Berliner Verkehrspolitik - Wegner verteidigt Radwege-Baustopp

Fr 23.06.23 | 18:11 Uhr
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Verkehr mit Fahrraedern auf der Bergmannstrasse in Berlin. (Quelle: dpa)
Audio: rbb24 Inforadio | 23.06.2023 | Stephan Ozsvath | Bild: dpa

Berlins Verkehrssenatorin steht seit Tagen in der Kritik, weil sie etliche Radwegeprojekte infrage stellt. Der Regierende Bürgermeister gibt ihr Rückendeckung. Das Thema werde "aufgebauscht".

  • Berlins Regierender bekräftigt Linie von Verkehrssenatorin Schreiner
  • Nur in Einzelfällen will Wegner Parkplätze für Fahrradweg wegfallen lassen
  • Koalitionspartner SPD pocht auf Ausbau des Radwegenetzes

Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner hat die neue Vorgabe der Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) verteidigt, zahlreiche Radwegeprojekte auf den Prüfstand zu stellen. "Das ist kein Stopp, sondern eine Prüfung und Priorisierung. Und das ganze Thema wird zu Unrecht aufgebauscht", sagte der CDU-Politiker dem "Spiegel" am Donnerstag.

Parkplätze könnten für Radwege wegfallen

"Im Koalitionsvertrag steht, dass wir deutlich mehr Radwege bauen wollen als die letzte Landesregierung. Was ich nicht will, sind Radwege, mit denen man Autos mutwillig ausbremst", so Wegner. Er schließe aber nicht aus, dass für sichere Radwege in Einzelfällen auch Parkplätze wegfallen können: "Wir prüfen die Radwege, die die Vorgängerregierung geplant hat, und werden die sinnvollen priorisieren", sagte er.

Er wolle erreichen, dass in dreieinhalb Jahren Radfahren in Berlin sicherer geworden sei. "Gerade in Kreuzungsbereichen - da passieren die meisten tödlichen Unfälle. Es ist bekannt, an welchen Kreuzungen. Natürlich muss ich dafür mal zwei, drei, vielleicht sogar fünf Parkplätze wegnehmen."

Wegner: Keine Politik gegen das Auto

Er wolle zurück zu mehr Realismus und Pragmatismus, sagte Wegner. "Die Fehler grüner Verkehrspolitik sind ein entscheidendes Thema, warum ich hier heute sitze. Die große Mehrheit der Berlinerinnen und Berlinern war es leid, dass eine Verkehrspolitik einseitig gegen das Auto gemacht wird. Dafür stehe ich nicht zur Verfügung."

Die Verkehrsverwaltung hatte am Freitag mitgeteilt, dass Radverkehrsprojekte gestoppt werden sollten, die eine "erhebliche Beeinträchtigung von Wirtschafts- und Lieferverkehr" zur Folge hätten, für die mehrere Autostellplätze wegfallen müssten oder die dazu führen würden, dass Fahrstreifen und Bussonderfahrstreifen wegfallen würden.

Wegner forderte mit Blick auf den begrenzten Straßenraum, jeder müsse seinen Platz haben. "Wenn ich mir die Entwicklung der Mobilität anschaue, muss ich natürlich zur Kenntnis nehmen, dass deutlich mehr Menschen mit dem Rad fahren als noch vor 10 oder 15 Jahren", sagte er. "Das heißt, auch Fahrradfahrer brauchen mehr Raum in der Stadt. Das ist unstrittig. Und ja, dafür muss man auch mal eine Autospur wegnehmen. Aber es muss sinnhaft sein."

Der CDU-Politiker betonte, er wolle eine Verkehrswende. "Das habe ich im Wahlkampf auch immer gesagt. Aber ich will eine Verkehrswende mit den Berlinerinnen und Berlinern." Wegner sprach sich außerdem für eine Antriebswende aus. "Wir wollen die verschiedenen Verkehrsmittel erhalten, auch den Individualverkehr", so der CDU-Politiker. "Aber sie sollen nicht mit fossilen Brennstoffen, sondern klimaneutral angetrieben werden. Doch dafür fehlt noch die Infrastruktur. Warum machen wir das nicht viel intensiver in Berlin?"

