Sonderrechte entzogen - Berliner Gericht bestätigt: Altkanzler Schröder hat keinen Anspruch auf Büro

Do 04.05.23 | 15:52 Uhr
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Altkanzler Gerhard Schröder (Quelle: dpa/Christoph Hardt)
Audio: rbb24 Inforadio | 04.05.2023 | Georg Schwarte | Bild: dpa/Christoph Hardt

Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) hat keinen Anspruch auf ein Büro im Bundestag. Das hat das Berliner Verwaltungsgericht am Donnerstag entschieden und eine Klage Schröders gegen einen Beschluss des Haushaltsausschusses des Bundestages zurückgewiesen.

Dieser hatte ihm im Mai 2022 einen Teil seiner Sonderrechte entzogen und sein Büro stillgelegt. Zur Begründung hieß es, der Altkanzler nehme keine Verpflichtungen im Zusammenhang mit seiner früheren Tätigkeit mehr wahr.

Büroräume und Personal für frühere Kanzler nicht gesetzlich geregelt

Seine Anwälte bestreiten das. Es werde "behauptet, Herr Bundeskanzler a.D. Gerhard Schröder nehme die sog. 'nachwirkenden Dienstpflichten' nicht mehr wahr". Dabei werde aber nicht festgelegt, was nachwirkende Dienstpflichten überhaupt seien und "wie ihre Wahr- beziehungsweise Nichtwahrnehmung zu ermitteln ist", hieß es in einer Erklärung der Anwälte.

Die Frage, welche Ausstattung früheren Kanzlerinnen und Kanzlern auf Staatskosten zusteht, ist bislang - abgesehen von deren Ruhebezügen - nicht gesetzlich geregelt. Über die Mittel insbesondere für Büroräume und Personal entscheidet der Haushaltsausschuss des Bundestages.

Gericht sieht keinen Anspruch Schröders

Das Gericht begründete die Entscheidung damit, dass der Bundestag alleine entscheiden könne, wofür er das Geld ausgibt: "Zwar gibt es seit über 50 Jahren eine einheitliche und dauernde Übung, nach der Bundeskanzler a.D. ein Büro mit Stellenausstattung erhalten", erklärte die Vorsitzende Richterin, Gerichtspräsidentin Erna Viktoria Xalter. Ein Anspruch ergebe sich daraus aber nicht.

Dagegen spricht nach Überzeugung des Gerichts die Budgethoheit des Parlaments, die verfassungsrechtlich garantiert ist. Schröder kann sich laut Gericht auch nicht auf den Grundsatz der Gleichbehandlung berufen. Die Einrichtung eines solchen Büros richte sich allein nach öffentlichem Interesse, weil es um die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben gebe.

Ruhegehalt und Personenschutz nicht angetastet

Möglicherweise spielten Schröders Verbindungen zu russischen Konzernen oder zu Wladimir Putin bei der Entscheidung eine Rolle. Vor der Stilllegung seines Büros hatte der Altkanzler deswegen massiv in der Kritik gestanden. In dem Antrag auf Entzug seiner Sonderrechte waren Schröders Verbindungen zu russischen Konzernen oder Putin aber nicht genannt worden.

Schröders Büro hatte vier Stellen und nahm sieben Räume im Gebäude des Bundestags ein. Ruhegehalt und Personenschutz des 79-Jährigen wurden hingegen nicht angetastet.

Berufung theoretisch möglich

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Schröder kann gegen das Urteil Berufung beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg einlegen. Außerdem könnte er gegen die SPD-Bundestagsfraktion klagen, wenn es um die bloßen Räumlichkeiten geht. Die Fraktion hatte dem Altkanzler die Räume zur Verfügung gestellt.

Geklagt hatte Schröder gegen das Bundeskanzleramt, dem Büro und Personal formal unterstellt sind.

Bei der Verhandlung in Berlin war der 79-Jährige nicht anwesend. Schröder sei verreist und werde sich auch nach dem Urteil zunächst nicht äußern, erklärte sein Anwalt Michael Nagel. Dieser verließ das Gericht ebenfalls ohne Kommentar mit Verweis darauf, dass sich die Vertreter des Bundeskanzleramtes ebenfalls nicht äußern wollten.

Steuergelder finanzieren Ausstattung früherer Funktionsträger

Der Vorgang ist bislang einmalig in der bundesdeutschen Geschichte und wirft ein Schlaglicht auf die mit Steuergeld finanzierte Ausstattung früherer Funktionsträger. "Die bisherige Gesetzeslage ist außerordentliche lückenhaft", fasste Gerichtssprecher Stephan Groscurth Erkenntnisse aus dem Schröder-Verfahren zusammen.

Seit mehreren Jahrzehnten ist es üblich, dass ehemalige Bundeskanzler und Bundespräsidenten nach dem Ende ihrer Amtszeit ein Büro erhalten. Diese Regelung reicht zurück bis in die Zeiten von Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU). Die Büros wurden bislang auf Lebenszeit zur Verfügung gestellt und konnten über Jahrzehnte existieren.

