Vor dem CDU-Bundesparteitag - Merz und die Ost-CDU: Zwischen Hoffen und Fremdeln

Fr 09.09.22 | 05:55 Uhr | Von Thomas Bittner
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Friedrich Merz, CDU Bundesvorsitzender, spricht zu Beginn der Sitzung des CDU Bundesvorstands. (Quelle: dpa/Michael Kappeler)
Audio: rbb24 | Fr 09.09.22 | Bild: dpa/Michael Kappeler

In Hannover trifft sich die CDU zum Präsenzparteitag, um über die inhaltliche Ausrichtung der Partei zu debattieren. Im Osten gibt es sehr unterschiedliche Erwartungen, wie die Zukunft der Partei aussehen soll. Von Thomas Bittner

Als Friedrich Merz Anfang des Jahres zum CDU-Vorsitzenden gewählt wurde, habe man ihn in der Partei "idealisiert", sagt Sabine Buder. Doch die Erwartungen haben sich kaum erfüllt, meint die 38-Jährige heute. Buder gehört als CDU-Mitglied nicht zum Parteiestablishment, aber sie war schon immer ambitioniert. Als Kind wollte sie "nie Prinzessin werden, sondern immer schon Tierärztin und später Landwirtschaftsministerin", schreibt die Biesenthalerin auf Facebook.

Gescheitert am Kreisvorstand

Letztes Jahr wollte sie politisch durchstarten. Erst mit einer Bundestagskandidatur, die scheiterte am schlechten Wahlergebnis der Partei, nicht an ihrem Erfolg vor Ort. Dann mit dem Angebot, selbst Parteivorsitzende zu werden. Damit scheiterte sie am eigenen Kreisvorstand. Zuviel Erneuerung wollten die Christdemokraten dann doch nicht.

In die Mitgliederbefragung gingen drei Männer aus dem Westen. Friedrich Merz machte das Rennen. Beim Bundesparteitag Anfang des Jahres wurde er mit 95 Prozent gewählt. Er war Hoffnungsträger für alle, die einen starken Oppositionsführer im Bund suchten. Auch Sabine Buder unterstützte ihn. Aber ihr Kindertraum vom Ministerinjob ist in weite Ferne gerückt. Sie wurde stattdessen im Juni Geschäftsführerin des "Forum Natur", ist jetzt Lobbyistin Brandenburger Landnutzer. Nach dem Wechsel in der Parteispitze sei zu wenig geschehen, der Rest der CDU ist heut der gleiche wie vor einem Jahr.

Widersprüche zwischen Merz und Ost-CDU

Zwar ist der im Osten aufgewachsene Mario Czaja jetzt Generalsekretär, aber besondere Impulse kommen von ihm nicht aus dem Konrad-Adenauer-Haus. Neben Friedrich Merz etablierte sich kaum ein Unionspolitiker als Oppositions-Experte. Kein gutes Zwischenzeugnis für den Bundesparteitag in Hannover, auf dem sich die Christdemokraten am Freitag und Samstag inhaltlich profilieren wollen. Brandenburgs CDU-Fraktionschef Jan Redmann, Mitglied im CDU-Bundesvorstand, sieht das anders.

Friedrich Merz sei es gelungen, die Union zu konsolidieren. "Das ist, glaube ich, ein ziemlicher Erfolg in der relativ kurzen Zeit." sagt Redmann im rbb. "Die Union hat sich als eine konstruktive Oppositionskraft im Bundestag etabliert." Schaut man genauer hin, offenbaren sich aber auch Widersprüche zwischen der Ost-CDU und dem Sauerländer Friedrich Merz.

Als Transatlantiker steht Merz klar gegen Putin, fordert mehr Unterstützung für die Ukraine, hält die Sanktionen für richtig. Offen widerspricht er dem sächsischen Ministerpräsident Michael Kretschmer, der die Russland-Sanktionen kritisiert. Merz nennt das eine "etwas naive Haltung". Rohöl aus Russland dürfe nicht mehr fließen, für die PCK-Raffinerie in Schwedt solle nach alternativen Quellen gesucht werden. Der Brandenburger CDU-Fraktionschef schlussfolgert dagegen: "Ohne Versorgungssicherheit und Arbeitsplatzgarantie darf es kein Embargo für Pipeline-Öl ab dem 01. Januar 2023 geben."

Nicht zu heftig gegen Grüne profilieren

Redmann sieht die Aufgabe der CDU und von Friedrich Merz im Entwickeln von Konzepten, die weiter in die Zukunft weisen. Man dürfe mit Energiepolitik nicht nur über den nächsten Winter kommen, sondern für die nächsten zehn oder zwanzig Jahre denken. Doch ausgerechnet der Energie-Leitantrag zum Parteitag konzentriert sich auch wieder nur auf die akute Energiepreiskrise: Preisdeckel für Strom und Gas, Kündigungsmoratorium für Verträge, Handwerker-Gutscheine für eingesparte Energie.

