"Kein Plan für Zeit nach Abstimmung" - "Deutsche Wohnen & Co. enteignen" zeigt sich ein Jahr nach Volksentscheid enttäuscht

Di 27.09.22 | 09:11 Uhr
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Eine Frau unterschreibt bei der Demonstration gegen steigende Mieten vom Bündnis gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn für das Volksbegehren "Deutsche Wohnen & Co enteignen".(Quelle:dpa/C.Soeder)
Bild: dpa/C.Soeder

Nach dem Ja der Berliner für ihre Pläne hat sich bei den Organisatoren der Initiative "Deutsche Wohnen & Co. enteignen" Ernüchterung breitgemacht. In einer Kommission wird zäh um Details gerungen, die Initiative sieht aber auch eigene Fehler.

Ein Jahr nach dem Berliner Volksentscheid für die Enteignung großer Wohnungsunternehmen haben die Initiatoren ein kritisches Fazit gezogen. "Dem konkreten Ziel sind wir nicht wirklich näher gekommen", sagte der Sprecher der Initiative Deutsche Wohnen Co. enteignen" Rouzbeh Taheri dem "Tagesspiegel" [www.tagesspiegel.de] . Er sei enttäuscht, aber nicht verbittert.

Die Berlinerinnen und Berlin hatten sich am Wahltag vor einem Jahr in einem Volksentscheid mehrheitlich dafür ausgesprochen, gewinnorientierte Unternehmen mit mehr als 3.000 Wohnungen gegen Entschädigung zu enteignen. Seit April berät über das weitere Vorgehen eine Expertenkommission, der auch drei Vertreter der Enteignungsinitiative angehören.

Sprecher sieht sich in "babylonischer Gefangenschaft" und hat "keinerlei Hoffnung"

Taheri rechnet nach eigenen Angaben zwar mit einem Ergebnis. Er fügte aber hinzu: "Ich habe keinerlei Hoffnung, dass dieses Ergebnis umgesetzt wird." Sobald ein Kommissionsmitglied Zweifel daran äußere, dass es einen rechtskonformen Weg zur Enteignung gebe, werde sich die SPD der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey sperren.

Die Initiative habe den Fehler gemacht, keinen Plan für die Zeit nach der Abstimmung erarbeitet zu haben, sagte Taheri. Dafür hätten die Ressourcen gefehlt. Nun werde das Ergebnis mit der Kommission auf die lange Bank geschoben. "Fakt ist: Wir haben uns die Spielregeln aufdrücken lassen, statt sie selbst vorzugeben." Taheri sprach von einer Art babylonischer Gefangenschaft für die Initiative.

Sendung: rbb 88.8, 27.09.2022, 10:00 Uhr

26 Kommentare

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  1. 26.

    toberg:
    "Wenns da heißt "...gewinnorientierte Unternehmen mit mehr als 3.000 Wohnungen gegen Entschädigung zu enteignen.", meinen die ALLE Wohungsunternehmen, auch kommunale. Kommunale Wohnungsunternehmen sind so gesehen auch gewinnorientiert, aber eben nicht mit Maximalgewinn und anders als bei Aktienkonzerne verbleibt der kleine Gewinn im regionalen Wirtschaftskreislauf. So richtig weit gedacht war diese Aktion nie."

    Ist das wirklich so schwer zu verstehen? "Enteignen" bedeutet, vom Privateigentum in staatliches Eigentum überführen. Was bereit im kommunalem EIgentum ist, ist bereits im staatlichen Eigentum! Also, was soll Ihre Idee aus kommunalen Unternehmen durch Enteignung kommunale Unternehmen zu machen?

  2. 25.

    Günter Wildermann:
    "Es ist auch gut so. Eine Enteignung wäre auch nicht gut. Es ist eine sehr kleine Minderheit die sehr laut ist und aus dem Linken politischem Lager, sehr viel Unterstützung bekommt."

    Die Minderheit der Unterstützer "aus dem linken Lager" waren mehr als 50% der Wähler!

  3. 24.

