sehr gut und wichtig. Leider werden im Gegensatz dazu im Berliner Müggelwald gesunde Laubbäume in der Brutzeit von Vögeln gefällt. Keine Naturschützer zu sehen

  11. 18.

    von den Jägerin für die Fuchs- und Wolfsjagd;- und Logik - Wenn der Mensch die Natur total in Ruhe lässt, wie kann er dann beobachten wie ..... (besonders wo sich jetzt die Touris diese anschauen) ;-) Watson?

  12. 17.

    Weil ein Jahrzehnt nicht mal ansatzweise für die natürliche Renaturierung reicht und man diesen Prozess gezielt aber behutsam beschleunigen kann, denn schließlich existiert ja bereits ein Wald.
    Wir haben bereits so tief in die natürlichen Prozesse im Namen der „Kulturlandschaft“ eingegriffen, dass wir bestimmt nicht zuschauen werden, wenn Waldgebiete, egal welcher Ausprägung, insbesondere durch Brandstiftung abfackeln.

  13. 16.

    Nö, aber zwischen den Munitionshülsen wachsen die schönsten Pfifferlinge.
    Außerdem gab es am Golm Mitte der 80er Jahre einen großen Waldbrand und diese Mondlandschaft hilft sich seitdem schon selbst. Was die Größe solcher Flächen anbelangt, wird man nur auf ehemalige Truppenübungsplätze zurückgreifen können, wo sonst findet man Gebiete ohne Siedlungen und Straßen?

  14. 14.

    Das tun sie schon seit über 34 Jahren! So ganz ohne Geld. Denken Sie mal länger darüber nach...

    P.S. Solange kenne ich den ehemaligen Sperrbereich.

  15. 13.

    Ich finde es sehr gut, eine solche Fläche sich selbst zu überlassen. Es dürfte interessant sein zu beobachten, wie sich Tier- und Pflanzenwelt entwickeln. Übrigens: Ziegenmelker und Nachtschwalbe sind Bezeichnungen für die gleiche Art.

  16. 12.

    Hmmm, der RBB hätte sicher geschrieben, wenn das Gebiet vorher umfassend Geräumt, und Kontaminierte Böden abgetragen worden wären...

    Gehen sie also davon aus, das die Böden und das Grundwasser da weiterhin belastet sind, und sich eh nicht als Agrarfläche geeignet hätten. Offen sichtbare Munition wird aber sicher beseitigt worden sein!

  17. 11.

    Es ist doch wundervoll, dass Mensch so viel Geld in die Hand nimmt, um selbst nur faul zuzugucken, wie Flora und Fauna in dem gekauften Gebiet fleißig aktiv sein werden!

  18. 10.

    Genau. Vorher räumen, Schneisen (als Wanderwege) belassen, damit nicht alles wegbrennt wie auf der Düne bis Felgentreu nordwestlich davon. Ansonsten freut mich das, sehr gut!

  19. 9.

    Ich habe noch nie einen solchen Artikel gelesen der das Faulsein mit soviel Geld kombiniert. Und es gelinkt, das Nichtstun als moralisch wertvoll und vor allem nicht messbar (2% Ziel) auszugeben. Natürlich muss das Faulsein gefördert werden... am besten mit noch mehr Geld.

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