Die personelle Ausstattung entwickelte sich über die Jahre. Sie unterliege offensichtlich einem "gewissen Verhandlungsgeschick", befand Gerichtspräsidentin Xalter. Aus dem Bundeshaushalt wurden demnach seit 1967 drei Stellen finanziert, 1974 seien es bereist mehr Stellen gewesen. Die ehemalige Kanzlerin Angela Merkel (CDU) verfügt seit Amtsende über ein Büro mit neun teilweise hoch besoldeten Mitarbeitern.

Forderungen nach mehr Kontrolle

Der Bundesrechnungshof hatte vor einigen Jahren eine mangelnde Kontrolle kritisiert. Im Frühjahr 2022 regelte die Koalition von SPD, Grüne und FDP jedoch die Alimentierung generell neu. Sie ist nun abhängig davon, ob die früheren Top-Politiker tatsächlich noch Aufgaben im Zusammenhang mit ihrem früheren Amt übernehmen, also etwa Schirmherrschaften haben und Reden halten.

Das Urteil bestätige das Vorgehen, betonte der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dennis Rohde. "Das ist eine Entscheidung im Sinne der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in unserem Land."

Die Linke forderte unterdessen eine grundsätzliche Lösung. "Büros von Altkanzlerinnen und Altkanzlern sind für mich aus der Zeit gefallen. Sie brauchen keinen eigenen Hofstaat auf Lebenszeit. Die Büros müssen aufgelöst werden", forderte Gesine Lötzsch, stellvertretende Vorsitzende und haushaltspolitische Sprecherin der Fraktion.

Sendung: rbb24 Inforadio, 04.05.2023, 15:40 Uhr

52 Kommentare

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  1. 52.

    "Das Gericht begründete die Entscheidung damit, dass der Bundestag alleine entscheiden könne, wofür er das Geld ausgibt:" Das ist natürlich immer richtig. Aber ergibt sich damit nicht eine Art Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot, wenn es erst genehmigt wurde?

  2. 51.

    Das ist von der Schlussfolgerung klar überzogen. Umstände, die nicht geregelt sind, erliegen dem Ermessen und das ist in Deutschland leider viel zu sehr unterbelichtet. Gerade hierzulande wird Ermessen mit Willkür oder - Ihrerseits - mit Veruntreuung gleichgesetzt, soweit Finanzen eine Rolle spielen.

    Eine Fortführung des Amtes mit bloß anderen Mitteln und in bloß anderer Position sollte allerdings erkennbar sein. Das war und ist bei Schröder nicht gegeben.

  3. 50.
    Antwort auf [TRAMSR] vom 05.05.2023 um 18:19

    Äh?
    Aus welchem Grund greifen Sie das Personal an und soll in die Produktion/Zementwerk/Schonplatz?

  4. 49.

    Solange unsere Spitzenpolitiker wie unsere Regierung das Wunschpersonal zu ihrer Verstärkung einstellen, wie aktuell Herr Habeck und der Verwaltungsapparat immer mehr ausufert, wird sich trotz Steuerzahlerkritik nichts ändern. Fachlich kaum Ahnung, Hauptsache politische Reden schwingen . Und die eigene Verantwortung nach unten verschieben. Wer wird sich denn den Ast absägen ,auf dem er sitzt. Milliarden € in der Welt verteilen und die eigene Bevölkerung mit hohen Steuern abzocken , ist doch die Grundlinie . Man lernt von den EU-Oberen, da ist Ex-Bundeskanzler Schröder noch bescheiden. Ich persönlich bin auch der Auffassung, dass die Pensionen der Politiker nicht zu gering bemessen sind.

  5. 47.

    Augenfällig ist hierbei, dass ihm die Sonderrechte im Zusammenhang mit Russland gekündigt wurden. Man kann zu diesen Sonderrechten stehen wie man will. Aber Deutschland muss aufpassen, dass wir uns ehemalige Kanzler und Minister durch solche Aktionen gefügig und mundtot machen. Die Gefahr sehe ich hier.

  6. 46.

    Wenn die Justiz nach politischen Herschermeinungen richtet ist ein Land entgültig in der Diktatur angekommen.

  7. 45.

    Da hofft man geradezu, dass Ex-Kanzlerin Merkel die Sonderrechte auch aberkannt werden, schließlich führte sie die russlandfreundliche Politik Schröders weiter, vertiefte sie sogar.

  8. 44.

    Diese nachwirkenden-fortwirkenden Privilegien gehören abgeschafft. Nach der Amtszeit sollten die Herrschaften wie jeder andere Staatsbürger sich um ihr eigenes Fortkommen kümmern müssen.
    Und nicht nur das-auch die üpprige Ausstattung mit öffentlichen Mitteln während der Amtszeit gehört radikal eingeschränkt. Schon alleine, damit künftig keine Wahrsagerinnen aus öffentlichen Steuermitteln alimentiert werden können. Wie unlängst in den Reihen der afd geschehen.

