#Wiegehtesuns? | Uckermärker über Berliner Zuzug - "Als Einheimischer hat man nur wenig Chance, an ein Haus im Dorf ranzukommen"

Sa 09.09.23 | 14:13 Uhr
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Lukas Stemwedel von Feuerwehr Uckermark im August 2023. (Quelle: privat)
Audio: Antenne Brandenburg | 09.09.2023 | Matti Zachrau | Bild: privat

Lukas Stemwedel ist in der Uckermark geboren und aufgewachsen. In seinem Dorf leben inzwischen auch viele Berliner, die teils nur am Wochenende da sind. Was bedeutet das für das Zusammenleben?

In der Serie #Wiegehtesuns? erzählen Menschen, wie ihr Alltag gerade aussieht - persönlich, manchmal widersprüchlich und kontrovers. rbb|24 will damit Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.

Lukas Stemwedel ist 25 Jahre alt und von Beruf Notfallsanitäter im Landkreis Uckermark. Er lebt in Klaushagen im Boitzenburger Land. Lukas Stemwedel ist in Brandenburg geboren und aufgewachsen. Er ist Ortswehrführer der dortigen freiwilligen Feuerwehr.

Wenn ich an meine Kinder- und Jugendzeit in Klaushagen denke, dann waren da noch sehr viel mehr ältere Einwohner präsent. Die haben viel mitbewirkt im Dorf. Dadurch war damals die ganze Vereinsarbeit deutlich ausgeprägter.

Insgesamt hatten die Menschen mehr miteinander zu tun. Das wurde über die Jahre immer weniger. Die alten Leute kamen ins Heim oder starben weg. Als ihre Häuser frei wurden, kamen viele Berliner. Einige von ihnen sind sesshaft geworden, es gibt aber auch viele, die nur am Wochenende da sind. Das macht sich im Dorfleben schon bemerkbar. Die Vereinsarbeit ist zunehmend schwieriger geworden - obwohl ein Großteil der Zugezogenen die Vereine als Mitglieder unterstützt. Die meisten davon sind aber nicht aktiv – und auch nur am Wochenende da. Das ist dann mehr eine Art finanzielle Unterstützung – was natürlich auch nicht verkehrt ist.

Was die Entwicklung aber auch noch mit sich bringt, ist, dass man als Einheimischer nur wenige Chancen hat, an ein Haus im Dorf ranzukommen, wenn eines frei wird. Wohnraum ist ja sehr teuer geworden – und für die Häuser bei uns im Dorf werden dann Summen aufgerufen, die kaum einer finanzieren kann. Aber dann kommt ein Berliner und kauft das Haus. Ich denke, das Verhältnis von Berlinern zu Einheimischen bei uns im Dorf könnte schon ungefähr bei 50:50 liegen. Es sind in den letzten Jahren erheblich mehr geworden.

Unterhalb der Woche ist allerdings tagsüber wirklich nicht viel los. Da läuft mal eine Katze über den Fußweg und das war's. Denn von den Alten, die mal Spazieren gegangen sind, gibt es ja auch nicht mehr viele. Und von den Einheimischen ist der Großteil der Bewohner auswärts arbeiten. Bei uns im Dorf gibt es so gut wie keine Arbeit.

Am Wochenende sieht das schon anders aus. Wenn die Einheimischen und die Berliner alle da sind. Das merkt man dann schon. Da gibt’s dann einfach solche und solche. Das gilt für Berliner und Einheimische. Manche Uckermärker haben schon auch komische Allüren.

Unterhalb der Woche ist tagsüber wirklich nicht viel los. Da läuft mal eine Katze über den Fußweg und das war's.

Lukas Stemwedel

Am Wochenende stehen dann deutlich mehr Autos mit B-Kennzeichen im Dorf. Die stehen dann mitunter auch mal extravagant mehr oder weniger mitten auf der Straße - zur Verkehrsberuhigung. Das gab es alles schon. Aber auch deswegen muss man nicht anecken. Denn es ist ja wichtig, dass wir versuchen, alle an einen Tisch zu kriegen. So sehen das auch unsere Vereine. Aber es ist manchmal schwierig. Denn es ist sicher etwas anderes, wenn man aus einer Großstadt wie Berlin auf so ein kleines Dorf auf dem Land kommt. Da hat man ja doch ganz unterschiedliche Gewohnheiten und Lebensweisen.

