Veranstaltungen zum 9. November - Berlin und Brandenburg erinnern an Mauerfall und Pogrome gegen Juden

Mi 09.11.22 | 17:43 Uhr
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Evelyn Zupke (l-r), SED-Opferbeauftragte, Tom Sello, Berliner Aufarbeitungsbeauftragter, Franziska Giffey (SPD), Regierende Bürgermeisterin, Claudia Roth (Bündnis90/Die Grünen), Kulturstaatsministerin,Hildigund Neubert vom Bürgerbüro, und Klaus Lederer (Die Linke), Kultursenator, nehmen zum 33. Jahrestag des Mauerfalls in der Gedenkstätte Berliner Mauer an der zentralen Gedenkfeier teil. (Quelle: dpa/J. Carstensen)
Video: rbb24 | 09.11.2022 | Material: rbb24 Abendschau | Bild: dpa/J. Carstensen

An diesem Mittwoch vor 33 Jahren fiel die Berliner Mauer. Vor 84 Jahren verübten die Nationalsozialisten in ganz Deutschland Pogrome gegen jüdische Menschen. Berlin und Brandenburg erinnerten mit mehreren Veranstaltungen an beide Ereignisse.

An die Opfer der Pogrome der Nationalsozialisten am 9. November 1938 ist am Dienstag auch in Berlin und Brandenburg erinnert worden. Damals wurden überall in Deutschland Synagogen und jüdische Einrichtungen verwüstet, Juden angegriffen, ermordet oder verschleppt. Am Dienstag jährte sich der Tag der Novemberpogrome gegen jüdische Menschen zum 84. Mal.

In Berlin wurden traditionell ganztägig vor dem jüdischen Gemeindehaus in der Fasanenstraße die Namen der 55.696 ermordeten Berliner Juden aus dem Gedenkbuch des Landes verlesen.

Giffey: "Wir wissen, was daraus entsteht"

Auch in den Berliner Bezirken wurde an vielen Orten der Opfer der NS-Pogrome gedacht. Der Bezirk Steglitz-Zehlendorf lud zu einer stillen Gedenkfeier und Kranzniederlegung an der Spiegelwand auf dem Hermann-Ehlers-Platz ein. In Lichtenberg gab es ein Gedenken an der ehemaligen Synagoge in der Konrad-Wolf-Straße 92. In Pankow wurden Kränze auf dem Jüdischen Friedhof Weißensee und auf dem Jüdischen Friedhof an der Schönhauser Allee niedergelegt.

"Wir haben die Lektion der Novemberpogrome gelernt und wir ziehen die Konsequenz aus dem Holocaust", erklärte Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) anlässlich des Gedenktages. Jede antisemitische Attacke, jede Beschimpfung, jedes falsche Wort sei eine Attacke, eine Beschimpfung und ein Wort zu viel. "Denn wir wissen, was daraus entsteht", mahnte sie.

Zentrales Mauerfall-Gedenken in ehemaligem Gefängnis

In Berlin und Brandenburg wurde am Mittwoch zudem mit zahlreichen Veranstaltungen an den Mauerfall vor 33 Jahren erinnert. Das Land Brandenburg gedachte der Mauer-Opfer in Schwedt (Kreis Uckermark). Die Industriestadt war auch wegen des einzigen Militärgefängnisses in der DDR bekannt.

Gewürdigt wurden am Mittwoch die Menschen, die zum Sturz des SED-Regimes in der DDR beitrugen, und ehemalige Häftlinge, deren Strafe oft willkürlich verhängt wurde. Etliche mussten nach dem Mauerfall noch bis 1990 auf ihre Entlassung aus dem Militärgefängnis warten, wie die Landtagsverwaltung mitteilte.

Im Militärgefängnis in Schwedt waren Soldaten und Offiziere der Nationalen Volksarmee auch ohne Urteil inhaftiert. Zwischen 1982 und 1990 saßen rund 800 Personen in Haft - etwa wegen Befehlsverweigerung und Fahnenflucht, aber auch wegen "staatsfeindlicher Hetze" gegen die DDR. Am 26. April 1990 wurde der letzte Militärstrafgefangene entlassen, die Einrichtung dann Ende Mai 1990 geschlossen.

Bürgermeisterin erinnert an "Mythos von Schwedt"

Bei der Gedenkveranstaltung in den Uckermärkischen Bühnen sagte Landtagspräsidentin Ulrike Liedtke: "Die friedliche Revolution von 1989, die zum Fall der Mauer führte, ist ein Meilenstein in der deutschen Demokratiegeschichte." Ein Ort des Unrechts in der DDR sei das Militärgefängnis gewesen. Hier seien Tausende junge Männer für ihre politische Überzeugung oder für geringfügige Vergehen schwer bestraft worden, viele seien für ihr Leben gezeichnet.

Die Bürgermeisterin von Schwedt, Annekathrin Hoppe (SPD), sagte zur Haftanstalt: "Wer dort war, war zum Schweigen verurteilt, und nach und nach wurde der mit Angst besetzte "Mythos Schwedt' geboren."

Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) konnte an der Gedenkveranstaltung wegen Terminschwierigkeiten nicht wie ursprünglich geplant teilnehmen.

