Nach Gipfel im Roten Rathaus - Giffey kündigt "konzertierte Aktion" gegen Jugendgewalt an

Mi 11.01.23 | 15:26 Uhr
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Franziska Giffey (SPD), Regierende Bürgermeisterin von Berlin, gibt am 11.01.2023 nach dem Gipfel gegen Jugendgewalt mit Akteurinnen und Akteuren aus Senat, Bezirken und Zivilgesellschaft ein Pressestatement. (Quelle: dpa/Fabian Sommer)
Video: rbb24 | 11.01.2022 | Material: rbb24 Abendschau | Bild: dpa/Fabian Sommer

Im Kampf gegen Jugendgewalt hat Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey ein Maßnahmenpaket in Aussicht gestellt. Das kündigte die SPD-Politikerin nach einem Gipfel mit Vertretern von Polizei, Justiz und Sozialarbeit an.

 

  • Nach "Gipfel gegen Jugendgewalt" kündigt Giffey konzertierte Aktion an
  • Maßnahmenpaket mit Schwerpunkt auf Sozialarbeit und konsequenter Strafverfolgung
  • Weiteres Treffen am 22. Februar, Senatsbeschluss im März
  • Großer Teil der Täter bislang noch unbekannt

Nach den Silvester-Krawallen hat Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) eine "konzertierte Aktion" gegen Jugendgewalt und weitere Ausgaben für Sozialarbeit in Millionenhöhe angekündigt.

Konkret nannte die SPD-Politikerin nach einem Gipfel mit Experten am Mittwoch vier Punkte: intensivere Sozialarbeit mit Elternhäusern, mehr außerschulische Jugendsozialarbeit, neue "Orte für Jugendliche" und konsequente Strafverfolgung.

Wichtig für Heranwachsende seien Treffpunkte und Orte wie Jugendfreizeiteinrichtungen. Zusammen mit Vereinen gehe es auch darum, Angebote wie den "Mitternachtssport" auszuweiten, so die SPD-Politikerin.

Weiteres Treffen am 22. Februar

Giffey erklärte, dass nun auf Arbeitsebene weiter nach Lösungen gesucht werde. Bis zu einem weiteren Treffen am 22. Februar sollen Konzepte ausgearbeitet und der Finanzbedarf geklärt sein. Für März kündigte Giffey einen Beschluss des Senats an.

Im Senat herrsche Einigkeit, dass es dafür mehr Geld brauche. Giffey sprach von einem "mehrstelligen Millionenbetrag". Das Geld soll aus dem Haushalt mobilisiert werden. Die Wiederholungswahl zum Abgeordnetenhaus am 12. Februar soll den Prozess nicht aufhalten. Der Senat sei bis zur Bildung einer neuen Landesregierung voll handlungsfähig, sagte Giffey.

Die SPD-Politikerin betonte erneut, dass auch die rasche Strafverfolgung ein Baustein sein müsse. Die jungen Leute seien aber "Berliner Kinder". Ähnlich wie das Land in der Energiekrise ein großes Unterstützungspaket für die Bürgerinnen und Bürger geschnürt habe, müsse auch ein Paket für die Jugendlichen möglich sein, sagte sie.

Laut Giffey ist eine "gemeinsame Kraftanstrengung" nötig

Die Silvester-Krawalle mit Angriffen auf Polizisten, Feuerwehrleute und Rettungskräfte nannte Giffey eine Zäsur. Es könne nun nicht einfach weitergehen wie bisher. Nötig sei eine "gemeinsame Kraftanstrengung" für mehr Respekt in der Stadt.

Giffey hatte etwa zwei Dutzend Experten zum Gipfel gegen Jugendgewalt geladen, darunter Vertreter von Politik, Polizei, Staatsanwaltschaft und Justiz sowie der Integrations- und Sozialarbeit.

André Juterzenko, der bei der Berliner Polizei für Jugenddelikte zuständig ist, nannte das Treffen "wichtig und richtig". Er verwies darauf, dass die Polizei schon jetzt stark auf Präventionsarbeit setze.

Elvira Berndt, die den Streetworker-Verein Gangway leitet, lobte die "offene Runde". Sie werde der Politik aber auch auf die Finger schauen, damit die Initiative nicht versande in den Rangeleien verschiedener Verwaltungen.

