Bilanz der ersten 100 Tage - Brandenburger Tierschutzbeauftragte kämpft gegen Qualzucht

Fr 24.03.23 | 22:00 Uhr
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Symbolbild: Englischer Bulldog (Quelle: dpa/Emily Wabitsch)
Audio: rbb24 Inforadio | 24.03.2023 | Karsten Steinmetz | Bild: dpa/Emily Wabitsch

Die Brandenburger Tierschutzbeauftragte Anne Zinke ist seit 100 Tagen im Amt. Die Fachtierärztin ist qualifiziert - aber hat keine Entscheidungskompetenz. Für ihre bisherige Arbeit bekommt sie trotzdem von vielen Seiten Lob.

  • Tierschutzbeauftragte bezeichnet Qualzucht als wichtigstes Arbeitsthema
  • Kritik an fehlenden Kompetenzen der Beauftragten
  • CDU wünscht sich weniger kritischen Blick

Röchelnde Hunde, kranke Kühe mit riesig angeschwollenen Eutern, Mastputen deren Gewicht zu schwer für ihr Skelett ist: Anne Zinke hat als Brandenburger Tierschutzbeauftragte viele Themen auf ihrer Liste, aber ganz oben steht für sie der Kampf gegen sogenannte Qualzucht, wie sie sagt. Seit 100 Tagen ist die hauptamtliche Tierschutzbeauftragte des Landes im Dienst.

Von Qualzucht spricht man, wenn Tiere so gezüchtet werden, dass sie deswegen gesundheitliche Schäden und Schmerzen erleiden. Wie etwa bei den Milchkühen, die auf Leistung gezüchtet werden würden, um eine hohe Milchleistung zu haben. Aber das führe zu anderen gesundheitlichen Problemen, sagt Zinke. Eine Kuh kann unter normalen Bedingungen 20 Jahre und älter werden. In der Milchproduktion wird sie bereits mit durchschnittlich 5,5 Jahren getötet, weil sie nicht länger die erwartete Leistung schafft. Viele derart hochgezüchtete Kühe leiden ihr Leben lang unter Krankheiten.

Verbot der Zucht wird kaum durchgesetzt

Hunde, die so gezüchtet würden, dass sie darunter leiden, bekommen kaum Luft zum Atmen. Rassen wie der Mops und die englische und französische Bulldogge leiden durch Qualzucht außerdem an Bandscheibenvorfällen, Augen-, Hüftgelenks- und Kniegelenksproblemen.

Das Tierschutzgesetz in Deutschland verbietet eigentlich Qualzucht. Durchgesetzt wird das Verbot allerdings kaum. Daher will Anne Zinke als eine ihrer ersten Maßnahmen nun Veränderungen bei dem Gesetz. Was diesem fehle, sei eine konkrete Definition solcher Qualzuchtmerkmale, argumentiert die gelernte Tierärztin.

In einer fachlichen Stellungnahme an das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft forderte Zinke vor einigen Wochen unter anderem, den Schutz landwirtschaftlicher Nutztiere zu stärken, die Zucht von Tieren mit Qualzuchtmerkmalen einzudämmen und zu kontrollieren sowie den illegalen Welpenhandel einzuschränken. Man könne beispielsweise auch das Ausstellen von Tieren auf Tierschauen verbieten, die aus Qualzucht stammten - etwa Hunde.

Anne Zinke, neue Tierschutzbeauftragte des Landes Brandenburg (Quelle: dpa/Soeren Stache)
Anne Zinke studierte in Berlin Veterinärmedizin und machte nach ihrer Promotion eine Weiterbildung zur Fachtierärztin für Tierschutz. | Bild: dpa/Soeren Stache

Kritiker: Beauftragte kann kaum etwas bewirken

Wie die Tierschutzbeauftragte ihr Amt ausführt, wird in Brandenburg mit großem Interesse verfolgt. Konkrete Befugnisse und Entscheidungskompetenzen aber hat auch die Neue nicht, wie bereits ihr Vorgänger. Erst seit 2017 gibt es die Stelle, eingeführt nach einem erfolgreichen Volksbegehren gegen Massentierhaltung in Brandenburg.

Es war ein mühsam ausgehandelter Kompromiss zwischen der damaligen rot-roten Landesregierung und dem Aktionsbündnis, dass das Volksbegehren angestoßen hatte. Kritiker sagen, dass der oder die Tierschutzbeauftragte kaum etwas bewirken könne. Vor allem, weil er oder sie nur eine beratende Funktion habe. Unangekündigte Kontrollen in märkischen Ställen beispielsweise darf man nicht durchführen. Das schleunigst zu ändern, fordert beispielsweise Axel Kruschat vom Verband BUND, einer der Initiatoren des erfolgreichen damaligen Volksbegehrens.

