Debatte um Schreckschusspistolen - "Diese Waffen sind im Nahbereich lebensgefährlich"

Do 12.01.23 | 10:42 Uhr | Von Helena Daehler und Christina Rubarth
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Symbolbild:In einem Waffengeschäft wird das Magazin einer Schreckschusspistole mit Schreckschusspatronen geladen.(Quelle:dpa/U.Deck)
Audio: rbb24 Inforadio | 12.01.2023 | Benjamin Jendro | Bild: dpa/U.Deck

Feuerwehr und Polizei wurden an Silvester auch mit Schreckschusspistolen beschossen. Die nun diskutierte Verschärfung des Waffenrechts ist aus Sicht eines Waffenexperten durchaus sinnvoll, denn diese Waffen können tödliche Verletzungen verursachen. Von H. Daehler und C. Rubarth

  • "Kleiner Waffenschein" muss beim Kauf von Schnellschusspistolen nicht vorgezeigt werden
  • Berliner Polizei zählt mehr Straftaten mit solchen Waffen
  • Sachverständiger warnt vor lebensgefährlichen Folgen

An den Wänden des Ladens an der Frankfurter Allee in Friedrichshain hängen Jagdgewehre, Samurai-Schwerter, Armbrüste und Messer. Nur eine der vielen Vitrinen ist fast leer. "Hier präsentieren wir eigentlich unsere Signal- und Schreckschusswaffen", erklärt Ladeninhaber Pavel Sverdlov. "Aber vor Silvester war der Andrang groß - viele Modelle sind ausverkauft."

Sogenannte SRS-Waffen – also Schreckschuss-, Reizstoff- oder Signalwaffen - sind eigentlich für Notwehrsituationen gedacht, doch es gibt auch Feuerwerksmunition dafür. Wer derzeit eine solche Waffe legal kaufen möchte, muss lediglich über 18 Jahre alt sein und sich ausweisen können. Beim Kauf weist Sverdlov seine Kundinnen und Kunden zwar darauf hin, dass für das Mitführen einer solchen Waffe im öffentlichen Raum ein sogenannter Kleiner Waffenschein benötigt wird. Überprüfen, ob ein solcher vorliegt, muss er bisher aber nicht.

Pavel Sverdlov (Quelle: rbb)
Pavel Sverdlov | Bild: rbb

Eskalation an Silvester

Dass es in der Neujahrsnacht in Berlin zu Eskalationen kam, bei denen auch Schreckschusspistolen derart heftig in den Fokus gerieten, hat Sverdlov erstaunt. Die derzeitige Diskussion über strengere Regeln beim Waffenkauf findet er überstürzt: "Ich halte das für billigen politischen Aktionismus. Die Politik will nun ganz hektisch alles einfach verbieten."

Wie gefährlich SRS-Waffen sein können, kann Waffensachverständiger Dirk Schöppl veranschaulichen. Schöppl zielt in seiner Werkstatt aus nächster Nähe auf eine Jeans – und drückt ab. Zurück bleibt ein rundes Loch im hellblauen Stoff – obwohl die Waffe kein Projektil hat. Das Loch entsteht allein durch den Luftdruck. "Bei den Waffen kommen 400 Bar raus, und die sind im Nahbereich beim aufgesetzten Schuss lebensgefährlich", erklärt Schöppl. "Ich kann jemanden damit schwer verletzen oder töten."

Dirk Schöppl (Quelle: rbb)
Dirk Schöppl | Bild: rbb

Einzige Ausnahme für Einsatz im öffentlichen Raum: Notwehr

Auch wenn es an Silvester allgegenwärtig ist, das Schießen mit SRS-Waffen, ob nun mit Feuerwerksmunition oder ohne, ist im öffentlichen Raum selbst mit einem Kleinen Waffenschein nicht gestattet. Die einzige Ausnahme gilt für Notwehr-Situationen. Davon könne aber in der Silvester-Nacht nicht die Rede sein, sagt Sachverständiger Schöppl.