Insgesamt ist das Thema Nachwuchs aber eben ein schwieriges Thema im Dorf. Als ich im Kinder- und Jugendalter war, waren wir sechs bis acht Kinder im gleichen Alter. Mittlerweile gibt es kaum noch Kinder. Von den Berliner Familien sind dann am Wochenende schon welche da. Hier im Dorf gibt es die Feuerwehr, einen Sportverein, den Heimatbund und einen Angler-Verein. Aber da sieht es überall ähnlich aus. Hinzu kommt: Wer in einem Verein ist, ist in so gut wie allen anderen auch. Wir haben alle ungefähr den gleichen Altersschnitt der Mitglieder. Und da kommen kaum Aktive nach. Das geht dann jetzt vielleicht noch ein paar Jahre gut – aber da ist ein Ende abzusehen.

Damit wir im Dorf gut klarkommen, wäre es von Vorteil, nicht zwischen "Klaushagenern" und "Berlinern" zu differenzieren. Aber so ist es zur Zeit noch größtenteils. Wir sollten ein Dorf sein. Egal, ob einer aus Berlin oder Timbuktu kommt. Es gibt aber beispielsweise eine Chatgruppe für das Dorf, die "Nudeln und Buletten" heißt. Die Buletten sind die Berliner, die Nudeln die Uckermärker. Aber wenn man vernünftig klarkommen und ein Dorfleben miteinander realisieren will, halte ich das für keine gute Idee. Wenn man sich so voneinander abgrenzt, ist das schwierig.

Aber es ist eben die Aufgabe eines jeden selbst, sich da einzubringen. Da wäre Eigeninitiative gefragt. Man kann ja niemanden zwingen. Und das gilt für Berliner und für Einheimische.

Gesprächsprotokoll: Sabine Priess

Die Geschichte von Lukas Stemwedel ist Teil des rbb-Podcasts "Uckermarck Uncovered" [ardaudiothek.de], in dem es um Wunsch und Wirklichkeit auf dem Dorf geht. Die beiden Hosts Gesa Ufer und Holger Siemann erzählen in dem Podcast als Zugezogene, wie das Leben für ehemalige Großstädter in der Uckermark ist und erfahren von Nachbarn in Klaushagen, wie sie den Zuzug erleben.

Sendung: Antenne Brandenburg, 09.09.2023, 12:45

24 Kommentare

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  1. 24.

    Ja und das kann man auch niemanden vorwerfen. Aber solange das so ist, sollte man aufhören so zu tun, als würden die armen Uckermärker keine Häuser finden, weil die bösen Berliner ihnen die weg kaufen. Ihnen auch einen sonnigen Sonntag!

  2. 23.

    Joo, die Anmerkungen mit ostdeutscher Oma war etwas provokant.

    Aber am Ende sind wir ja wohl einer Meinung:
    Der Höchstbietende bekommt den Zuschlag und da nimmt keiner Rücksicht, ob Einheimischer oder Auswärtiger.

    Noch einen sonnigen Sonntag

  3. 22.

    Ihr Beispiel mit der ostdeutschen Oma, die dem Westdeutschen ihr Haus vererbt, der das dann teuer verkauft, bedient zwar ein weiteres beliebtes Feindbild in der Uckermark - schlimmer als Berliner sind ja nur noch die Westdeutschen -, funktioniert zumindest in unserem Dorf aber nicht: ALLE Häuser, die bei uns in den zurückliegenden vier, fünf Jahren verkauft wurden, wurden von alteingesessenen Einheimischen verkauft, weil die Besitzer ins Altersheim oder in eine altersgerechte Wohnung gewechselt bzw. verstorben sind und in diesem Fall die Erbengemeinschaft aus der näheren Umgebeung keine Verwendung für das Haus hatte oder ein kaufwilliger Erbe auf astronomische Preisvorstellungen seiner Miterben stieß. Interessant: Mit jedem Jahr stieg der Hauspreis für Häuser um ein X-Faches. Es tut mir leid, aber die einheimischen (übrigens: Ich bin in Prenzalu geboren und hier aufgewachsen) Hausverkäufer, sind nicht weniger ohne Skrupel als anderenorts - denen ist egal, wer ihre Fantasiepreise zahlt.