SPD-Chef Saleh kritisiert "Kommunikationsdesaster" zum Radwegebau

SPD-Landes- und Fraktionschef Raed Saleh pocht darauf, dass das Radwegenetz in Berlin ausgebaut werden müsse. "Über das Kommunikationsdesaster des Senats der vergangenen Tage zum Radverkehr in Berlin kann man nur den Kopf schütteln", sagte Saleh am Freitag mit Blick auf die Diskussionen, die Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) mit ihren Ankündigungen zu Einschränkungen beim Radwegebau ausgelöst hatte.

"Wir wollen und werden nämlich mehr und sichere Radwege in Berlin bauen und diese Prozesse beschleunigen", betonte Saleh. "Dazu sind wir in der Koalition verabredet zu priorisieren, welche der über 50 Projekte schon in den nächsten drei Jahren fertiggestellt werden können."

Aus Sicht des SPD-Politikers ist nicht das Ziel, die Ansprüche an den Radwegebau zurückzuschrauben: "Das Mobilitätsgesetz gilt weiter und wird lediglich unter den Aspekten der Erhöhung der Verkehrssicherheit und der Anpassung an örtliche Gegebenheiten überprüft", sagte er. "Von einem Stopp der Radverkehrsplanung und des Radverkehrsbaus kann keine Rede sein."

Sendung: rb24 Inforadio, 23.06.2023, 15:26 Uhr

69 Kommentare

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  1. 69.

    Vernünftige Entscheidung des Berliner Senats, Bitte bleiben Sie standhaft.
    Vielen Dank von einem SPD-Wähler (Autofahrer, Radfahrer, BVG-Nutzer)

  2. 68.

    Die CDU und Herr Wegner ist echt gut im Status Quo verwalten. Die Welt um uns herum verändert sich aber gravierend und wir müssen gewohnte Dinge in Frage stellen. Die Jahre mit der CDU in der Regierung sind für die Stadtentwicklung verlorene Jahre. Dabei waren wir schon auf einem guten Weg. :-(

  3. 67.

    Und ich habe mit einem Freund zusammen auch ein Auto und möchte mehr Fahrradwege. Klingt komisch, ist aber so. Aber mal ganz abgesehen davon: Die große Mehrheit hat nicht CDU gewählt, und ich sehe nicht, woraus Herr Wegner ableiten kann, dass ein Großteil SPD-Wähler den aktuellen Kurs von seiner Verkehrssenatorin befürworten. Und selbst dann wäre es noch keine große Mehrheit.

  4. 66.

    "Leute wie Sie spreche ich an, die es unmöglich machen (warum auch immer) für einen Ausgleich aller Interessen hinzuarbeiten."

    Warum? Zwei Gründe: Weil diejenigen, die von "Interessensausgleich für aller" sprechen, es in erster Linie um die eigenen Interesse geht. Welcher Autofahrer ist denn bereit, eine Fahrspur an Radfahrer abzugeben, damit Fußgänger mehr Platz haben (z.B. Schönhauser)?

    Und es ist schlichtweg unrealistisch. Alle Interessen? Also die jedes Anwohner des Kiezes? Jedes Händlers? Jedes Handwerker, der da mal langfahren könnte? Jeder Fußgänger / Radfahrer / Autofahrer, der da vielleicht mal unterwegs ist? Lieferverkehr? ÖPNV, Krankenwagen? Jedes Pendlers aus Berlin und Brandenburg? Umweltschützer, Stadtplaner?

    PS: Warum ist der Interessensausgleich (für den Senat) nur für die Radinfrastruktur relevant; nicht aber für Straßen allgemein? A100 (ja, mittlerweile beim Bund), TVO....

  5. 65.