Der Vorsitzende des Berliner Beirats für Familienfragen, Kazim Erdogan, lenkte den Blick auf den Aspekt "Häusliche Gewalt". Viele junge Menschen würden sehen, dass Eltern Gewalt ausüben, sagte Erdogan. Das müsse man "als Gesamtpaket sehen", wenn man über Jugendgewalt spreche.

Katarina Niewiedzial, Beauftragte für Integration und Migration des Berliner Senats, wies in der rbb24 Abendschau auf die hohe Jugendarbeitslosigkeit in Berlin hin: "Ein Thema, was heute ein bisschen unterbelichtet war, aber aus meiner Sicht wichtig ist, ist eine berufliche Perspektive diesen Menschen zu geben."

Opposition äußert Kritik

Kai Wegner, der Vorsitzende der Berliner CDU-Fraktion, kritisierte den Gipfel. Er sprach von "Aktionismus". "Seit Jahren fordern wir neben einer vernünftigen Ausstattung der Polizei die notwendigen Maßnahmen für bessere Bildungschancen und die langfristige Finanzierung von Jugendarbeit und Prävention", erklärte Wegner. SPD, Grüne und Linke hätten aber seit Jahren die Augen verschlossen und um die Probleme herumgeredet.

Auch die Vorsitzende der AfD-Hauptstadtfraktion, Kristin Brinker, äußerte Kritik: Beim Gipfel seien nur Absichtserklärungen und warme Worte herausgekommen. "Solange die politisch Verantwortlichen sich weigern, die Probleme beim Namen zu nennen, werden sie diese Probleme niemals lösen können", ergänzte Brinker.

Berliner Justiz: "Strafe auf dem Fuß" nur bei leichteren Delikten möglich

Die Berliner Justizsenatorin Lena Kreck (Linke) und Vertreter der Berliner Justiz haben derweil die Erwartungen nach schnellen Verurteilungen der Straftäter gedämpft. Vereinfachte Jugendstrafverfahren, bei denen die Strafe "auf dem Fuße" folge, eigneten sich nur bei einfachen und mittelschweren Delikten, hieß es am Mittwoch in einer Erklärung von Kreck, Generalstaatsanwältin Margarete Koppers und dem Präsidenten des Kammergerichts, Bernd Pickel.

Sobald umfangreichere Ermittlungen erforderlich seien, sei es rechtsstaatlich nicht zulässig, "kurzfristige Hauptverhandlungen auf Kosten sorgfältiger Ermittlungen" durchzuführen. Auch eine "Verkürzung der strafprozessualen Rechte der Beschuldigten" wie etwa die Beauftragung eines Anwalts oder die Akteneinsicht sei nicht zulässig, hieß es.

Bei Ausschreitungen in der Silvesternacht waren Tatverdächtige unter anderem wegen des Vorwurfs der gefährlichen Körperverletzung und wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte vorübergehend festgenommen worden. Dies kann mit mehreren Jahren Freiheitsstrafe geahndet werden.

Zudem sei ein großer Teil der Täter bislang noch unbekannt, sagte Kreck am Mittwoch im Rechtsausschuss des Abgeordnetenhauses. Die ersten Verfahren seien aber mittlerweile bei der Staatsanwaltschaft zur Bearbeitung eingegangen. Eine "schnelle und einheitliche Bearbeitung" solle demnach durch "die Konzentration der Verfahren in einer entsprechenden Schwerpunktabteilung erfolgen", so Kreck.

Sendung: rbb24 Abendschau, 11.01.2022, 19:30 Uhr

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82 Kommentare

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  1. 82.

    Labern ohne Recht und Gesetz konsequent durchzusetzen >macht keinen guten Eindruck und bringt wohl kaum Wählerstimmen.

  2. 81.

    Heilmann habe ich doch erwähnt und zur Verbrechenbekämpfung und -prävention gehören beide Ressorts oder?

    "Das kündigte die SPD-Politikerin nach einem Gipfel mit Vertretern von Polizei, Justiz und Sozialarbeit an."

    Wobei ich persönlich die größere Gewichtung bei der Sozialarbeit sehen würde, die am meisten vernachlässigt wurde. Unter einer ganzen Reihe sPD Senatoren. Ich glaube Böger war der letzte Senator dem Jugendarbeit noch Geld wert war.