Dazu kommt: Anders als Merz im Bundestag kann sich die Brandenburger CDU im Landtag nicht zu heftig gegen die Grünen profilieren, denn die Partei von Bundeswirtschaftsminister Habeck regiert im Potsdamer Kenia-Bündnis zusammen mit den Christdemokraten.

"Deutlich bürgerliche Ausrichtung" gefordert

Friedrich Merz war ein Hoffnungsträger für alle, die weg von der Merkel-CDU wollten. Die CDU-Wirtschaftspolitikerin Saskia Ludwig, die schon länger ein konservativeres Profil der CDU anstrebt, sagt im rbb: "Ich habe große Erwartungen an den Parteitag. Ich hoffe auch, dass wir eine deutlich bürgerlichere Ausrichtung bekommen." Ein größerer Fokus auf Familie und Marktwirtschaft sei nötig. Die Partei solle klarer Stellung beziehen, zum Beispiel in der Gender-Debatte. Wähler gewinne man zurück, indem man ein gutes bürgerliches Angebot mache.

Ob der Parteitag in Hannover da ein klares Zeichen setzt, ist nicht sicher. Ausgerechnet Friedrich Merz unterstützt die Forderung nach einer Frauenquote, das war lange Zeit ein Tabu für Konservative. Nun gibt es in der Partei Sorgen, dass die Diskussion am Freitagabend die inhaltlich drängenden Themen wie Energie und Krieg überlagern könnte. Wirtschaftsflügel und Junge Union lehnen eine Quote ab. Um den Gegnern entgegenzukommen, hat Parteichef Friedrich Merz eine zeitliche Befristung bis Ende 2029 vorgeschlagen. Sollte er damit scheitern, würde das auch seinem Ruf als durchsetzungsfähigem Oppositionsführer schaden.

Für Tierärztin Sabine Buder ist die Parteispitze weit weg. CDU-Frau ist sie nur noch in der Lokalpolitik. Als Fraktionsvorsitzende in der Stadtverordnetenversammlung Biesenthal. Und wenn es sein muss, ruft sie auch schon mal zur Wahl einer Bürgermeisterkandidatin von BVB/Freie Wähler auf, so wie im Juni für Bernau. Die CDU hatte dort keine Kandidatin aufgestellt.

Sendung: rbb24 Inforadio, 09.09.2022, 10:00 Uhr

Beitrag von Thomas Bittner

23 Kommentare

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  1. 23.

    Vor wem schützen? Vor den USA, die hier im Land mit Atomwaffen rumlungern, oder von Ramstein aus ihre Drohnen bedienen und dabei immer wieder zivile Opfer fordern?

  2. 22.

    Herr Merz zieht ja ganz schön vom Leder. Vielleicht sollte er sich erst mal in seinem Tonfall sortieren. Er sollte mal das DIW besuchen, daher kam auch eine interessante Einschätzung zur Lage. Zumindest wird da nicht rumgebrüllt. Sondern man bleibt sachlich!
    Die Frauen waren ja ganz schön aufgebracht, ich habe nicht alles gehört, aber da heißt es wohl mal, starke Männer, räumt erst mal bei euch auf. Die eben verstorbene Frau Dagmar Schipanski hatte ja wirklich noch noch Format!

  3. 21.

    1. Werde ich bestimmt nicht in die Bundeswehr aufgenommen werden.
    2. Will ich auch nicht.

  4. 20.

    Ich weiß ja nicht ob die NRW-/Bundes-CDU es gemerkt hat, aber das Ende der an sozialem Konsens (mit der SPD) orientierten Merkel-Ära/Politik brachte der Partei 2021 das schlechteste Wahlergebnis ihrer Geschichte.
    Die Partei hat sich nach 16 Jahren einfach verkalkuliert. (Schade dass sie nicht Juniorpartner wurde)
    Leistungen muss man halt auch kommunizieren können. #Machterhalt
    Und ein langfristiger Zukunftsplan wäre auch wünschenswert.

  5. 19.

    Black Rock und Friedrich Merz, einfach mal selber recherchieren....und mal wieder klar denken lernen. Alles fing mit Armin Laschets Lacher im Ahrtal an....

  6. 17.

    Ich habe gelernt, deshalb traue ich keinen dieser Politiker. Herr Merz als Millionär kann große Reden schwingen. Ich gönne ihm sein Geld, aber mit den kleinen Leuten hat er nichts gemein und will dann uns sagen, wo wir zu sparen haben. Nein Danke. Ein sehr unsympathischer Mann.

  7. 15.