Belarussischer Chor trat auf - mit Masken

An der zentralen Veranstaltung zum Gedenken an die Friedliche Revolution und des Mauerfalls an der Gedenkstätte Berliner Mauer in der Bernauer Straße nahmen unter anderen die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD), Kultursenator Klaus Lederer (Linke) sowie Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) teil.

Rund 200 Schülerinnen und Schüler aus Deutschland, Frankreich und Norwegen steckten Rosen in Spalten der einst trennenden Mauer, von der noch Teile in der Gedenkstätte am originalen Standort stehen. Im Rahmen der Veranstaltung trat auch der belarussische Volny-Chor auf. Er ist im August 2020 als Reaktion auf die Repressionen in Belarus entstanden. Um anonym zu bleiben und sich vor Verfolgung durch die dortigen Machthaber zu schützen, waren die Sängerinnen und Sänger vermummt oder trugen Masken.

Sendung: rbb24 Inforadio, 9. November 2022, 7 Uhr

8 Kommentare

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  1. 8.

    Was dem 9. November 1989 angeht, möchte ich nur darauf hinweisen, das der erste Grenzübergang der richtig geöffnet wurde, NICHT die Bornholmer Straße (Bösebrücke) war. Er war zwar der berühmteste. Der erste wo man problemlos die Grenze überschreiten konnte war Marienborn/Helmstedt gegen 21.10 Uhr.

  2. 7.

    Sie sind mir etwas zuvorgekommen….
    Vielen Dank das sie hier auf die anderen bedeutenden Ereignisse an diesem Datum hinweisen! Wie wichtig das ist zeigt ja bereits ein weiterer Beitrag hier (nur ein Ignorant oder ein Fan von 1923 ??).
    Ich finde es unpassend deutsche Geschichte einfach so zu reduzieren, egal wie man diese nun wichtet!

  3. 6.

    Ja, im Militärgefängnis saßen auch Soldaten wegen Befehlsverweigerung, Fahnenflucht oder staatsfeindlicher Hetze. Es saßen aber auch Soldaten dort, wegen Straftaten, die auch heute zu Haftstrafen führen. Häufig Straftaten, unter Alkoholmißbrauch, sehr hat bestraft wurden. Mein Mitleid mit den mir bekannten Straftäter (Körperverletzung) hat sich in Grenzen gehalten.

  4. 5.

    An den Mauerfall können sich noch sehr viele Menschen erinnern, an den anderen Termin wird sich niemand mehr selbst aus eigener Geschichte erinnern können. Wieviel Generationen müssen noch an die Progrome erinnert werden?
    Die Verursacher der neueren Geschichte sind bis heute nicht ernsthaft verfolgt worden. Selbst die Stasitäter leben mindestens noch eine Generation unbeschadet unter uns. Wo bleibt ein aktuelles Gedenken an deren Opfer?

  5. 4.

    Ein unwichtiges Datum , ein Tag wie jeder andere auch !

  6. 3.

    Der Meinung bin ich aber auch.Eie kann man solch wichtige Ereignisse in einen Topf werfen.Dsd ist unverzeilich und zeugt von wenig Sensibilität.Jedenfalls die Meldungen in den Medien kämmen mir vor,schnell berichten und dann ab zum nâchsten Thema.

  7. 2.

    Der 9. November ist und bleibt in der Tat ein "sperriges Datum". Er lässt sich nicht als solches über einen Kamm scheren, ohne dass es dabei schief und holprig wird.

    Das jüngste der Ereignisse ist zweifellos ein glückliches gewesen - eine tausendfach verwobene Stadt nicht mehr brutal in ihrer Mitte (für den Westteil: drumherum) zu teilen. Die anderen, davon geschiedenen u. mehrfach aufeinander bezogenen, sind:

    Der 9. Nov. 1938: Die Reichspogromnacht, die planmäßige, behauptet spontane Plünderung u. Zerstörung jüd. Eigentums
    zurückgehend auf den gescheiterten Marsch Hitlers auf die Münchner Feldherrnhalle, am 9. Nov. 1923, exakt 15 J. vorher;
    zurückgehend auf die Abdankung des Kaisers und die Ausrufung der (sozialistischen) Republik seitens Liebknechts und Scheidemanns, Zweiter ihm zuvorkommend und spontan, exakt fünf J. vorher am 9. Nov. 1918,
    bei Liebknecht zurückgehend auf den 9. Nov. 1848, die Erschießung des freigewählten Abg. Robert Blum vor den Toren Wiens.

  8. 1.

    Da mahnt heute der Zentralrat der Juden, dass es gefährlich ist, die Shoa zu vergessen. Und er RBB bringt tatsächlich zwei Grundverschiedene Ereignisse, die zufällig am selben Tag sind, in einer Meldung!
    Das ist grundverkehrt und ein absolut fatales Zeichen an all diejenigen, die lieber vergessen, statt zu mahnen und zu erinnern.
    Liebe Redaktion, ich bitte sie das zu ändern! Die Pogrome haben immer noch eine eigene Meldung verdient, sie waren absolut schrecklich und wir müssen der verfolgten und ermordetetn Menschen gedenken, dafür darf gern ein bisschen mehr Raum eingenommen werden.
    danke!

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