Eher Ansprechpartnerin als Bekämpferin von Missständen

Die 35 Jahre alte promovierte Fachtierärztin für Tierschutz versteht ihren Job anders, wie sie sagt. Sie sehe sich erst einmal als Ansprechpartnerin für alle möglichen Seiten: Bürger und Bürgerinnen, aber auch Veterinärämter, Tierschutzvereine und die Politik. Kontrollen in Betrieben wolle sie den Veterinärämtern überlassen, weil es keine andere Rechtsgrundlage dafür gebe: "Meine Aufgabe ist, den Tierschutz übergeordnet, also quasi losgelöst von den Verwaltungsstrukturen zu verbessern", sagt Zinke.

Gegen Missstände wolle sie durchaus vorgehen, allerdings nur in Zusammenarbeit mit besagten Veterinärämtern, sagt sie. Einen Stopp der Massentierhaltung, ebenfalls eine Forderung der Initiatoren des damaligen Volksbegehrens, lehne sie ab. "Ich glaube, die Frage ist, wie man Massentierhaltung definiert. Das Wort ist für mich so ein bisschen ein abstraktes Wort, weil jeder versteht irgendetwas anderes darunter. Manche verbinden damit Haltungsbedingungen, manche verbinden damit Tierzahlen", sagt Zinke, ohne näher zu erklären, was genau sie selbst unter Massentierhaltung versteht.

Am Ende gehe es darum, die Haltungsbedingungen für die Tiere grundsätzlich zu verbessern. Dazu gehöre es auch den Raumbedarf für die Tiere zu erhöhen. Das müsse schnell geschehen, so Zinke. Daran würden aber bereits viele Seiten arbeiten, die aus Tierschutzsicht interessiert seien. Welche konkreten Fortschritte von welcher Seite es hierbei gerade gibt, führte sie nicht genauer aus.

CDU moniert "Kriminalisierung" von Nutztierhaltern

Die CDU-Landtagsabgeordnete Roswitha Schier sieht die Arbeit der Tierschutzbeauftragten kritisch, wie sie sagt. Dass Zinke Tierhalter besucht, um zu gucken, ob dort alles in Ordnung ist, bewerte sie als einen "Angriff" auf die Tierhalter. "Ich finde es natürlich sehr bedenklich, wenn alle Nutztierhalter per se in eine Schublade gesteckt werden", sagt Schier. Sie fordert von der Tierschutzbeauftragten, "auch mal einen positiven Bericht darüber abzugeben", wenn diese Nutztierhalter besucht habe, um diese Nutztierhalter nicht zu "kriminalisieren". Positive Berichte stehen allerdings nicht explizit im Jobprofil der Tierschutzbeauftragten - die Stelle wurde geschaffen, um Zustände zu verbessern.

Der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Brandenburger Landtag, Benjamin Raschke, sprach von einem sehr guten ersten Eindruck, den er von Anne Zinke gewonnen habe. "100 Tage sind noch nicht so viel, aber, wir haben festgestellt, dass sie ziemlich viel unterwegs ist im Land, um sich einen Eindruck zu verschaffen", sagte Raschke. Das sei eine sehr gute Voraussetzung für eine gute Arbeit.

Andreas Büttner von der Linksfraktion sagt, er halte sie ebenfalls für eine gute Besetzung. Was die Ausstattung mit Kompetenzen betrifft, sagt er: "Da gibt es im Bereich von Frau Doktor Zinke sicherlich Nachbesserungsbedarf."

12 Kommentare

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  1. 12.

    Mein Vorwurf richtet sich in erster Linie an die Entscheidungsträger in der Politik. Die Grünen sollten als Verbotspartei eigentlich kein Problem haben, hier mal nicht nur die Regenbogen-Flagge zu zeigen. Sonst ereifern sie sich auch, und ggf. sogar bis hin zur Hysterie.
    Auch eine Umerziehung, wie bei anderen Themen deutlich sichtbar, ist nicht erkennbar. Das BIO-Etikett mag zwar als Feigenblatt ganz nützlich sein, ändert aber nichts grundsätzlich. Auch die private Tierhaltung stellt m.E. ein nicht zu unterschätzendes Problem da. Ob hier das Wohlbefinden der Tiere immer im Vordergrund steht, mag bezweifelt werden. Ich möchte nicht wissen, wieviel unnötiges Leid und Schaden hier zugefügt wird.

  2. 11.

    Werden Sie bitte mal konkret: An wen richtet sich Ihr Vorwurf? An die Grünen? Die haben sowohl Tierwohl als (leider) auch Gendern auf der Agenda. An die CDU? Die möchte am liebsten beides nicht, wie man oben wieder nachlesen kann. Oder richten Sie Ihren Vorwurf an all jene Bürger, die lieber Billigfleisch en masse kaufen statt höherwertigen Produkten aus bäuerlichen Betrieben, die auf's Tierwohl Wert legen (und damit übrigens Geld verdienen; wenn auch weniger als die Massentierhalter)? Was kaufen Sie? Wer ist "man" und wo ist "hierzulande"?

  3. 10.