    >"schließlich setzt die Verfassung, beziehungsweise das Grundgesetz verbindliche Grenzen."
    Aber wirklich! Da sind wir hier echt mal gut dran.
    Zumal ich den Sinn dieser Initiative nie nachvollziehen konnte. Wenns da heißt "...gewinnorientierte Unternehmen mit mehr als 3.000 Wohnungen gegen Entschädigung zu enteignen.", meinen die ALLE Wohungsunternehmen, auch kommunale. Kommunale Wohnungsunternehmen sind so gesehen auch gewinnorientiert, aber eben nicht mit Maximalgewinn und anders als bei Aktienkonzerne verbleibt der kleine Gewinn im regionalen Wirtschaftskreislauf. So richtig weit gedacht war diese Aktion nie.

  4. 23.

    Horst:
    "Vielleicht sollte man über Alternativen nachdenken. Wohneigentum ist z.B. eine gute Lösung, weil Wohnen nicht überall immer teurer wird. Es gibt Regionen im Süden von Berlin, da wird Wohnen sogar deutlich günstiger! Wer jetzt über Wohneigentum nachdenkt, für den gibt es gute Nachrichten: Nirgends gehen die Preise so stark zurück wie in Brandenburg."

    Es geht hier aber um Berlin! Und da ist Wohneigentum keine gute Lösung, weil für die überwiegende Mehrhiet unbezahlbar! Ihr "deutlich günstiger" ist für die überwiegende Mehrheit immernoch völlig unbezahlbar!

    Es muss eine höhere Quote von kommunalen und genossenschaftlichen Mietwohnungen geben! Nur so lässt sich das Wohnungs- und Mietenproblem lindern!

  5. 22.

    ZwischenDenWelten:
    "Ich dachte immer Volksentscheide wären in Berlin rechtlich bindend"

    Volksentscheide können nur rechtlich bindend sein, wenn sie auch rechtlich umsetzbar sind. Und das wird zur Zeit geprüft. Man kann z.B. per Landesvolksentscheid kein Bundesrecht außer Kraft setzen.

    ZwischenDenWelten:
    "aber möglicherweise gab es ja längst eine Abstimmung im Bundestag (so um 23 Uhr vor einem WM Spiel o.ä. mit nur 30 Abgeoirdneten), in welchem die Abgeschafft wurde, veröffentlicht in einer Fußnote auf einer augedruckten Kika-Webseite, und eingelagert im einem Aktenschrank, im Keller eines Rathauses (mit Kaputtem Licht, und kaputter Treppe), hinter einer Tür auf der steht: "Vorsicht, bissiger Leopard"…"

    Ich kan n SIe beruhigen! Ihre blühende Fantasie hat nichts mit der Realität zu tun!

  6. 21.

    Günther:
    "Das ist in Berlin doch üblich bei Volksentscheiden, siehe erfolgreicher Volksentscheid zum Weiterbetrieb von Tegel!"

    UNSINN!
    Berlin hatte bei Tegel nicht die (alleinige) Entscheidungskompetenz. Deshalb war der Volksentscheid rechtlich nicht umnsetzbar! Berlin kann nicht per Volksentscheid beschließen, dass Brandenburg und Bund dem Weiterbetrieb von Tegel zustimmen!

  7. 20.

    Enteignung geht nur Gaskonzernen. Wohnungen enteignen ist kein Staatsinteresse.

  8. 18.

    Dass die Ergebnisse von Volksentscheide die Politik nicht interessieren, hat man doch schon beim Nachtflugverbot für den BER erlebt. Da wurde das Ergebnis sogar vom Landtag "angenommen". Passiert ist bis heute nichts.

  9. 17.

    Herr Taheri, Sie und die Initiative sind nicht das Opfer!

    Das hätten Sie wohl gerne, damit Sie und die Initiative sich aus der Expertenkommission (ja, hier sitzen wirkliche Experten, ggf. qualmt Ihnen daher der Kopf, quasi vom sinkenden Schiff verdrücken können - obwohl das Schiff noch nicht untergegangen ist.

    Das ist pure Schwäche.

    „Wir haben uns die Spielregeln aufdrücken lassen, statt sie selbst vorzugeben." Taheri sprach von einer Art babylonischer Gefangenschaft für die Initiative.“

    Die Initiative bekommt nur genau das, was sie auch bewusst bestellt hat.