Der Gesetzentwurf von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) [tagesschau.de] sieht nun vor, dass SRS-Waffen nur an Menschen verkauft werden dürfen, die bereits einen Kleinen Waffenschein besitzen und diesen auch beim Kauf vorweisen können. Bei der Beantragung eines solchen Scheins wird grundsätzlich überprüft, ob laufende oder abgeschlossene Strafverfahren, Drogendelikte oder anderweitige polizeilich bekannte Auffälligkeiten und verfassungsfeindliche Aktivitäten vorliegen. Sachverständiger Schöppl würde eine solche Verschärfung des Waffenrechts begrüßen.

Geschätzte 43 Millionen Schreckschusspistolen im Umlauf

Für Waffenladenbesitzer Sverdlov würde sie voraussichtlich starke Umsatzeinbußen bedeuten, denn eine Gesetzesänderung würde ganz praktisch die Hürden zum Kauf erhöhen. Der Händler macht immerhin ein Viertel seines Jahresumsatzes in den Wochen vor Silvester. Sverdlov findet die Regelung gut, so wie sie ist, und setzt auf die Eigenverantwortung der Käufer und Käuferinnen: "Es braucht mehr Aufklärung und nicht noch mehr Verbote." Zudem wäre ein solches nachträglich sowieso nicht wirksam. "Es gibt ja bereits Millionen von Waffen, die im Umlauf sind."

Der Verband Deutscher Büchsenmacher und Waffenfachhändler geht nach einer neuesten Schätzung davon aus, dass es in Deutschland 43 Millionen SRS-Waffen gibt, die in den Händen von 16 Millionen Bürgern sind. Faesers Gesetzentwurf sieht auch Verbandschef Ingo Meinhard kritisch. Straftaten würden durch den Kleinen Waffenschein nicht verhindert, so sein Argument. "Gewaltstraftäter interessiert nicht, ob ein Kleiner Waffenschein notwendig ist oder nicht."

Vitrine mit Reizgas zur Selbstverteidung (Quelle: rbb)CS-Reizgasprays zur Selbstverteidigung

Polizei registriert mehr Straftaten

Die Zahl der von der Berliner Polizei erfassten Straftaten im Zusammenhang mit Schreckschuss- und Signalwaffen steigt: 2018 wurden 366 Vorfälle registriert, 2022 waren es 484. In den ersten neun Tagen dieses Jahres waren es demnach bereits 112 Fälle.

Die Mehrheit der von der Polizei erfassten Delikte sind Verstöße gegen das Waffengesetz, dazu gehört auch das Abfeuern von Schreckschuss- oder Signalmunition im öffentlichen Raum, zum Beispiel an Silvester.

Immer häufiger wurden bei den von der Polizei erfassten Vorfällen aber auch Menschen verletzt. 2022 waren es mit 40 mehr als doppelt so viel als noch 2018. Zudem hat sich die Anzahl der erfassten Raubdelikte unter Einsatz der genannten Waffen innerhalb von vier Jahren mehr als vervierfacht - auf 43 Fälle im Jahr 2022.

Links eine Schreckschusspistole, rechts eine scharfe Waffe (Quelle: rbb)Zum Verwechseln ähnlich: links eine Schreckschusspistole, rechts eine scharfe Waffe.

Unter anderem in solchen Fällen sieht Waffensachverständiger Schöppl eine weitere Gefahr, die von Schreckschusspistolen ausgeht. Viele der SRS-Waffen werden echten Modellen nachempfunden. Rein optisch lässt sich kein Unterschied feststellen. "Besonders in der Dunkelheit haben Polizisten und Polizistinnen im Einsatz keine Chance, das zu erkennen. Sie müssen immer vom Schlimmsten ausgehen, um sich selbst oder Dritte zu schützen", so Schöppl. Dementsprechend könne man den Polizeikräften, die an Silvester im Einsatz waren, auch nur ein Lob aussprechen, dass in dieser Nacht nichts Schlimmes passiert sei.

Infobox: Der Kleine Waffenschein

Symbolbild:Ein Kleiner Waffenschein liegt zwischen einer Schreckschuss-Pistole «Walther P22», einem Magazin und einer Knallpatrone.(Quelle:dpa/O.Killig)
dpa/O.Killig

Einen Kleinen Waffenschein beantragen kann jede Person ab 18 Jahren. Bei der Beantragung müssen die Zuverlässigkeit des Antragstellers (einwandfreies polizeiliches Führungszeugnis) sowie die persönliche Eignung (keine Alkohol- und/oder Drogenabhängigkeit, keine eingeschränkte Geschäftsfähigkeit) nachgewiesen werden.

