#Wiegehtesuns? | Café-Besitzerin muss schließen - "Ich kann ja einen schwarzen Kaffee nicht für sechs Euro verkaufen"

Do 26.10.23 | 15:15 Uhr
Portrait: Eva Rechau. (Quelle: rbb/privat)
Bild: rbb/privat

Mit ihrem veganen Café hat sich Eva Rechau aus Berlin-Kreuzberg vor zehn Jahren einen Traum erfüllt. Und tatsächlich lief es auch gut. Bis Corona kam. Jetzt schließt die Zweifach-Mutter ihren Laden. Traurig ist sie darüber - aber auch erleichtert.

In der Serie #Wiegehtesuns? erzählen Menschen, wie ihr Alltag gerade aussieht - persönlich, manchmal widersprüchlich und kontrovers. rbb|24 will damit Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.

Eva Rechau (40) ist in der Nähe von Bonn geboren und aufgewachsen. 2010 kam sie für ihr Masterstudium nach Berlin und blieb. 2013 hat sie in Berlin-Kreuzberg ein veganes Café eröffnet, das sie, obwohl es gut besucht ist, zum Jahresende schließen wird.

Seit ich mich entschlossen habe, mein Café zu schließen, empfinde ich eine große Erleichterung. Ich freue mich gerade darauf, das Jahr 2023 hinter mir lassen zu können und im nächsten Jahr neu zu starten.

2013 hatte ich die Idee, ein rein veganes Café zu eröffnen. Ich war kurz vorher selbst Veganerin geworden. Noch im selben Jahr habe ich in Berlin-Kreuzberg das "No Milk Today" eröffnet. Zu diesem Zeitpunkt fand ich, dass die Stadt gut noch ein veganes Café brauchen kann, denn damals war das ja noch gar nicht so Mainstream. Und obwohl mir viele geraten haben, es nicht als rein vegane Location zu eröffnen, lief das Café sehr schnell sehr gut.

Fünf Jahre später bin ich zum ersten Mal Mutter geworden. Mein Café lief erfolgreich weiter. 2022 bekam ich mein zweites Kind. Da der Vater meiner Kinder in diesem Jahr verstorben ist, bin ich inzwischen gänzlich alleinerziehend. Ich habe also innerhalb kürzester Zeit ein Kind bekommen und einen mir nahestehenden Menschen verloren. Das hat meinen Fokus auf das Leben sehr verschoben. Vielleicht fällt es mir deshalb leichter, mein Unternehmen jetzt zu verabschieden. Ich habe in den vergangenen Monaten gemerkt, was wirklich essenziell wichtig ist im Leben.

Seit ich mich entschlossen habe, das Café zu schließen, merke ich erst, wie belastend die Situation in den letzten Jahren war

Eva Rechau

 

Ich schließe mein Café vor allem, weil es sich nicht mehr rechnet. Es war so, dass 2020 durch die Corona-Krise alles anders wurde. Ich war damals aber total motiviert und hatte keinesfalls vor, aufzugeben. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch Rücklagen und sofort, wenn es möglich war, kamen die Stammgäste auch wieder. 2021 gab es dann auch noch einmal einen richtigen Aufwind. Die Menschen freuten sich total, dass das Café noch da ist. Da dachte ich, alles wird wieder richtig gut laufen. Doch so war es nicht.

Es hat sich einfach alles verändert. Den Personalmangel, den es jetzt beispielsweise gibt, kannte ich so vor Corona gar nicht. Vorher kamen fast jeden Tag Initiativbewerbungen von Menschen, die hier arbeiten wollten. Ich konnte mir mein Personal wirklich aussuchen. Doch inzwischen ist es extrem schwierig geworden, überhaupt Leute zu finden. Geschweige denn welche, die sich mit dem Café identifizieren oder die Lust haben, auch längerfristig zu bleiben. Ich konnte seit Corona kein stabiles Team mehr aufstellen. Das war das eine. Das andere war, dass die Kosten so explodiert sind. Alles ist teurer: Großhändler, Energiekosten und das Personal. Die Kosten sind so hoch, dass ich die Preise gar nicht passend dazu erhöhen konnte. Ich kann ja einen schwarzen Kaffee nicht für sechs Euro verkaufen. Das hat sich immer mehr zugespitzt. Und ich bin nicht bereit, weitere Kredite aufzunehmen.

Geholfen hätte mir, wenn ich mein stabiles Team aus der Vor-Corona-Zeit behalten hätte können und wenn die Kosten nicht so hochgeschnellt wären. Von Vorteil wäre auch gewesen, wenn ich persönlich mehr Energie und mehr Einsatzmöglichkeit gehabt hätte. Aber dadurch, dass ich jetzt mit zwei Kindern – von denen eines ein Baby ist – alleinerziehend bin, konnte ich ja gar nicht Tag und Nacht selbst hinter dem Tresen stehen.

Obwohl ich mich zur Schließung entschlossen habe, hänge ich sehr an meinem Ladenlokal. Aktuell hege ich den Plan, in den Räumlichkeiten ein anderes Konzept unterzubringen - allerdings nicht wieder eine Gastronomie. Was unsere Stammgäste vielleicht ein bisschen tröstet, ist, dass ich auch plane, ein Backbuch mit den "No Milk Today"-Rezepten zu veröffentlichen. Jetzt schaue ich aber erstmal, dass ich die Schließung Schritt für Schritt gut über die Bühne bringe und ich das Jahr mit halbwegs gutem Gefühl beenden kann.

Seit ich mich entschlossen habe, das Cafe zu schließen, merke ich erst, wie belastend die Situation in den letzten Jahren war. Ich hatte auch keine Minute Elternzeit, seit ich das Baby habe. Denn die ganze Verantwortung liegt ja ausschließlich auf meinen Schultern. Trotz der Herausforderungen der vergangenen Jahre blicke ich aber optimistisch in die Zukunft und freue mich auf das, was vor mir liegt.

 

Gesprächsprotokoll: Sabine Priess

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