    Das dem Kraftfahrzeugen der größter Anteil an Fahrbahnen zusteht, hat einen einfachen Grund, sie sind wesentlich breiter als ein Fussgänger oder ein Fahrad, und eine Stadt ist auf sie elementar angewiesen!
    Wer es umkehren möchte, der möchte den LkW-Verkehr, die Müllabfuhr usw. abschaffen, oder über Radwege und Fusswege fahren lassen.

  6. 64.

    Die erste sinnvolle Entscheidung des neuen Senats.

  7. 63.

    Wer kann mir mal erklären warum der Radweg 150 breit sein muss , hinzu kommt die Absperrung Barken.?
    Ich bin auch Rad Wege , aber alles muss im Rahmen bleiben.

  8. 62.

    "Was ich nicht will, sind Radwege, mit denen man Autos mutwillig ausbremst"

    Ja wer will das denn? Das ist doch bloss demagogische Behauptung, mit der die CDU bereits in der Opposition dafür sorgte, dass sie heute "prüfen" und auf "den Prüfstand stellen muss" Hätte sie bereits seit Jahren ordentliche Facharbeit abgeliefert, würde die Tatsache, dass Radwege !naturellement! auf Kosten von Parkplätzen und Individual-KFZ-Fahrspuren gehen, nicht als "mutwilliges ausbremsen von Autos" denunziert und skandalisiert. Sondern als geografisch-physikalische Tatsache. Da ja niemand neuen Erdboden in der Stadt zaubern kann.

    Mir sind die Befindlichkeits- und meine-ich-eigentlich-Floskeln von Herrn Wegner humpe. Bin Leistungs- und Ergebnisorientiert.
    Vielen Dank an die Giffey-Saleh SPD für dieses Desaster. Fakt ist: Der Radwegeausbau ist gestoppt. Da wo er konkret umgesetzt werden muss. Wird uns Jahre kosten. Weil Illusionskünstler bei Wahlen das Rennen machen.

  9. 61.

    Wahnsinn, wie stur jeder seinen Standpunkt verteidigt. Vorschlag zur Güte: Alle tauschen mal für zwei Wochen: Radfahrer ins Auto, Autofahrer aufs Rad. Dann können wir uns ja nochmal unterhalten.

  10. 60.

    Herr Wegner sie haben meinen Segen.

  11. 59.

    Ihre "Minderheit" sind neben den Autofahrer samt unzähliger Carsharing-Autos in der Innenstadt auch die Nutzer des ÖPNV und die Kunden der Supermärkte etc. Sogar Radfahrer dürfen die meisten Fahrbahnen benutzen.

  12. 58.

    Das nicht nur auf der Schönhauser Allee die Radfahrer mit Fussgängern in Konflikt geraten hat einen trüfigen Grund, und der ist: Die ÖPNV-Mittel können nur nach dem übequeren des Radwegs bestiegen werden, und das müssten die Radfahrer endlich respektieren, dann gäbe es keine Konflikte.

  13. 57.

    Wer von Ihnen glaubt denn eigentlich wirklich, dass die Politiker (vielleicht mit Ausnahme von Kommunalpolitikern, die an der „Basis“ sitzen) als Interessenvertreter des Volkes handeln? Ich glaube alle haben begriffen, dass das Individualwohl des gewählten „Vertreters“ an erster Stelle steht und dann erst die Industrie des eigenen Bereichs und dann am Ende die Bürger. Es geht hier nicht um die Autofahrer… es geht um die Autoindustrie, die darunter leiden würde.

  14. 56.

    Ich,ich,Ich! Ist zwar schon oft erklärte worden, aber gut. Weil es um Haushalte geht. In meinem Haushalt sind 3 Personen, wir haben aber nur ein Auto. 3 Autos wären Quatsch, weil wir nur eines brauchen. Aber alle werden regelmäßig damit transportiert. Und alle wollen auch damit transportiert werden. Wir haben also nur ein Auto, aber alle sind dafür dieses zu haben. Klingt komisch, ist aber so.

  15. 55.