  4. 21.

    Gold, Beerdigung, Restaurantbesuch, Kino, Zahnersatz, Auto, Brot, Obst, Currywurst, Gemüse...waren zu Wendezeiten auch billiger. Das Angebot regelt die Nachfrage. Das ist Berlin nicht anders, Mitte der 90er kostete der m² Eigentumswohnung in Berlin zwischen 1.800,- und 2.500,-DM, je nach Lage. Wer hat die Preise denn jetzt so erhöht? Die Verkäufer aus der Uckermark? Nimmt man in Berlin darauf Rücksicht, ob sich jemand seine Zukunft aufbauen will und verkauft deshalb billiger? Nee, so ist es nicht, aber auch wenn die Bahn Verspätung hat, steigt aus jedem Zug ein Dummer aus und wedelt mit der prallen Brieftasche, wenn's ihm zu teuer ist, muss er nicht kaufen. Wenn er kauft, wird er glücklich oder eben nicht, dafür gibt der Verkäufer keine Garantie.

  5. 20.

    Machen Sie und die anderen hier doch einmal EHRLICH.
    Sie haben z.B. ein Haus in der Uckermark geerbt, zudem Sie keinen Bezug haben (Westdeutscher mit ostdeutscher Oma).
    Sie möchten dieses Haus nicht selber nutzen, sind in Berlin verwurzelt.
    Und nun?
    Verkaufen Sie dieses Haus nicht höchstbietend sondern denken an das Wohl der Einheimischen?

  6. 19.

    Nun ist es ja nicht so, dass Berliner herkommen und sagen: Macht mal Eure Häuser richtig teuer, damit nur wir sie uns leisten können. Wer sind eigentlich diejenigen, die ihre Häuser in den Dörfern der Uckermark zu Mondpreisen fernab jeden realen Werts verkaufen wollen? Es sind doch Einheimische, die für ihre Häuser, die zu Wendezeiten - wenn überhaupt - einige wenige tausend DM-kosteten, heute hunderttausende Euro fordern. Und dann ist es eben so, dass mitunter Dorfeinwohner leer ausgehen, weil ihre Nachbarn einen Reibach machen wollen, das auch wegen eines völlig außer Kontrolle geratenen Immobilienmarkt tun können und dann eben darauf pfeifen, ob ein Mit-Einheimischer sich mit dem eigenen Haus eine eigene Zukunft aufbaut. Am Ende zählt: Kasse machen!

  7. 18.

    Heute ein Artikel über N. Y. Wohnungsmangel und neues Gesetz gegen Air BnB Missbrauch. Ist in der Stadt wie auf dem Land. Ob man nun die Nur-WE-Nutzung untersagen/reglementieren könnte? Bürgerentscheid? Gemeinsame Lösungen wären schon gut!

    Insgesamt liegt es wohl am Wirtschaftssystem, das die Gemeinschaften aushöhlt.

  8. 17.

    Als Einheimischer haste in Berlin keine Chance eine Wohnung zu bekommen Zuviele Zuzüge aus anderen Bundesländern die den Preis kaputt machen ( fast alles zahlen ).

  9. 16.

    Das erinnert an die Situation in Berlin. Als Einheimische/r, keine Chance mehr auf eine Wohnung. Vielleicht besteht da ein Zusammenhang? Irgendwo muss man ja hin.

  10. 15.

    Die Probleme fangen dort an, wo Häuser gehortet werden, um Geld anzulegen. Häuser sind zum Wohnen da. Hier ist die Politik gefordert, damit Häuser für diejenigen zu kaufen sind, die darin sesshaft werden wollen.

  11. 14.

    Es wird keinen Einheimischen verboten dort ein Haus zu kaufen.
    Was soll diese Aussage.

  12. 13.

    Ich habe als Rückkehrer in mein Heimatdorf lange gesucht und auch bei hohen Preisen oft erfolglos mitgeboten. Wenn dann an Überbieter aus der Großstadt verkauft wird, stecken manchmal auch Feindseligkeiten unter Alteingesessenen dahinter.

  13. 12.