Die ausstellende Polizeibehörde kann zur Überprüfung unbeschränkt Auskunft aus dem Bundeszentralregister einholen, sowie aus dem zentralen staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister, die Stellungnahme der örtlichen Polizeidienststelle und die Auskunft der für den Wohnsitz der betroffenen Person zuständigen Verfassungsschutzbehörde.

Der Kleine Waffenschein kann online beantragt werden und kostet in Berlin 92 Euro, in Brandenburg 50 Euro. Alle drei Jahre nach Erteilung wird die Zuverlässigkeit des Inhabers überprüft, dies kostet in Berlin jeweils 61 Euro, in Brandenburg 25 Euro.

Der Kleine Waffenschein berechtigt grundsätzlich zum verdeckten Führen von zugelassenen Schreckschuss-, Reizstoff- und Signalwaffen (SRS-Waffen), mit dem Zulassungszeichen PTB (im Kreis) der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt, außerhalb der eigenen Wohnung und des eigenen Gartens, nicht jedoch auf öffentlichen Veranstaltungen. Die Erlaubnis gilt unbefristet.

Beim Führen der Waffe sind der Kleine Waffenschein sowie ein gültiger Personalausweis oder Pass mitzuführen.

Sendung: rbb|24 Inforadio, 12.01.2023, 7 Uhr

Beitrag von Helena Daehler und Christina Rubarth

67 Kommentare

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  1. 67.

    Ich bin doch ziemlich enttäuscht, "Herr" Heinzgen. Als (ehemaliger) Pressesprecher der rechtsextremen AfD im AGH Berlin, Journalist und Eventmoderator sollten sie den Unterschied zwischen einen Forum und einer Kommentarfunktion, vergleichbar mit Leserbriefen, unterscheiden können. Also echt!

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  2. 66.

    Was sind denn Schnellschusswaffen ??? Hat da der Journalist null Ahnung was er da kritzelt? Sachkunde wäre wenigstens ansatzweise sinnvoll bevor man seinen geistigen Durchfall an die Welt hinausposaunt!

  3. 64.

    Warum willst du gleich private Pyrotechnik verbieten. Wird nie erfolgreich sein, da es genug andere Betugsquellen gibt. Aber man sollte evtl mal auf eine teilweise Einschränkung gehen. Lass den Menschen doch ihren Spaß mit Batterien und Raketen. Nur die reinen Böller braucht wohl wirklich keiner, sowie Pyros für Waffen.

  4. 63.

    Feuerwerk lässt sich auch mit Schreckschusswaffen veranstalten.

  5. 62.

    Seien wir ehrlich: Ein Hammer ist im Nahbereich aus Lebensgefährlich. Sogar noch mehr als eine Schreckschusswaffe. Dies soll nicht in Abrede stellen, dass schreckschusswaffen gefährlich sein können - falsch angewandt. Gleichwohl sollte man anmerken das vieles im Leben falsch angewandt noch sehr viel gefährlicher ist. Von Küchenmessern ganz zu schweigen...

  6. 61.

    Autos sind im Nahbereich auch lebensgefährlich wenn sie von Idioten benutzt werden. Man kann doch nicht alles verbieten, was ein paar Spinner falsch handhaben!

  7. 59.

    Küchenmesser sind übrigens im Nahbereich extrem gefährlich. Sogar ein versehentliches, bloßes Berühren kann zu stark blutenden Wunden führen. Ein versehentliches Einführen der Spitze in den Bauch ist häufig tödlich. Jährlich passieren massenhaft Unfälle mit diesen Geräten!
    Es wird höchste Zeit, dass Küchenmesser, insbesondere solche mit Spitze, verboten werden! Ebenso Messerschleifgeräte, die Küchenmesser zu solchen Mordinstrumenten machen.

  8. 58.

    ist eigentlich immer das gleiche, der Ruf nach schärferen Gesetzen die dann ohnehin nur von gesetzestreuen Leuten eingehalten werden. Welcher kriminelle wird sich daran halten? Letztendlich muss der kriminelle nun ganz einfach mit weniger gegenwehr rechnen.

  9. 57.