  3. 80.

    Auf der Suche nach Rechtschreibfehlern von Anderen, kann man schon einmal durcheinander kommen. In seinen Kreisen war Henkel ein Rotes Tuch und der Justizsenator ein Grüner.
    Wie auch durch seine Vielzahl von Nicks.

  4. 79.

    @Kalle
    Bei den Justizbehörden wurde gespart. Das stimmt. Aber was hat der lnnensenator Henkel damit zu tun? Der Justizsenator hätte sich das wohl verbefen.

  5. 78.

    Respektloses Verhalten gegenüber Einsatzkräften wird den jungen Menschen oftmals von Erwachsenen vorgelebt. Das Behindern oder gar Attackieren von Rettungskräften oder das Verhalten im Rahmen der Anti-Corona-Demos sind da nur Beispiele. Es handelt sich also vielleicht doch eher um ein gesamtgesellschaftliches Problem, das nur zu gerne von den einschlägig bekannten Gruppierungen instrumentalisiert wird.

  6. 77.

    Und wenn sich junge Menschen ohne Migrationshintergrund daneben benehmen, ist das egal? Oder die Ursachen sind dann völlig andere?

  7. 76.

    Seit Jahren höre ich gebetsmühlenhaft Prävention bei jungen Migranten ist wichtig. Das Konzept scheint längst gescheitert zu sein. Frau Giffey sollte lieber einen Runden Tisch einrichten, an dem diskutiert wird, wie der Staat es schafft, das junge, integrationsunwillge Migranten lernen Respekt vor dem Staat und dem Gastland zu bekommen..

  8. 75.

    Welches Märchen denn bitte? Wer meint denn, "die Jugend" sei das Problem? Das pauschalisiert doch so auch niemand. Worauf wollen Sie eigentlich hinaus?

  9. 74.

    "Giffey kündigt "konzertierte Aktion" gegen Jugendgewalt an"
    Worte, Worte, Worte......

  10. 73.

    Mit neoliberalen Gewäsch und Klassenkampf von oben kommen wir auch nicht weiter... Sie sind Teil des Problems und nicht etwa die Lösung. Nicht einmal ansatzweise.

  11. 72.

    Also bitte lieber Senat, es ist doch so einfach eine "Null-Toleranz-Politik gegen jegliche Gewalt am Menschen" mit sofortiger Wirkung auszurufen. Nur unterschreiben müsste das irgend jemand. Und da wäre auch schon das Problem....Verantwortung übernehmen und Versprechen einlösen.

  12. 71.

    "Gelder, die in den vergangenen Jahren den maroden Justizbehörden nicht gewährt wurden."

    Fast richtig, unter Henkel und Heilmann wurde weiter gespart, es sei denn Henkel hat die Polizisten weitere Überstungen anhäufen lassen damit er sich medienwirksam den Kameras präsentieren konnte.

    Erst unter RRG gab es wieder Geld für Personal, Ausrüstung und Gebäude. Lässt sich alles nachlesen und beweisen.

  13. 70.

    Vor allem bin ich einigermaßen entsetzt, dass jetzt alle bei dem Märchen mitmachen, die Jugend sei das Problem.
    Wo man doch immer so drauf Wert legt, niemanden zu stigmatisieren.
    Ich schlage mal einen "Fehlerhafte-Politik-Gipfel" vor.
    Wo dann mal ganz klar benannt wird, welche Entscheidungen welche Probleme verursachen.
    Aber das könnte ja die Ideologie gefährden.
    Also bleibt es wohl bei der Hoffnungslosigkeit.

  14. 69.

    Nichts gegen Sozialarbeiter,
    aber Sozialpolitik beginnt deutlich früher:
    - bezahlbarer Wohnraum zum Beispiel
    An der Stelle sind die Parteiprogramme von SPD, Grünen und Linken leider problematisch.
    Der Wohnungsmarkt in Berlin spricht eine deutliche Sprache.
    Es genügt eben nicht, sich mit Mietendeckel- und Enteignungs-Kampagnen einen sozialen Anstrich zu geben.
    Wenn Menschen keine Wohnung finden und die Obdachlosigkeit steigt, müssen die Politiker was falsch gemacht haben.

  15. 68.

