Ergebnisse einer Bertelsmann-Studie - In Brandenburg und Berlin fehlen 20.000 Kitaplätze und 35.000 Fachkräfte

Do 20.10.22 | 08:27 Uhr
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Symbolbild:Kinder spielen draußen in einer Kindertagesstätte.(Quelle:dpa/R.Vennenbernd)
Audio: rbb24 Inforadio | 20.10.2022 | Patrik Buchmüller | Bild: dpa/R.Vennenbernd

Auch im nächsten Jahr fehlen in der Region tausende Kitaplätze. Zudem müssten viele tausend Pädagogen eingestellt werden, um dem Bedarf gerecht zu werden, geht aus einer Studie hervor. In Brandenburg ist demnach die Lage noch prekärer als in Berlin.

In Berlin und Brandenburg fehlen nach wie vor tausende Kita-Plätze und zigtausende pädagogische Fachkräfte. Das geht aus einer Studie der Bertelsmann-Stiftung hervor, die am Donnerstag veröffentlicht worden ist.

Der Studie zufolge fehlen in Berlin trotz des massiven Kita-Ausbaus im nächsten Jahr rund 17.000 Kita-Plätze. Um den Betreuungsbedarf zu decken, müssten weitere 3.800 Fachkräfte eingestellt werden, wie aus dem Ländermonitoring Frühkindliche Bildungssysteme Stiftung hervorgeht. Dadurch entstünden zusätzliche Personalkosten von rund 174 Millionen Euro jährlich. Betriebs- und mögliche Baukosten für die neuen Kita-Plätze kämen hinzu.

In Brandenburg fehlen demnach im nächsten Jahr bis zu 2.900 Kita-Plätze. Die dafür erforderlichen 550 Fachkräfte ließen sich mit intensiven Anstrengungen bis 2023 möglicherweise gewinnen, wie aus dem Ländermonitoring hervorgeht. Demnach entstünden dadurch zusätzliche Personalkosten von 26,3 Millionen Euro jährlich, zuzüglich Betriebs- und mögliche Baukosten für die neuen Kita-Plätze.

Berlin will Kita-Plätze auf 200.000 aufstocken

In Berlin seien die Kita-Plätze momentan zu knapp 95 Prozent ausgelastet, teilte die Bildungsverwaltung am Donnerstag mit. Aus ihren Daten ergebe sich, dass rechnerisch rund 9.000 Plätze unbesetzt seien. Rund 8.000 müssten demnach für das neue Jahr geschaffen werden, gemessen an der Prognose der Bertelsmann-Stiftung.

Das Angebot werde kontinuierlich ausgebaut. Ziel sei es, die derzeit 182.000 Plätze um weitere 18.000 bis 2025/26 in Berlin auszubauen. Laut dem Landeselternausschuss Kita finden immer wieder Eltern keine Kita-Plätze, trotz bis zu 30 Bewerbungen. In manchen Regionen sei die Suche schwieriger als in anderen. Offen ist aus seiner Sicht, ob es für die freien Kita-Plätze die nötigen Erzieherinnen gibt.

Personalschlüssel in Brandenburg noch ungünstiger als in Berlin

Doch fehlende Plätze sind in beiden Bundesländern nicht das einzige Problem. Korrekturbedarf gibt es auch bei der Betreuungsabdeckung. Laut Studie werden 77 Prozent der Kita-Kinder in Berlin in Gruppen betreut, deren Personalausstattung nicht kindgerecht ist - bundesweit liegt der Wert bei 68 Prozent. In den Krippengruppen liegt der Personalschlüssel bei 1 zu 5,1. Das bedeutet, dass eine Kita-Kraft in Vollzeit für mehr als fünf Kinder verantwortlich ist. Das sei deutlich ungünstiger als der Bundeswert von 1 zu 3,9 und verfehle auch das von der Bertelsmann-Stiftung empfohlene Verhältnis von 1 zu 3.

In den Berliner Kindergartengruppen sei der Personalschlüssel mit 1 zu 7,7 besser als der Bundeswert von 1 zu 8,4 und nah an dem empfohlenen Wert der Stiftung (1 zu 7,5). Um die empfohlene Betreuung zu gewährleisten, seien zusätzlich zu den 3.800 Kräften für die fehlenden Kita-Plätze weitere 20.400 Kräfte nötig. Die entstehenden zusätzlichen Personalkosten für alle 24.200 Fachkräfte bezifferte Bertelsmann auf rund 1,1 Milliarden Euro jährlich.

In Brandenburg ist die Betreuungssituation noch ungünstiger: Laut Studie werden hier 86 Prozent der Kita-Kinder in Gruppen betreut, deren Personalausstattung nicht kindgerecht ist. In den Krippengruppen liegt der Personalschlüssel bei 1 zu 5,1. In den Kindergartengruppen sei der Personalschlüssel mit 1 zu 9,6 ebenfalls deutlich ungünstiger als der Bundeswert. Neben den 550 Kräften für die fehlenden Kita-Plätze seien hier weitere 10.950 Kräfte nötig, so die Studie. Die für alle 11.500 Kräfte entstehenden zusätzlichen Personalkosten bezifferte die Studie auf über 550 Millionen Euro jährlich.