    Thematisiert meine ich damit die Herausforderung eines Selbstdenkens und einer bloßen Anhängerschaft. Mit bloßer Masse, wie sie im einen der beiden Deutschländer auch so bezeichnet wurde, ist auf Dauer weder eine Organisation noch ein Staat zu machen.

  8. 14.

    Die cdu sollte endlich eingestehen, daß unter Führung Angela Merkel in 16 Jahren einige Fehler unterlaufen sind! Einsicht ist der erste Weg zur Besserung.

  9. 13.

    Nach über 30 Jahren müsste aber jeder aus den neuen Bundesländern gelernt haben, was auf Versprechen der Parteien und deren Politiker zu geben ist..,,,,,nämlich nichts!

  10. 11.

    "Wer die Regierung erringt, war unausgesprochener König" - Ein riesiger Vorteil einer Demokratie ist... ? Der Wechsel von Zeit zu Zeit.

  11. 10.

    Die SPD war und ist sich uneins.
    Der Preis von Koalitionen und Koalitionsbrüchen ist zuweilen ungeheuer hoch und so gibt es quasi eine Eigendynamik, dass dieser Preis im übertragenen Sinne irgendwann ein unermessliches Niveau erreicht - gleich schon, wer mit wem koaliert.
    Das andere ist die innere Gespaltenheit, gleich mit wem / unter wem die SPD sonst noch regiert:

    Auf der einen Seite die Pragmatiker, zuvor als "Kanalarbeiter" bezeichnet, auf der anderen Seite Menschen aus dem universitären Milieu, die auf wesentlichere Veränderungen aus sind.

    Jz. lang wurde das zeitlich so gelöst, dass debattiert wurde, bis die Erstgenannten irgendwann nach Hause gingen und dann Beschlüsse gefasst wurden. Sie waren allerdings das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben standen. Ab einem bestimmten Punkt geht das nicht mehr und wird nur durch einen Wahlerfolg lediglich überdeckt.

    Die CDU hatte jz. lang dieses Problem nicht. Wer die Regierung erringt, war unausgesprochener König.

  12. 9.

    Es gibt aber einen Unterschied zwischen CDU/CSU und den Genossen rund um Gas-Gerd; Politiker wie Söder haben aktiv die Energiewende torpediert, zeigen heute aber in jedem Bierzelt auf die Ampel als ob die das hätte in den paar Monaten Regierungszeit richten können, was z.B. der bayrische Finanzminister2014 angerichtet hat:
    https://www.zeit.de/wirtschaft/2015-04/markus-soeder-bayern-stromstrassen-klage
    Der steht dabei übrigens in Opposition zum bayrischen Umweltminister, dem der Atomausstieg nicht schnell genug ging;
    https://www.sueddeutsche.de/bayern/atomstreit-in-der-koalition-soeder-droht-mit-ruecktritt-1.1101971
    Beiden gemeinsam ist die Angst, wegen der blockierten Energiewende im Dunkeln zu sitzen und werden von Merz sekundiert. So feist populistisch ist sonst üblicherweise nur die linke AfD. Das zeugt von der Angst, dass der Wähler die (Nicht)-Taten doch nicht vergessen haben könnte.

  13. 8.

    16 Jahre Merkel(CDU) ja, aber es wird vergessen, das die SPD den Kurs der CDU unterstützt hat. Die CDU ohne SPD hätte den Weg nicht allein gehen können.

  14. 7.

    Dass sich jemand gegen die Grünen profiliert ist bitter notwendig. Aber bitte nicht die CDU, eher eine linksliberale Partei.

  15. 6.

    Man hat den Eindruck, dass das Einfache dann doch nicht so leicht zu machen ist. Aber wenn die innere Einstellung stimmt, wird es was und guckt in die Zukunft. Der FDP hat ja ihre Konstruktivität auch sehr genutzt und sie regiert mit.
    Hier ein paar Themen:
    "Zufallsgewinne" vermeiden und das Geld gleich beim Bürger lassen...
    Gleiche Chancen und Bezahlung...

  16. 5.
    Antwort auf [(Nicht ganz so) stiller Leser ] vom 09.09.2022 um 08:07

    Die Auffassungen zum Kriegstyrannen Putin unterscheiden sich augenscheinlich weiterhin deutlich zwischen dem "Westen" und dem "Osten". Gerade Kretschmer hat sich trotz warnender Stimmen aus der eigenen Partei immer wieder bei Putin angebiedert und sich z.B. im Frühjahr 2021 bei seiner Moskau-Reise instrumentalisieren lassen. Ansonsten hält ja fast nur noch die linke AfD so offensichtlich treu zu Moskau.

  17. 4.

    Die Buntheit im Bundesrat, d. h. die sehr breite parteiische Zusammensetzung bei den 16 Landesregierungen, macht eine Schärfe der Rhetorik tendenziell zu einem Theaterstück. Davon gab es vorgestern wieder eine Neuaufführung.





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