BVV-Entscheidung - Von Dassel muss Amt als Bezirksbürgermeister von Mitte abgeben

Do 08.09.22 | 19:19 Uhr
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Stephan von Dassel (Bündnis 90/Die Grünen), Bezirksbürgermeister von Berlin Mitte, kommt zu einer Sondersitzung der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Mitte über seine Abwahl. (Quelle: dpa/Fabian Sommer)
Video: rbb24 Abendschau | 08.09.2022 | Bild: dpa/Fabian Sommer

Der Bezirksbürgermeister von Berlin-Mitte, Stephan von Dassel (Grüne), muss nach einer Stellenbesetzungsaffäre sein Amt abgeben. Die Bezirksverordnetenversammlung stimmte am Donnerstag für seine Abwahl.

Der Bezirksbürgermeister von Berlin-Mitte, Stephan von Dassel (Grüne), muss sein Amt abgeben. Das hat eine Abstimmung in der Bezirksverordnetenversammlung am Donnerstag ergeben.

Nach rbb-Informationen stimmten 43 Bezirksverordnete für die Abwahl, Gegenstimmen gab es nicht. Vier Bezirksverordnete enthielten sich. Damit wurde die nötige Zweidrittelmehrheit klar übertroffen. Von Dassels Aufgaben übernimmt zunächst sein bisheriger Stellvertreter Ephraim Gothe von der SPD.

Von Dassel geriet Mitte August unter Druck, nachdem sein Agieren in einem Verfahren zur Besetzung einer wichtigen Stelle im Bezirksamt durch Medienberichte bekannt worden war. Er soll versucht haben, einen bei der Stellenbesetzung unterlegenen Bewerber mit Hilfe einer Geldzahlung davon abzubringen, gegen die Entscheidung zu klagen.

Mehrheit deutete sich bereits bei erster Lesung an

Die Bezirksverordnetenversammlung hatte nach Bekanntwerden des Vorgangs ein Abwahlverfahren gegen den Grünen-Politiker eingeleitet, der seit 2016 im Amt gewesen ist. Bei einer ersten Lesung am 25. August hieß es aus allen Fraktionen außer der AfD, man habe das Vertrauen in den Bürgermeister verloren.

Von Dassel hatte zur Begründung seines Kontakts zu dem unterlegenen Bewerber gesagt, ihm sei es darum gegangen, die für den Bezirk wichtige Leitung des Steuerungsdienstes im Bezirksamt möglichst schnell zu besetzen. Nach eigener Darstellung verfolgte von Dassel zunächst die Idee eines "öffentlich-rechtlichen" außergerichtlichen Vergleichs - um einen langwierigen Rechtsstreit zu verhindern und die Stelle schnell besetzen zu können, wie er sagt.

Grüne forderten Rücktritt

In der BVV stieß sowohl die Idee eines privatrechtlichen Vergleichs auf Kritik als auch die Tatsache, dass die fragliche Stelle ein Grünen-Mitglied bekommen sollte, das von Dassel kannte. Der Linke-Fraktionsvorsitzende Sven Diedrich sprach von einem beispiellosen Vorgang in der Berliner Politik. "Dass ein Bezirksbürgermeister versucht, sich sein Spitzenpersonal zusammenzukaufen, ist einzigartig."

Auch Mitglieder anderer Parteien kritisierten das Vorgehen des 55-Jährigen scharf, seine eigene Partei forderte ihn zum Rücktritt auf. Von Dassel widersprach dem Vorhalt vehement und hatte einen Rücktritt seit Beginn der Vorwürfe abgelehnt.

Von Dassel: Disziplinarverfahren läuft weiter

Von Dassel sagte am Donnerstag, ihm bleibe nur, dem Kollegium des Bezirksamts viel Fortune zu wünschen und wandte sich dann an die Abgeordneten: "Ihnen kann ich nur sagen als Bezirksverordnete, seien Sie gnädig mit den BA-Mitgliedern, die in einer schwierigen Zeit immer vor Entscheidungen stehen, wo es kein einfaches Ja oder Nein gibt."

Vor Journalisten erklärte Dassel, das von ihm selbst angestrengte Disziplinarverfahren gegen ihn laufe weiter. "Das ist auch ein Grund, warum ich nicht zurücktreten konnte. Wenn ich zurückgetreten wäre, wäre es automatisch eingestellt worden", sagte er. Im Fall eines Rücktritts hätte er allerdings auch keinen Anspruch auf Ruhegehalt oder sonstige Versorgungsbezüge gehabt - anders als bei der Abwahl. Von Dassel zeigte sich zuversichtlich, dass er "von allen Vorwürfen reingewaschen" werde.