    Ich entnehme ihrem Text, dass für Sie, wie Sie selbst ausführen, dass Gendern wichtig ist und der Tierschutz zwar ein Problem ist, das bekämpft werden muss, aber ohne Priorität. Genau das aber ist des Pudels Kern ! Anstatt sich um echten Tierschutz zu kümmern, wird hierzulande über Sitzpinkeln auf Unisex-Toiletten, Hähnchinnen-Filet und ähnlichen Irrsinn debattiert. Ich frage mich, warum man sich nicht genauso intensiv und vehement um das Tierwohl kümmert ? Wenn Geld damit zu verdienen wäre, könnte man sich vor Lobbyisten wahrscheinlich kaum retten.

  4. 9.

    „ Es ist traurig und beschämend …“
    „ Hunde, die so gezüchtet würden, dass sie darunter leiden, bekommen kaum Luft zum Atmen. Rassen wie der Mops und die englische und französische Bulldogge leiden durch Qualzucht außerdem an Bandscheibenvorfällen, Augen-, Hüftgelenks- und Kniegelenksproblemen.“
    Es ist traurig und beschämend, dass es überhaupt Menschen gibt, die sich solche Hunde als Statussymbol halten.

  5. 8.

    Der VDH hat Qualzuchten stark reglementiert und diese Hunde von Ausstellungen in D ausgeschlossen. Somit werden diese Hunde nicht mehr mit VDH-Papieren ausgestattet. Da der Markt über die Nachfrage geregelt wird, werden diese Hunde weiter gezüchtet und teuer ohne Papiere verkauft. Traurig, dass angebliche Hundeliebhaber die Qual ihrer Hunde in Kauf nehmen, weil ja angeblich genau diese Merkmale der Qualzucht 'so niedlich 'aussehen. Das nenne ich mal Liebe für den eigenen Hund! Ironie off

  6. 7.

    Der VDH hat Qualzuchten stark reglementiert und diese Hunde von Ausstellungen in D ausgeschlossen. Somit werden diese Hunde nicht mehr mit VDH-Papieren ausgestattet. Da der Markt über die Nachfrage geregelt wird, werden diese Hunde weiter gezüchtet und teuer ohne Papiere verkauft. Traurig, dass angebliche Hundeliebhaber die Qual ihrer Hunde in Kauf nehmen, weil ja angeblich genau diese Merkmale der Qualzucht 'so niedlich' aussehen. Das nenne ich doch mal Liebe zum Hund!!! Ironie off

  7. 6.

    Was hat Roswitha Schier am Begriff „Tierschutzbeauftragte“ nicht verstanden? Im Vergleich zu all den Wirtschaftslobbyisten (auch in ihrer Fraktion) ist die Beauftragte völlig hilflos – aber selbst das scheint Frau Schier schon zu viel zu sein. Sie glaubt offenbar, dass eine Tierschutzbeauftragte sich um den Schutz von Tierhaltern zu kümmern hat.

    Seltsam finde ich auch, dass eine gelernte Krankenschwester und Verkäuferin sich anmaßt, einer studierten Tierärztin ins Handwerk zu pfuschen. Waren die Bauernfunktionäre der CDU alle schon im Wochenendurlaub?

  8. 5.

    Was hat das Genfern mit dem Problem zu tun? Genfern ist wichtig und richtig! Aber das hier beschriebene Problem ist einfach ein anderes und gehört selbstverständlich bekämpft.

  9. 4.

    "Pervers" im Sinne niederer Beweggründe ist dann wohl eher die Qualzucht aus optischen Gründen: Es ist unfassbar, wieviele "Tierfreunde" Gefallen finden an offensichtlich völlig unnatürlicher, ungesunder Körperform u.a. von Katzen und Hunden, verbunden mit lebenslangem Leid. - Qualzucht zur Erzielung höherer Rendite hingegen fällt wohl eher unter simplen Egoismus mit potenziell kriminellen Zügen. Traurig, aber dennoch offensichtlich, dass hierzu gesetzlicher Handlungsbedarf besteht. - Beinahe lustig hingegen wieder die "Nichtstun!"-Forderung der CDU: Kontrollen seien abzulehnen, weil sie eine generelle Kriminalisierung darstellten. So, als hätten anständige Landwirte was zu verbergen. Und als könnten eindeutig vorhandene Probleme durch Aussitzen und 'Weiter so!' gelöst werden. Aber das war und ist ja in diesemunsrem Land schon immer ein todsicheres Rezept für Wahlerfolge.

  10. 3.

    Natürlich moniert auch hier wieder die CDU, es geht hier immerhin um Geld, egal wie es den Tieren dabei geht. Qualzucht wegen Leistung ist schlicht pervers!

  11. 2.

    Es ist traurig und beschämend , dass es die Parteien, und zwar durch die Bank alle, und besonders die mit dem " C " im Namen, es seit Jahrzehnten nicht geschafft haben, passende und strenge Gesetze zum Wohle und zum Schutz der Tiere zu machen. Ehrfurcht vor der Kreatur sieht anders aus. Leider zählen die sog. Werte wohl nicht dazu. Dafür gendert man umso mehr und kümmert sich lieber intensiv um nebensächliche Randprobleme.

  12. 1.

    An Fachleuten mit Wissen und guten Ideen fehlt es nicht; es fehlt am politischen Willen mal was umzusetzen

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