#Wiegehtesuns? | Klima-Aktivistin - "Ich habe gar keine Freude dran, Staus zu verursachen"

So 01.01.23 | 14:34 Uhr
Lina Eichler, Aktivistin Letzte Generation, bei einer Straßenblockade (Quelle: E. Pscheidl-Jeschke)
Bild: Eckart Pscheidl-Jeschke

Lina, Aktivistin bei der "Letzten Generation", setzt sich vollständig für den Klimaschutz ein. Jetzt wird ihr und anderen die Bildung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen. Die 20-Jährige will trotzdem weitermachen - ein Gesprächsprotokoll.

In der Serie #Wiegehtesuns? erzählen Menschen, was sie gerade beschäftigt – persönlich, manchmal widersprüchlich und kontrovers. rbb|24 will damit Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.

Mahnwachen vor dem Kanzleramt, ein Hungerstreik und immer wieder Straßenblockaden, indem sie sich mit anderen Aktivist:innen auf der Fahrbahn anklebt. Mit solchen Protestaktionen des zivilen Ungehorsams will Lina Eichler auf die weltweite Klimakrise aufmerksam machen und für Veränderung sorgen. Im Januar 2022 hat sie erstmals auf rbb|24 ihre Geschichte erzählt. Da hatte sie sogar ihr Abitur abgebrochen. Jetzt zieht die 20-Jährige Zwischenbilanz.

Es war keine Entscheidung, bei der ich dachte: Ich habe jetzt Lust mein Abitur abzubrechen oder in den Hungerstreik zu treten oder jeden Tag auf der Straße zu kleben. Überhaupt nicht. Und ich würde mir total wünschen, dass ich das nicht machen müsste. Dass ich diese Entscheidung nicht hätte treffen müssen. Aber die aktuelle Situation ist einfach so, dass es total wichtig ist zu sagen, man tut etwas dagegen. Man tut etwas dagegen, dass man ausstirbt. Deswegen bereue ich meine Entscheidung nicht, auch wenn ich sie lieber nicht getroffen hätte. Es ist auf jeden Fall das Richtige.

Mir und anderen Menschen wurde die Bildung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen. Aufgrund dessen hat es Hausdurchsuchungen bei einigen Menschen gegeben. Die kamen um 6 Uhr morgens mit einem Beschluss, ohne Ankündigung, und haben dann mit Beamt:innen stundenlang die Wohnung durchsucht. Ich war zu dem Zeitpunkt nicht zu Hause, meine Mitbewohner aber. Dabei wurden auch Computer und Handys beschlagnahmt.

Es ist nicht schön, dass versucht wird, uns in die kriminelle Ecke zu schieben. Es war klar, dass die Regierung versuchen wird, uns mundtot zu machen. Ich frage mich, warum nicht endlich erkannt wird, wer die wahren Kriminellen sind. Nämlich die, die unsere Lebensgrundlagen zerstören. Und nicht die, die darauf aufmerksam machen wollen.

Ich denke, wenn ich dieses Risiko nicht eingehe, wenn ich nichts tue, dann habe ich keine Chance auf einen Job oder ein Leben auf diesem Planeten. Wenn wir diesen Widerstand nicht leisten, dann haben wir ein richtiges Problem in der Zukunft. Deswegen denke ich gerade nicht darüber nach, ob das in ein paar Jahren Auswirkungen auf meinen Job haben könnte.

Die Klimakatastrophe ist im vergangenen Jahr durch den Krieg und die Pandemie in den Hintergrund gerückt. Wir haben mit unseren Aktionen versucht, das wieder in den Vordergrund zu rücken, wieder auf die Agenda zu bringen. Und haben es auch geschafft. Durch die Protestaktionen der Letzten Generation wird wieder darüber gesprochen.

Wir wissen, dass die Leute genervt davon sind, dass wir sie stören. Das ist auch nichts, das wir gerne machen. Ich habe gar keine Freude dran, Staus zu verursachen. Das ist einfach das letzte Mittel, unsere letzte Möglichkeit jetzt gerade auf dieses große politische Versagen aufmerksam zu machen.

Es bringt nichts, wenn wir uns wie die ganzen letzten Jahre mal vor Politikergebäude hinsetzen, ne Mahnwache anmelden oder mit einer angemeldeten Demo durch die Innenstadt laufen. Das ist total berechenbar und übt keinen Druck aus. Deswegen kleben wir uns an die Straßen, weil das einfach mehr stört.

Ich wünsche mir, dass unser Protest noch mehr Erfolg erzielt. Und dass die Bundesregierung endlich unsere Lebensgrundlagen schützt. Ich wünsche mir, dass meine Freunde und Freundinnen nicht mehr ins Gefängnis gehen müssen. Dass ich mich nicht mehr auf die Straße kleben muss.

Nur weil die Regierung ihren Job nicht macht, unsere Lebensgrundlagen zu schützen, muss ich das alles tun. Obwohl sie laut Grundgesetz dazu verpflichtet ist.

Wir wissen jetzt schon wissenschaftlich, was auf uns zurollen wird. Eine riesige Katastrophe von Fluten und Feuern. Das sind Szenarien, vor denen ich einfach Angst habe. Ich habe Angst um meine Familie und Menschen, die ich liebhabe, vor den klaren Folgen der Klimakatastrophe, die uns alle treffen werden. Das ist nichts, was sich die Letzte Generation ausdenkt. Es ist einfach wissenschaftlicher Fakt. Ich möchte, dass man etwas gegen diese wissenschaftlichen Szenarien tut, die berechnet werden. Dagegen, wie die Welt aussieht, wenn es immer heißer wird und Kipppunkte erreicht sind.

Ich bin wütend darüber, dass wir solche Schritte gehen müssen, diesen friedlichen Widerstand leisten müssen. Das macht mich traurig, das macht mich verzweifelt. Deswegen motiviert es mich aber auch weiterzumachen. Weil wir sonst keine guten Überlebenschancen haben.

Gesprächsprotokoll: Nural Akbayir

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