Forderung nach politischen Reformen

"Die größte Hürde auf dem Weg zu genügend Plätzen sowie kindgerechten Personalschlüsseln in den Kitas bleibt der Fachkräftemangel", sagt Kathrin Bock-Famulla, Expertin für frühkindliche Bildung der Bertelsmann-Stiftung. Das aktuelle Ländermonitoring zeige, dass auch im nächsten Jahr in Berlin viele Familien Schwierigkeiten bei der Betreuung ihrer Kinder haben werden: "Schon das fehlende Personal für den notwendigen Platzausbau ist bis 2023 nicht zu gewinnen und zu qualifizieren."

An die Brandenburger Landesregierung appellierte Bock-Famulla, es brauche dringend gesetzliche Reformen, um die Voraussetzungen für die Einstellung von mehr Personal in den Kitas zu schaffen. Das neue Kita-Qualitätsgesetz sehe vor, dass der Bund 2023 und 2024 jeweils bis zu zwei Milliarden Euro für die frühkindliche Bildung in allen Bundesländern bereitstellt. Diese Bundesmittel sollten vor allem für eine bessere Personalausstattung verwendet werden.

Sendung: rbb24 Inforadio, 20.10.2022, 8:00 Uhr

37 Kommentare

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  1. 37.

    Zur Info: Im Grundgesetz Artikel 6, Absatz 2 steht: "Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche RECHT der ELTERN und die ZUVÖRDERST IHNEN OBLIEGENDE PFLICHT."
    (zuvörderst bedeutet zuerst)

  2. 36.

    Das sehe ich genauso. Ich habe immer für einen Kitaplatz meines Sohnes bezahlt - von 1996 - 2001. Dann war er 11 Jahre alt und wurde aus dem Kitalsystem "entlassen". Als Alleinerziehende war mein Betrag sicherlich geringer als bei 2 Verdienern, aber die Kitagebühren waren eben an das Einkommen gekoppelt. Ich fand das damals ganz normal und auch gerecht. Warum erwarte ich Top Dienstleistung, für die ich nichts bezahlen muss. Das habe ich noch nie verstanden!

  3. 35.

    Lieber Holger, sind sie Arbeitgeber? Erklären sie das mal den Führungskräften. Da geht es nämlich schon los. Achja, was machen wir denn mit den Alleinerziehenden? Die eine finanzielle Absicherung, gerade jetzt noch viel mehr, benötigen? Ja. Lösungen müssen her aber bitte realistische! Erziehung und Betreuung meines Kindes ist doch keine Nachbarschaftshilfe. Wo kommen wir denn da hin? Dann kann ich ja demnächst meine pflegebedürftige Oma auch meinem Nachbarn in die Hand drücken. Ganz nach dem Motto, Hauptsache, sie hat es warm. Also wenn sich keiner mehr verantwortlich fühlt, GUTE NACHT! Und ja, Nachwuchs ist auch eine gesellschaftliche Sache. Meine Lösung wäre, Kinder eben nicht mehr mit einem Jahr abgeben zu müssen. Elterngelt verlängern und Arbeitsgeber gesetzlich dazu zu verpflichten, Arbeitsplätze 2-3Jahre, ohne Druck, frei zu halten!

  4. 33.

    Ein Aspekt fehlt in Ihrem Vorschlag: In kleinen Wohnungen mit 2-3 Zimmern auf Dauer nicht denkbar. So leben in Berlin jedoch viele Familien.

  5. 32.

    Genaugenommen habe Sie überschlägig ein Zahlenbeispiel hingeworfen, welches alleingenommen schon real nicht funktioniert. Andere aufgeworfene Fragestellungen wischen Sie mit "Aktivität und Eigenverantwortung" beiseite. Spricht nicht für vorhandenes Problembewusstsein und viel Substanz hinter den Worten, ernstzunehmen sind Ihre Kommentare wirklich nicht.

  6. 31.

    Nur mal zur Klarstellung: Derjenige, der eine Dienstleistung beauftragt und bezahlt ist ein "Kunde" und darf eine Gegenleistung erwarten.

  7. 30.

    Ja, das stimmt, raus aus der Komfortzone. Aber es ist immer irgendwie einfacher, eine Entscheidung zu treffen und dann für die Folgen nach dem Staat zu rufen, betrifft nicht nur Kitas, Schulen, Mietwohnungen, Grundsicherung, Elternzeit usw. usw. Eltern haben sich für Kinder entschieden und müssen sich dann jetzt anders organisieren, wir übrigens in der Schule noch anspruchsvoller, wenn jetzt die Pensionswelle anfällt. Kinder zu haben bedeutet investieren und damit meine ich nicht nur finanziell. Sehen Sie es als Möglichkeit, an der Situation zu wachsen, liebe Eltern.