Zu seiner Zukunft sagte von Dassel nach seiner Abwahl: "Keine Ahnung. Man bleibt ja ein politischer Mensch." Und es gebe viele Aufgaben, auch ehrenamtlich oder wo man Mitarbeitende in der öffentlichen Verwaltung unterstützen könne. "Ich sehe mich da weiter in der Verpflichtung, die öffentliche Hand nach bestem Wissen und Gewissen zu unterstützen."

Sendung: rbb24 Abendschau, 07.09.22, 19:30 Uhr

44 Kommentare

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  1. 44.

    Na also, klappt doch mit dem bedingungslosen Grundeinkommen! :-)

    @Paulchen: Ich habe den Begriff, der übrigens auch im Duden steht, schon häufig gehört - vor allem von Fußballtrainern in Pressekonferenzen, wenn sie mangelndes Spielglück durch den Begriff "fehlende Fortune" bezeichnen.

  2. 43.

    Es ist schon ein tolles Ding, dass man nur bei einem Rauswurf seine Versorgungsbezüge erhält und nicht, wenn man freiwillig geht!

  3. 42.

    Die Revolution frisst ihre Kinder - fällt mir dazu nur ein.
    Ein Verfechter links-grüner „Lebensweise“, fernab jeglichen Bürgergedankes, ja, bürgerfeindlich, dogmatisch im Ansinnen, und uns seine grüne Welt aufzudrückend, stolpert über seine Selbstherrlichkeit, dem Gefühl, unantastbar zu sein, über seine Arroganz.
    Berlin-Mitte und seine Bürger werden aufatmen.
    Und: lass ihn sich seine Taschen noch einmal vollstrecken - nicht anderes ist man von der neueren Politikerkaste gewohnt.

  4. 41.

    Na ein unterlegener Bewerber ist derjenige, der im Bewerbungsverfahren nicht ausgewählt wurde, stattdessen wurde ein Mitglied des Kreisvorstands der Grünen in Mitte ausgewählt, das Stephan von Dassel persönlich kannte. Da der Vorstand nicht besonders groß ist lässt sich leicht herausfinden, wer das ist, ich glaube im Netz wurde er auch schon namentlich genannt.

  5. 40.

    "Fortune" wird seit Jahrhunderten in der deutschen Sprache verwendet und ist ein aus dem Französischen stammendes Lehnwort,

  6. 39.

    Nein, Politik ist kein Beruf sondern eine Berufung. Dass sich inzwischen eine Berufspolitikerkaste im System festgesetzt hat, ist der wesentliche Grund für die Entfremdung von Bürgern und Politik. Das Problem ist, dass die Verstrickungen inzwischen dermaßen eng sind, dass Quereinsteiger aus normalen Berufen gar keine Chance mehr auf höhere Posten haben und maximal als nützliches Arbeitsvieh gesehen werden, wenn nicht gleich als Quertreiber wieder rausgemobbt.

  7. 38.

    "Von Dassel sagte am Donnerstag, ihm bleibe nur, dem Kollegium des Bezirksamts viel FORTUNE zu wünschen..."
    Hab ich was verpasst??? Oder wann wurde das Wort "Glück" durch "Fortune" ersetzt??? Ist das schon wieder neu in der deutschen Sprache? Bitte um sachliche Aufklärung, nicht um "Shitstorm"... Ist ja auch "Neudeutsch"...

  8. 37.

    Das ist auch wirklich überfällig.

  9. 36.

    Da fehlt das zweite "soll" in ihrem Kommentar: Er **SOLL** mit Schmiergeld betrogen haben ...
    Da ist nämlich noch nichts bewiesen!

  10. 35.

    Ein politisches Amt auszuüben ist doch eine berufliche Tätigkeit. Dachten Sie ein Ehrenamt oder gar Hobby? Wenn Sie sich das so wenig anstrengend vorstellen, machen Sie doch einen solchen Job.

  11. 34.