    Vor allem würde man sich wünschen, dass die Gelder eher bei Streetworkern der unteren Lohngruppen ankommen.
    Ich war und bin immer ein Befürworter von Bewährungsbegleitern, Stadtteilmüttern und Jugendeinrichtungen.
    Ich befürchte allerdings, dass viele Gelder eher dafür genutzt werden, noch mehr Berater*innen und Sozialforscher*innen im oberen Segment zu finanzieren.
    Ebenso muss man befürchten, dass noch mehr Geld in teure Kampagnen gesteckt werden, um Jugendlichen irgendwelche Denkvorschriften zu machen.
    Ich vermisse auch Begegnungsstätten von Jung und Alt.
    Das müsste viel stärker gefördert werden.
    In unserem Sportstudio darf man U16 nicht rein.
    Wenn das überall so ist, dann Gute Nacht!

  16. 67.

    "Der Senat muss frühzeitig in Familie, Bildung und Soziales investieren"
    Zusätzlich oder außer noch mehr Geld ist die Verbesserung des Leistungsprinzips und der Chancengleichheit. Da fällt auf, dass man unbedingt die letzten Bildungsplätze verlassen muss. Welchen politischen Kräften trauen Sie dies am ehesten zu?

  17. 66.

    Genau das meine ich ja. Es fehlt an Lehrern, Pädagogen, Sozialarbeitern, die bei der kleinsten Auffälligkeit die Eltern in die Pflicht nehmen und bei Wdh. für Sanktionen sorgen. Frühzeitig anfangen und nach Gründen für Fehlverhalten suchen. Ein Kind wird ja schließlich nicht so geboren. Das Elternhaus und das Umfeld formen. Seit langem gibt es zuwenig Pädagogen/gut qualifizierte Lehrer. Die Vorhandenen können das bei der Vielzahl der Aufgaben nicht mehr allein wuppen. Keinesfalls habe ich Lehrer kritisieren wollen. Im Gegenteil: Sie verdienen meinen Respekt.

  18. 65.

    Wenn im Elterhaus keine kindgerechte und normale Erziehung stattfindet, keine Regeln gelten, Grenzen gesetzt werden, Liebe und Anerkennung fehlen, Kita und Schule als sinnvolle Ergänzung nicht angenommen und oft von Eltern auch boykottiert werden, darf sich niemand über die weitere Entwicklung der Kinder/Jugendlichen wundern. Irgendwann ticken sie aus und suchen sich ihren Raum für Aufmerksamkeit und Anerkennung (unabhängig von Herkunft und Religion). Wenn dann noch Ignoranz, Missbrauch u. Gewalt im Elternhaus vorherrschen oder der Junior wie das nächste Familienoberhaupt behandelt wird, ist die Entwicklung oft schon vorgrogrammiert. Eine Arbeitsgruppe gegen Jugendgewalt ist wieder nur eine Reaktion auf bereits Geschehenes. Der Senat muss frühzeit in Familie, Bildung und Soziales investieren und nicht erst 5 vor 12 agieren, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist. Aber das ist für unseren Senat seit vielen Jahren typisch.

  19. 64.

    Genauso sehe ich das auch. Früher gab es im Bezirk mehrere Anlaufstellen, Jugendclubs/-treffpunkte, soziale Einrichtungen, Bürgertreffs und - beratungsstellen. Das wurde alles wegrationalisiert. Nicht etwa, weil es nicht gut angenommen wurde, sondern weil der Senat/die Bezirke ganz einfach kein Geld mehr dafür ausgeben wollten und/oder man mit diesen Räumlichkeiten besser Geld verdienen konnte. Sozial ist dabei gar nichts mehr. Stattdessen tut der Senat nun so, als wenn das alles nicht vorhersehbar gewesen wäre. Ich muss kein Psychiater oder Sozialpädagoge sein, um zu erkennen, dass sich Menschen mit schlechter/fehlender Bildung, Perspektivlosigkeit dazu oft auch Gewalt an Kindern irgendwann auf ihre Art Gehör verschaffen. Dieser Beratungskreis gegen Jugendgewalt ist ein ungenügender Ansatz und nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.

  20. 63.

    Frage mich eher wo sind die versprochenen 400.000 Wohnungen im Jahr 2022.

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