    Die Initiative hätte ja die Bürger über ein fertiges Gesetz abstimmen lassen können, das war der Initiative aber zu unbequem.

    Man entschied sich als linke Initiative aber für den gemütlicheren Weg, wo an Ständen der Initiative nachweislich teilweise mit Lügen („Miete wird sinken“) um Unterschriften geworben wurde.

    Hier verweise ich auf die günstigen Durchschnittsmieten von DW und Vonovia in Berlin.


  10. 15.

    Vielleicht mal über Alternativen nachdenken: Eine aktuelle Studie belegt, dass in zahlreichen Städten die Immobilienpreise seit Jahresanfang deutlich gesunken sind, in Berlin leider nicht. Nirgends sind die Preise so stark zurück wie in Brandenburg. Also wer ein bisschen raus ins Ländlichere ziehen kann und will, der bekommt Immobilien jetzt so günstig wie lange nicht. Am stärksten gefallen sind die Preise laut Immobilienportalen im Brandenburger Kreis Oberspreewald-Lausitz. Von Januar bis Juli brachen die Preise für Eigentumswohnungen dort um mehr als 30 Prozent ein. Selbst in Potsdam sind die Preise um 8,3 Prozent gefallen.
    Also Koffer packen und auf nach Brandenburg! Ist besser als hier weiter von Enteignung zu träumen.

  11. 14.

    Die Initiative ist doch selbst Schuld.

    Zu einem Volksbegehren gehört ein ausgearbeiteter Gesetzentwurf, der mit einer Begründung einschließlich einer Darstellung der finanziellen Auswirkungen versehen sein kann.

    Dieser Gesetzentwurf wurde nie vorgelegt. Somit ist der Senat auch nicht gebunden irgendetwas umzusetzen.

    Da eine Enteignung in dem Umfang verfassungswidrig ist konnte auch kein Entwurf vorgelegt werden. Die ganze Veranstaltung ist rein ideologisch.

  12. 13.

    Ein weiteres Beispiel dafür, wie demokratische Entscheidungen ignoriert werden...

  13. 12.

    Es ist auch gut so. Eine Enteignung wäre auch nicht gut. Es ist eine sehr kleine Minderheit die sehr laut ist und aus dem Linken politischem Lager, sehr viel Unterstützung bekommt.
    Viele sind " Berufs-Demonstranten " und demonstrieren für alles mögliche, sei das das sogenannte Tempelhofer Feld ( Keine Bebauung ), Fahrradwege. Autofreie Stadt, keine Stadtautobahn etc.
    Das die gerade in Berlin Gehör finden, darf nicht verwundern, weil diese Stadt sehr viele Arbeitsverweigerer, eine Heimat bietet. Deutschlandweit, würde dieses Klientel nie eine Mehrheit finden.

  14. 11.

    Tja wenn man keinen Plan hat ... dann einfach vergessen diesen ganzen Blödsinn .Außer Spesen nix gewesen .

  15. 10.

    Ein Lehrstück für die Zukunft, nicht alles was von Wählern gewollt wird, kann in einem EU - Staat mir nichts dir nichts umgesetzt werden, schließlich setzt die Verfassung, beziehungsweise das Grundgesetz verbindliche Grenzen.

  16. 9.

    Wunder dauern bekanntlich immer etwas länger.
    .
    .
    Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt .

  17. 8.

    >"Wenn die Aktienkurse der Immobilienunternehmen weiterhin ins bodenlose fallen"
    Ja ja, fallen die ins bodenlose? Wäre mir neu... die fallen allenfalls ein bissl, wenn die Zinsen steigen. Aber bodenlos garantiert nicht. Denn egal welche Kriesen kommen: Immobilien sind nie wertlos. Das beweist ein Blick in die Geschichte der Finanzkriesen.

  18. 7.

    Also eigentlich war der Entscheid nur das Ergebnis einer riesigen Mobilisierungs- und Marketingkampagne, nicht aber einer transparenten und langfristigen politischen Planung. Das hätte man sich eigentlich denken können. jetzt sitzt man im Schlamassel enttäuschter Erwartungen (die niemals hätten erfüllt werden können). Bravo an die Organisatoren.

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