  9. 43.

    spricht mir aus der Seele ! Guter Beitrag !

    Was ich allerdings erwarten würde (klar, nicht von G. Schröder, aber von jedem Menschen mit Charakter und einem Gewissen) wäre mal zumindest im Ansatz eine öffentliche Entschuldigung.

    Und hier (das in den Klammern oben) unterscheidet den Fall Schröder auch von allen, teils berechtigten, Kritiken an der Amtszeit einer Frau Merkel.

    Es gibt ja nicht ohne Grund auch ein Schuldstrafrecht, von daher machts schon nen Unterschied, ob jemand was aus Kalkül, aus Gier, wissentlich zum Nachteil Dritter tut, oder einfach nur gewisse Situationen fehleinschätzt (punktuelle Inkompetenz als Vorwurf an Frau Merkel lasse ich mir gern noch einreden). Mehr aber eben auch nicht ! OK, ne gewisse Spur Opportunismus vielleicht noch.

  10. 42.

    Nein, bis 2015 hat Deutschland das Asyl- und Flüchtlingsrecht sehr restriktiv ausgelegt. Insofern kann man da sehr wohl von einer "Grenzöffnung" sprechen. Davon ab ist es für Ärzte und andere Fachkräfte überhaupt nicht notwendig, über das Asylverfahren nach Deutschland zu kommen. Diese Fachkräfte werden händeringend gesucht und können jederzeit und problemlos Arbeitsvisa zur dauerhaften Einreise beantragen, sogar ohne Gefahr, wieder zurückgeführt zu werden. Die meisten Fachkräfte machen aber wegen der im internationalen Vergleich schlechten Arbeitsbedingungen einen großen Bogen um Deutschland. Die Entscheidung einiger Fachkräfte, doch nach Deutschland zu gehen, ist größtenteils durch den Bürgerkrieg dort quasi erzwungen worden. Für die Menschen dort eine Katastrophe, für die deutsche Wirtschaft dagegen ein Glücksfall. Ohne diesen Krieg wäre kaum einer davon gekommen, denn die hatten auch in Syrien ein sehr gutes Auskommen.

  11. 41.

    Gegen eine befristete Regelung zur Übergabe der Amtsgeschäfte ist ja auch überhaupt nichts einzuwenden. Ganz im Gegenteil, es wäre schlimm, wenn dies nicht so wäre. Aber das ist ja wohl unzweifelhaft eine zeitlich extrem befristete Angelegenheit. Mithin kann und darf das nicht länger als ein halbes Jahr andauern. Wenn danach der neue Kanzler immer noch meint, auf die Unterstützung des Altkanzlers bzw. sogar mehrerer davon angewiesen zu sein, muss er diese als Berater aus den normalen ihn zur Verfügung stehenden Mitteln finanzieren. Es gibt keinen ersichtlichen Grund, warum der Steuerzahler neben den üblichen Angestellten des jeweiligen Kanzlers noch weitere Posten finanzieren sollte.
    Und doch: Schröder wurde das Büro im Zusammenhang mit der Diskussion über seine Russlandäußerungen gestrichen. Nach über 16 Jahren ist der Grund, er hätte keine Aufgaben mehr, doch nur noch vorgeschoben. Das war schon seit Jahren der Fall und trotzdem bekam er weiter diese Privilegien.

  12. 40.

    Früher nannte man das Sippenhaft,wenn jemand für die Taten eines anderen in Haftung genommen wird.

  13. 39.
    Antwort auf [bürger] vom 05.05.2023 um 08:42

    Immer wieder das deutschtümeliche Gesülze von der Grenzöffnung.
    Die war immer offen !!!
    Versuchen Sie mal heute im CTK einen " biodeutschen" Arzt zu finden. Das Krankenhaus wäre ohne Syrer u.a. längst zu Sie Held.

  14. 37.

    Bestimmt nicht, weil der Steuerzahler es so will !! Wie war das mit der Krähe ...?

  15. 36.

    Merkel werden vom Steuerzahler finanziert: Eine Büroleiter, ein stellvertretenden Leiter, zwei Referentinnen, drei Sachbearbeiter und zwei Fahrer. Die Mitarbeiter sollen Merkel bei der Vorbereitung von Terminen, beim Schreiben von Reden oder anderen administrativen Jobs im Büro behilflich sein. Sprich: bei Aufgaben, die sich aus der Rolle einer Ex-Kanzlerin ergeben.

  16. 35.

    Gut gebrüllt, Löwe! Nur warum kann sich Merkel auf Kosten des Steuerzahlers einen ganzen Hofstaat halten?

  17. 34.

    GUT SO, wurde aber langsam auch Zeit, dass diesem HERRN die Sonderrechte auf Kosten der Steuerzahler entzogen werden.

    Das sollte aber auch nach einer gewissen Übergangszeit für
    ALLE EHEMALIGEN
    gelten.

  18. 33.

    Hat ja nur einen Krieg gebraucht um das festzustellen. Wo ist eigentlich der Bund der Steuerzahler bei solchen Sachen?

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