Probleme mit der IT - Bericht zu Wahl-Problemen 2017 bringt Geisel neu unter Druck

Sa 01.10.22 | 17:22 Uhr
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Archivbild: Einwurf der Stimmlzettel in eine Wahlurne in Berlin. (Quelle: imago images/E. Contini)
Bild: imago images/E. Contini

Nicht nur die Berliner Wahlen im Jahr 2021 waren pannenbehaftet, auch 2017 gab es schon Probleme, die nach der Wahl auch untersucht wurden. Damals ging es allerdings um die Technik. Dennoch steht Geisel nun wieder in der Kritik.

Wegen der Pannen bei den letzten Wahlen wächst der Druck auf den damaligen Innensenator Andreas Geisel (SPD). Der "Tagesspiegel" [Bezahlschranke] berichtete am Samstag über einen internen Behördenbericht aus dem Jahr 2017 - und der Zeitung zufolge hätte Geisel durch diesen Bericht um die Defizite bei der Wahlorganisation wissen müssen. Damals ging es allerdings noch um andere Probleme als bei der jüngsten Pannenwahl.

Nach Informationen des rbb handelt es sich bei dem Bericht aus dem Jahr 2017 um ein Dokument, dass mit "Vertraulich - nur für den Dienstgebrauch" gekennzeichnet ist. Auftraggeberin seinerzeit war dem Vernehmen nach die damalige IT-Staatssekretärin Sabine Smentek (SPD). Smentek war auch fachlich zuständig, weil es um die Aufarbeitung der Bundestagswahl 2017 ging. Bei dieser Wahl hatte sich die technische Infrastruktur der Ämter als Achillesferse erwiesen.

Technische Probleme

So konnten am Abend der Bundestagswahl am 24. September 2017 über eine Stunde lang keine Ergebnisse aus den Wahlkreisen an die Wahlleitung übermittelt werden. Während alle anderen Bundesländer längst ihre vorläufigen amtlichen Endergebnisse gemeldet hatten, wurde in Berlin noch rotiert. Als letzter Bezirk konnte Pankow erst in den frühen Morgenstunden die Ergebnisse übertragen. Verursacht wurden die Pannen seinerzeit durch Server- und Softwareprobleme.

Diese Probleme wurden anschließend unter die Lupe genommen. Ein Insider berichtet dem rbb, dass es in dem beauftragten Untersuchungsbericht darum ging, wie die IT des Landes ertüchtigt werden kann, damit sie der Belastung bei Wahlen standhält und die Datenübermittlung funktioniert. Analysiert wurden auch die Zuständigkeiten der verschiedenen Akteure, darunter die Innenverwaltung, das Amt für Statistik, die Landeswahlleitung und der Landes-IT-Dienstleister ITDZ.

Die Quelle betont, dass es bei der Aufarbeitung der Bundestagswahl 2017 um technische Schwierigkeiten ging. Diese seien mit den Vorgängen bei der Wahl 2021 - lange Schlangen, nach 18 Uhr geöffnete Wahllokale, fehlende Stimmzettel, falsche Stimmzettel - nicht vergleichbar. Im Übrigen seien die Defizite der IT behoben worden, so dass die Systeme bei der Europawahl 2019 funktioniert hätten.

Dennoch bringen die neuen Informationen den jetzigen Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) noch stärker unter Druck. Er war bei der Wahl 2017 Innensenator. Die Aufsicht über die Organisation von Wahlen liegt bei der Innenverwaltung. Gegen Geisel waren in den vergangenen Tagen wegen der Wahlpannen 2021 und der gerichtlichen Einschätzung, dass eine Wahlwiederholung wahrscheinlich ist, Rücktrittsforderungen erhoben worden.

"Innenverwaltung hat gehandelt"

Der Sprecher Geisels, Martin Pallgen, betonte gegenüber dem rbb am Samstag, dass die Empfehlungen aus dem IT-Untersuchungsbericht zur Wahl 2017 umgesetzt worden seien. "Hier hat die Innenverwaltung gehandelt und zwar über Jahre hinweg bis zu den Wahlen 2021, zuletzt mit Lasttest für die IT, bis diese erfolgreich liefen." Pallgen legte Wert darauf, dass in dem alten Bericht nach Antworten auf technische Fragen gesucht wurde: "Es ging nicht um allgemeine Empfehlungen der Wahlorganisation."

Für die oppositionelle CDU ist der Bericht dennoch Anlass, den politischen Druck weiter zu erhöhen. Generalsekretär Stefan Evers twitterte: "Wenn Senator Geisel nach dieser Enthüllung weiter an seinem Stuhl klebt, muss Franziska Giffey ihn entlassen." Die Koalitionspartner der SPD, Grüne und Linke, waren in den vergangenen Tagen merklich auf Distanz zu Geisel gegangen, ohne allerdings dessen Rücktritt öffentlich zu fordern.

In der SPD wird die anhaltende Kritik am Stadtentwicklungssenator mit Sorge betrachtet. Geisel hat als Senator den Ruf eines versierten Machers, der das Vertrauen der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey genießt. Für sie soll er ihr wichtigstes Vorhaben, den Wohnungsbau, voranbringen. Vor dem Hintergrund der wahrscheinlichen Wiederholungswahl und eines bevorstehenden Wahlkampfs steht die Spitze der Berliner SPD vor der schwierigen Frage, ob sie an Geisel als Senator festhält oder ihn fallen lässt.

Sendung: rbb24, 01.10.2022, 14:00 Uhr

26 Kommentare

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  1. 26.