    Typisch deutsch. Die Zugezogenen sind Schuld. Er sagt selber es gibt keine Jobs in dem Dorf. Wie soll das dann funktionieren. Alternative wäre das Dorf ist um die Hälfte kleiner?

  14. 11.

    Man sollte nur verkaufen an Leute, die wirklich dort hinziehen wollen. Leute, die nur Häuser horten, sollte man nicht länger bevorzugen (nur weil sie mehr zahlen) gegenüber denen, die ein neues Zuhause suchen.

  15. 10.

    Nachbarn aus der Großstadt zu haben kann schon sehr speziell sein. Einige haben ihre eigenen Vorstellungen vom Zusammenleben. Sie errichten zunächst hohe Zäune um ihre Grundstücke. Mit Sauberkeit auf dem Gehweg, vor ihrem Grundstück haben sie rein gar nichts am Hut und gepflanzt wird was Spaß macht, auch Dann wenn die Wurzeln zum Nachbarn rüberwachsen, das Laub von den überhängenden Ästen beim Nachbarn landet. In der Stadt spielte das alles keine Rolle, da hat sich “Einer” gekümmert.

  16. 9.

    Meine Kinder haben sich vor 5Jahren ein Haus in Werder gekauft, war völlig unproblematisch und sie haben sogar Freunschaften geschlossen, stellen Sie sich das mal vor :-)))

  17. 8.

    Meiner Meinung nach ist das die logische Konsequenz aus dem Umstand, dass Berlin von Zugezogenen überschwemmt wird.
    In Berlin gibt es auch kaum noch ursprüngliche Berliner. Es wird überwiegend Hochdeutsch gesprochen oder inzwischen erwartet, dass man Englisch spricht.
    Die Berliner Kultur geht genauso kaputt wie das kulturelle Leben auf den Dörfern.
    Das wird nicht mehr umzukehren sein. Die Berliner werden aus den gleichen Gründen aus Berlin vertrieben, keine Chance auf bezahlbaren, lebenswerten Wohnraum. Das Berliner in andere Orte drängen und dort das gleiche Problem auslösen, wie sie selbst erfahren haben wird nicht mehr ändern lassen.
    Wer "vertrieben" wurde möchte oft seine neue Umgebung wieder so gestalten, wie er es gewohnt ist.

  18. 7.

    Deshalb ziehen sie ja weg. Die Eingewöhnung dauert manchmal ein bißchen, auch mit ordentlich grüßen, aber wer grüßt, hat schneller Kontakt und Kontakt ist wichtig auf dem Land. Anderes als in der Stadt, wo man kaum weiß, wer sein Nachbar ist. Ob der auf dem Land rechts- oder linksgestrickt ist, interessiert nicht- gibt ja eh keine Demo.
    Funktioniert schon, wenn man will und falls nach 22 Uhr noch die Box bei Nachbars dröhnt, muss man nicht die Polizei rufen, dann geht man einfach hin, sagt man kann nicht schlafen, dann kriegt man 'nen Schnaps, 'n Bier und 'nen Stuhl, ist mittendrin und gut is. Muss man eben mit leben lernen, dass die Uhr ab und zu mal stehenbleibt, ist ja nicht jede Woche so.

  19. 6.
    Antwort auf [Candy] vom 09.09.2023 um 17:08

    Falscher Ton. Der im Artikel ist besser. Die Berliner sind willkommen. Wir haben Platz und Flair. Vor allem die Kleinstädte rollen doch den roten Kiezteppich aus. Berlin ist zu doll verdichtet. Sie sind willkommen. Eigentlich überall.

  20. 5.
    Antwort auf [Candy] vom 09.09.2023 um 17:08

    Ich kann dir nur beipflichten.
    Wir hatten auch ewig ein Haus in der Uckermark gesucht.
    Waren auch einige günstige dabei.
    Aber zack, kam einer mit einer dicken Brieftasche (Barzahler oder Beamtenfamilie mit Kindern)daher und kaufte sich "unser" Häuschen um darin nur am Wochenende zu "wohnen".
    Irgendwann haben wir dann auch ein Haus gefunden und wohnen dauerhaft darin.
    So sollte es ja auch sein.
    Hoffentlich sterben die alten in unserem 50 Seelendorf nicht so schnell. Von denen kann man sehr viel lernen

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