    Zitat:
    "Der Verband Deutscher Büchsenmacher und Waffenfachhändler geht nach einer neuesten Schätzung davon aus, dass es in Deutschland 43 Millionen SRS-Waffen gibt, die in den Händen von 16 Millionen Bürgern sind."

    Also knapp 2,7 Waffen pro Person?

  10. 56.

    "Diese Waffen sind im Nahbereich lebensgefährlich"
    Stimmt leider
    Durch ins Auge eingespielte Schmauchpartikel kann man sein Augelicht verlieren und der Gasdruck einer Knallksrtusche kann bei einem aufgesetzten Schuss tödlich sein.
    Schreckschusswaffen sind kein Spielzeug und der Fachkunfenachweis erscheint beim Erwerb erforderlich. Das hat jetzt nichts mit der Berechtigung zum Führen zu tun. Die ist separat zu erwerben.

  11. 55.

    Schön geframt...Hauptsache es kommt erstmal lebensgefährlich vor und es wird eine Scheindebatte geführt.

    "Die Mehrheit der von der Polizei erfassten Delikte sind Verstöße gegen das Waffengesetz"...also es ist bereits gegen das Gesetz verstossen worden. egal ob mit oder ohne kleinen Waffenschein. Da Abfeuern ist bereits verboten und diesem Personenkreis wir es deninitiv nicht interessieren, ob sie einen kleinen Waffenschein brauchen. Dann könnte man auch einen kleinen Tankschein fordern, damit die Mollis aufgefüllt werden können, oder einen kleinen Steinwurfschein.

    Eine idiologische Scheindebatte, um eine verbale Beruhigungspille an die Bevölkerung zu verteilen (und Millionen gehen gewissenhaft damit um), anstatt das Problem zu benennen und an den Wurzeln zu packen.
    Nur am Rande..in Berlin finden jährlich ca. 3000 Messerattacken statt, teils mit tödlichem Ausgang. Das interessiert ja auch keinen. Lieber die Polizei gendern lassen...und auch linksautonome in Schutz nehmen.

  12. 54.

    Und das von einem Kommentator-Pseudonym, dass außer Beilidigung nix substantielles zu bieten hat:
    https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2023/01/einbuergerung-einfacher-gesetzesentwurf-staatsbuergerschaft-aenderungen.html#top-of-comments
    Sie wollen offenkundig nicht verstehen, um Ihre Position auch ohne Substanzielle Argumente zu begründen - arm...
    Ja - Sie framen aka. nehmen sich das Raus was zu Ihrem Narrativ passt - trotz nachprüfbarer anderer Fakten:
    "Gegen die Verdächtigen wird überwiegend wegen Brandstiftungsdelikten, Verstößen gegen das Sprengstoffgesetz, Landfriedensbruchs sowie tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte ermittelt. Nach Angaben der Berliner Polizei wurden insgesamt 355 Straf- und Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet."

  13. 53.

    naja wenn man jedes Jahr solche Auswüchse wie Silvester und um den 1.Mai beibehalten möchte, muß man es weiter so laufen lassen bis die allerletzte Einsatzkraft geopfert wurde...

  14. 52.

    Erstens steht Ihre von mir zitierte Aussage durchaus für sich.

    Und zweitens bedarf ich ganz sicher keiner Ratschläge Ihrerseits, wie ich in diesem Forum zu kommentieren habe.

  15. 51.

    Dann sollten sie sich angewöhnen den KOMPLETTEN Verlauf durchzulesen, statt sich Aussagen herauszupicken und aus dem Zusammenhang zu reißen.

  16. 50.

    Nein, es ging um diese Ihre Aussage: "Sehr gestelzt? Sehr weit hergeholt. Wenn ich ein privates Feuerwerk veranstalten will brauch ich doch keine Schreckschußpistole, sondern eine Feuerwerksbatterie."

  17. 49.

    Wenn im Gegenzug alles verboten wird, was in meinen Augen keinen Zweck erfüllt, sind wir im Geschäft.

  18. 48.

    In meinen Augen erfüllen diese Waffen absolut gar keinen Zweck und sollten verboten werden, insbesondere nicht in einer Stadt. Es gibt genug andere legale Mittel zur Selbstverteidigung. Man sollte den Jugendlichen keine Mittel und auch gar keine Bühne geben um ihre Straftaten zu verüben. Ein Verbot privater Pyrotechnik wäre ebenfalls angebracht.

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