    Ich meinte es so, dass ein Wahlkampf leider auch die konstruktive Zusammenarbeit verhindert. Es ist jetzt schon zu merken. Jede Partei will sich für die anstehende Wahl profilieren. Wir haben derzeit mehrere Krisen zu bewältigen und es wäre schön, wenn sich die Politiker darauf konzentrieren würden. Die Neuwahl wird kommen, aber dann bitte zügig. Denn nach der Wahl gegen Koalitionsverhandlungen los. Wir brauchen aber eine stabile Regierung.

  2. 25.

    Neuwahlen ohne Wahlkampf, mit neuen Kandidaten und ggf. neuen Parteien, wie soll das denn funktionieren?
    Man sollte den Unterschied zwischen Neuwahl, Nachwahl, Ersatzwahl und Wiederholungswahl schon kennen.

  3. 24.

    Bitte Neuwahlen, aber zügig. Einen echten Wahlkampf braucht gerade niemand.

  4. 23.

    @Trine
    Da sind Sie etwas zu spät gekommen. In den 50ern und 60ern fand in der SPD ein heftiger Streit zwischen dem rechten Flügel um Reuter und Brandt und der linken "Keulenriege " von Franz Neumann ,Slowinsky und später auch Ristock .Da flogen schon mal die Fetzen. Ristock war sogar zeitweise ausgeschlossen. Dagegen ist die SPD heute ein geschlossener Verein.


  5. 22.

    Wer ist Gerrit? Und wo habe ich von Rechtsextremen geschrieben?

  6. 21.

    Das ist Berlin :-) Damit muss man umgehen können. Als gebürtiger Berliner bin ich immer wieder fasziniert, wie es im Alltag dann doch irgendwie funktioniert. Ich habe schon oft mit dem Gedanken gespielt, Berlin zu verlassen. Es ist ein ständiges Auf und Ab. Aber deswegen quasi fliehen? Solange Privates und Beruf gut sind, kann man die Politik auch einfach ignorieren.

  7. 20.

    Politische Verantwortung kennt er wohl nicht. Ist auch eine Charakterfrage.

  8. 18.

    Jetzt ist es die Cholera, wenn die Neuwahl kommt wird es die Pest...also lasst es bitte.

  9. 17.

    Volle Zustimmung. Ich lebe seit 1963 in Berlin (West), glauben Sie mir, das extreme Chaos gibt es erst seit der Wende.

  10. 16.

    Ach, Gerrit heißt jetzt Carsten. Sie sehen überall Rechtsextreme. Tut mir Leid für Sie.

  11. 15.

    „ Also mal von der politischen Verantwortung abgesehen.“. Der Witz ist gut. Bei einem verantwortlichen Politiker von dessen politischer Verantwortung abzusehen ist nicht wirklich Ihr Vorschlag, oder? Im Übrigen bitte über die Zuständigkeiten einer Senatsverwaltung für Inneres und Digitalisierung nachdenken, dann können Sie sich alles selbst beantworten.

  12. 14.

    Sie liegen falsch. Hier verwechseln einige Wunsch und Wirklichkeit. Besonders die aus dem rechten Lager.

  13. 13.

    Was für eine Logik! Wenn man von Demokratie so gar keine Ahnung hat ... oder haben will.

  14. 12.

    Mir wäre es lieber, dass Geisel bis zu den Neuwahlen Senator bleibt. Sonst muss ein neuer bezahlt werden.

  15. 11.

    Eigentlich müsste doch, wenn laut deutscher Rechtsprechung:
    die Wahl ungültig ist, eine Übergangsregierung der vorherigen (Senat Müller) gestellt werden, und der jetzige Senat durch den Präsident des Abgeordnetenhauses entlassen werden, also der Senat abdanken. Liege ich da falsch? Funktioniert die Gewaltenteilung nicht mehr?

  16. 10.

    Können die Befürworter eines Rücktritts bitte mal genau erklären warum Geisel zurücktreten soll und geht es denen doch womöglich um etwas ganz anderes?

    Also mal von der politischen Verantwortung abgesehen. Hatte Geisel auch die Verantwortung über die Bezirkswahlleiter? Warum gab es völlig pannenfreie Wahlbezirke in denen alles glatt gelaufen ist?

  17. 9.

    Geisel hat bei den letzten beiden Wahlen die politische Verantwortung. Somit ist es nur natürlich, wenn über einen Rücktritt diskutiert wird. Ob nun technische Mängel oder organisatorische. Es ist eine Schande für Berlin.

  18. 8.

    Der Nächste der nicht lesen kann und nur versteht was er verstehen möchte. Bei Ewers versteht man das ja noch. Wenn man selbst nichts kann und seine Partei nichts vorweisen kann, dann muß man hinterrücks Rufmord betreiben. Das hätte ich eher der AfD zugetraut.

    Und das schreibe ich nicht etwa weil die Politik von Geisel gut finde, im Gegenteil.

  19. 7.

    Dass es damals bei der Informationsübermittlung - und nicht bei dem Wahlablauf an und für sich - Probleme mit der Technik gab, die obendrein lange überprüft und beseitigt wurden, soll jetzt dafür ausreichen, jemanden aus seinem - dazu völlig anderen - Ressort hinauszuwerfen? Das ist doch arg konstruiert und bemüht. Politisch für etwas im eigenen Fachbereich verantwortlich zu sein, ist zudem nicht das Gleiche wie etwas verursacht zu haben. Als Dauer-Opposition sucht man wohl stets nach jedweder Möglichkeit, Aufmerksamkeit zu generieren - wenn man schon keine eigenen Ideen hat, sollen die Anderen immer noch schlechter als man selbst sein. Ein schwaches Argument, auch nur irgendjemanden zu wählen.

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