  8. 29.

    Schlechtester Betreuungschlüssel im Kita Bereich bundesweit, fehlende Erzieher, fehlende Lehrkräfte in den Schulen, kaum noch Schulpsychologen .... Es reicht. Ein politisches Totalversagen. Frau Ernst treten sie endlich zurück und bewahren sie uns in Brandenburg vor weiterem Schaden an unseren Kindern!!

  9. 28.

    Man kann Sie nicht von einer realitätsnahen Familienplanung freisprechen... Grundsätzlich muss sich der Kita-Bedarf an den „Kunden“ orientieren. Vermutlich meinen Sie das auch so. „Kunden“ gefällt.... :-)

  10. 27.

    Die realitäsnahe Lösungen sollte man im Leben schon im Vorfeld treffen, dann ist man nicht so sehr auf Andere angewiesen.

  11. 26.

    Sie haben die Rechnung nicht verstanden. Natürlich muss man für die eigenen Kinder beibder Arbeit auf 32-36 Stunden herunter gehen, auch müssen das beide Elternteile tun. Bitte versuchen Sie die Rechnung hier in dem anderen Kommentar nachzuvollziehen. Eventuell liegt aber das Problem auch noch zusätzlich in der räumlichen Distanz zu ihren Eltern, das sollte man sich dann auch mal grundsätzlich überlegen, ob das so clever ist...

  12. 25.

    Ich wüsste ehrlich gesagt nicht wie ich mich um 5 Kinder kümmern soll, wenn ich 40h/Woche arbeiten gehe. Großeltern wohnen alle in anderen Bundesländern und können nicht einfach jede Woche 2x meine Kinder betreuen. Also ein bisschen realitätsnah sollte die Lösung schon sein...

  13. 24.

    Aktivität und Selbstverantwortung. Schluss mit immer nur Fordern und von anderen Erwarten. Selbst aktiv werden, wie habe ich nun ja schon mal erklärt. Ist nicht so kompliziert. Einfach mal raus aus der Komfortzone doe Lösung dieser Herausforderung ist privat viel besser und schneller hinzubekommen. Eltern sind die besten "Fachkräfte" für Kindererziehung, haben sich ja für das Thema entschieden.

  14. 23.

    Ein bisschen Zahlenjonglage und dann passt es schon, prima. Und der Rest der von mir angesprochenen Punkte?

  15. 22.

    In manch Bundesländer, wo für die Kita bezahlt werden muss, sind die Zahlen schlechter. Sie können sich also wundern.

  16. 21.

    Ich weiß von mehreren Kitas / Kinderläden im Prenzlauer Berg, die seit Monaten auf Kinder-Suche sind. Wer also in der Gegend einen Platz benötigt, sollte ihn recht einfach finden können (s. auch Kita Navigator).

  17. 20.

    Es geht um das Wollen! Wenn man eine Lösung finden wollte müsste man nicht immer nur nach dem Staat rufen. Wenn ein betreuendes Elternteil ausfallen sollte muss man sich reorganisieren. Da man aber als Elternteil sowieso nur 2 Tage im Monat an der Reihe ist, könnte man es schaffen, dass zu kompensieren in einer Gruppe von insgesamt 10 Erwachsenen plus x Großeltern. Und wenn ein Elternteam ein weiteres Kind hat, sind es halt 6 Kinder und die Familie lädt einmal zum Sommerfest ein oder in den Zoo, um es zu kompensieren... Mein Gott, armes Deutschland, was ist nur aus deinen Bürgern geworden. Wieder mehr Eigenverantwortung zurück an die Menschen statt immer nur Vollkasko-Gesellschaft.

  18. 19.

    Antwort Vera:genau meine Meinung, Milliarden für Waffen, für China jährlich 300 Millionen Euro ENTWICKLUNGSHILFE und in Deutschland stagniert vieles

  19. 18.

    Warum Eltern diese Herausforderung nicht eigenverantwortlich lösen ist mir schier unbegreiflich, ging doch in der Vergangenheit auch. Es könnte eines der Hauptprobleme sein, dass auch Eltern immer mehr zu Rosinenpickern werden. Eltern sein bedeutet aber Verantwortung zu übernehmen, nicht immer nur alles auf die Schultern der Gesellschaft auszulagern, nicht die Kita oder später die Schule sind für die Kinder verantwortlich. Dafür haben sich Eltern entschieden! Man versteckt sich gern hinter Haftung (abgedeckt durch Privathaftpflicht), Verantwortung etc. anstatt wirklich mal lösungsorientiert vorzugehen. 2 Tage im Monat fürs eigene Kind sollte es den Eltern doch wirklich Wert sein und ich denke, dass es den Kindern auch sehr gut tun würde. Denken Sie mal darüber nach.

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