    Ich verstehe nichts! Nirgends artikelnah eine Information, was ein "unterlegener Bewerber" ist, noch, um was für ein mysteriöses Bewerberauswahlverfahren es sich handeln soll und wie die Auswahlkritierien normalerweise denn bitte wären... Wo ist der überlegende Bewerber und gab es überhaupt mehrere Bewerber? Auch ist unklar, was das genau für eine Stelle sein soll..? Über was für Stellen hat er überhaupt Chef- und Entscheiderrolle?
    Hierzu werden Tratschvorkenntnisse voraus gesetzt.
    Trotz täglich Nachrichten schauen, Beruf, Studium und aller Motivation scheinen nur mich sämtlich News-fluten über diesen Fall völlig unverstanden sitzen? Ich verstehe nichts! Egal wo, dieser Fall wird überall auf mich inhaltlich leer, voller Behauptungen und Urteile, sowie Tratschvorwissen wirkend, veröffentlicht! Absolut ärgerlich.

  12. 33.

    Politik ist ein Beruf. Ich bin diese Art von Politik-Bashing leid. Vor allem weiss man nie, ob hier jemand mit reaktionär-autoritärer Agenda Volksreden "gegen die Politik" hält.

    Dassel muss gehen, weil er im jahrzehntelangen Politik-Verwaltungsbetrieb schliesslich dachte, er wisse besser was gut für den Bezirk, die Menschen usw. ist. Weshalb Stellenbesetzungen eben auch mal unter Umgehung der lästigen Vorschriften von statten gehen müssen. Gibts in allen Parteien. Und offenbar funktioniert das Parlament grundsätzlich, um solches schliesslich zu beenden. Wie immer Grund mal nachzuschauen, was vielleicht im Umfeld schief läuft. Wenn der Kollege auf so einen Trip kommt.

    Wüsste jetzt nicht, dass Handwerkerinnen, oder gelernte Gemüsehändler, Professorinnen, oder Kita-Erzieher grundsätzlich immun gegen die dunkle Seite der Macht wären.
    Gibt halt Parteien, in denen ist Amigo ziemlich üblich. Zwinker-Zwinker. Die zeigen vor allem immer auf "die Anderen" um selbst nicht aufzufliegen.

  13. 31.

    Von allzu großer Vorgefasstheit ist er nicht geprägt, was ja erst einmal etwas sehr Positives ist. Diese "Gabe" wird ihm auch in einem (kommenden) Ehrenamt zur Seite stehen. Allerdings hat das eben auch seine Schattenseite, wenn ein Mensch nicht um seine Grenze weiß: Da "wuchert" es dann rüber zu jenen Praktiken, die ihm politisch faktisch das Gnick brachen: Die eigenen Regeln für die allgemeingültigen zu erklären.

    Auch Bündnisgrüne sind nicht davor gefeit, ab und zu Fünfe grade sein zu lassen, wo dies definitiv mal nicht angebracht ist - sei es bei Bauanträgen in eigener Sache wie in Potsdam oder bei einer Personaleinstellung wie in Berlin-Mitte.

  14. 30.

    Sieh an; Sie können ja auch so denken wie ich. Aber; so geht das nicht weiter mit den glücklich machenden Hochlohnerwartungen bei "Rausschmiss". Das ist ja Bürgerausplünderei.

  15. 29.

    Fachkraft in einem tollen Handwerksberuf ist der ja nun nicht. Aber die verdreckten Grünanlagen mit reinigen wird der wohl können. Wir Bürger werden doch oft genug drangsaliert-bei jeder Kleinigkeit. Seit Schlesinger sind wir mal dran bis alles so ist wie es sein müsste in unserem Land. Sahra hat die richtigen Signale gegeben. Rechts und links interessiert mich ansonsten nicht. Aber Sahra und Oscar hätten unser Land nie so kaputt "geritten".

  16. 28.

    "Ich sehe mich da weiter in der Verpflichtung, die öffentliche Hand nach bestem Wissen und Gewissen zu unterstützen."
    Danke, darauf kann die Allgemeinheit gerne verzichten.
    Es war genug mit der von Ideologie geprägten Engstirnigkeit. Solche Umsympathen können gerne zu Hause anderen auf den Geist gehen.

  17. 26.

    Er hat nur sehr große Lobby Politik der Grünen gemacht mehr nicht. Dieser man hörte nie auf diese Position gehört. Jetzt müsste nur die Pension gestrichen werden. Kritik geäußert- soviel wie der Mann an Mist gemacht hat - soviel Kritik kann man gar nicht äußern

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