    Leute wie Sie spreche ich an, die es unmöglich machen (warum auch immer) für einen Ausgleich aller Interessen hinzuarbeiten. Ihre Argumentation ist leider eine reine Blockadehaltung. Und ebenso die Autofahrer, die nur für das Auto argumentieren. Deshalb greift ihr Kommentar recht kurz. Schade.

  16. 54.

    „Autofahrende verursachen mit Ihrem Gerät deutlich mehr Schaden - und auch Personenschaden.“
    „ Das schaffe ich mit meinem Rad nicht - das Schadenpotential ist deutlich geringer“
    Bitte ergänzen sie mal ihre „Berechnung“…. Fußgänger verursachen noch weniger Schäden als Radfahrer und wer sich garnicht bewegt …..
    Das lässt sich auf jeden Lebensbereich anwenden…. Bleibt aber trotzdem Blödsinn.
    Jeder macht für sich eine „Kosten“ Nutzen Bewertung…. Würde diese immer gegen das Auto ausfallen gäbe es keine.

  17. 53.

    Ja stimmt, früher unter derSPD galt für Frankfurt das Motto "Autoverkehr First", inzwischen, unter der CDU - Führung hat sich das geändert, aber keineswegs werden die Radfahrer priorisiert, so wie dem in Berlin sein soll.
    Ich kenne Frankfurt seit 1970 sehr gut, habe dort lange gewohnt, noch heute bin ich regelmäßig dort, und im Vergleich ist Berlin mehr auf Radwege focusiert als Frankfurt.

  18. 52.

    Ich verstehe schon, dass die Autofahrer ihre vermeintlichen Rechte verteidigen. Sie wurden ja auch während der letzten Jahrzehnte immer bevorteilt. Das will man nicht verlieren. Der Punkt ist, es kann einfach nicht mehr Platz in der Stadt geschaffen werden. Das merken sie daran, wie oft sie im Stau stehen. Wie oft Rettungswagen an Kreuzungen auf das sortieren von PKW und LKW warten müssen. Wie oft Lieferer in zweiter oder dritter Reihe parken müssen, usw. ... Wir können nur mehr Platz schaffen indem mehr Menschen den ÖPNV benutzen oder auf platzsparendere Fahrzeuge umsteigen wie Räder. Für die muss dann natürlich auch eine sichere Infrastruktur geschaffen werden. Die ist momentan leider nicht vorhanden. Das sage ich als erfahrener täglich Radfahrender - in dieser Stadt ist mein Leben und meine Gesundheit oft gefährdet. Es kann sich nur etwas ändern wenn die jahrzehntelange Bevorzugung des Autoverkehrs beendet wird. Wir können halt keinen neuen Platz für mehr Autos herzaubern.

  19. 51.

    …der Noteinsatz wird flächentechnisch wohl eher von den Autos behindert..an Fussgängern und Radfahrenden kommt der nämlich prima vorbei und im Zweifelsfall kann er ja auch den breiten Fahrradweg nutzen. Stau entsteht einfach, weil es zu viele Autos sind und dann auch noch zu viele parkende Autos potentielle Verkehrs- und Bewegungsfläche zustellen (12,5 qm pro Karre)..Anlieferungsflächen finde ich, sollten auf jeder Straße mit anliegendem Handel vorgesehen sein..

  20. 50.

    Mit Ihren tollen Abgasen und Feinstaub gefährden sie die Anderen dann ebend doch. Und wäre es weniger Individualverkehr - Lieferverkehr ausgenommen - käme der ÖPNV auch schneller voran und man könnte mehr davon einsetzen.

    Der Umschwung wird halt unangenehm, aber wenn wir weiterhin nur aufs Auto setzen, wird es schlimmer als besser. Wir müssen jetzt halt die absolut desaströse Verkehrsplanung der Vergangenheit - die autogerechte Stadt - ausbaden.

    Ganz nebenbei ist radfahren billiger, hat kein Ende, weil uns irgendwann die Kraftstoffe ausgehen und ist (eigentlich) gesünder.

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