Kommentar | Rechtsextremes Netzwerk - Abwiegeln, kleinreden, ablenken - die AfD und das Treffen am See

Do 11.01.24 | 16:12 Uhr | Von Amelie Ernst
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Archivbild: Blick auf ein Gästehaus in Potsdam, in dem AfD-Politiker nach einem Bericht des Medienhauses Correctiv im November an einem Treffen teilgenommen haben sollen. (Quelle: dpa/Kalaene)
Audio: rbb24 Inforadio | 11.01.2024 | Bild: dpa/Kalaene

AfD-Politiker diskutieren mit Rechtsextremisten über die Deportation von Millionen Menschen von Deutschland nach Afrika - und verkaufen das als unverbindlich und harmlos. Das war es aber mit Sicherheit nicht, meint Amelie Ernst.

Na klar, war doch alles ganz harmlos. Nur ein kleines, informatives Treffen in einer Villa am Lehnitzsee. Mehr oder weniger hochrangige AfD-Funktionäre waren zwar dabei, aber ja nicht in ihrer AfD-Funktion, mehr so als interessierte Bürger oder "privat", wie es Tim Krause, der stellvertretende AfD-Kreischef in Potsdam und Sprecher der AfD-Fraktion im Landtag, nennt. Auch er sei nur als Privatperson bei dem Treffen dabei gewesen, behauptet Sachsen Anhalts AfD-Fraktionschef Ulrich Siegmund. Und überhaupt sei das Treffen "kein AfD-Termin" gewesen.

Klar: Reines Privatvergnügen wie Kino, Lesen, Freunde treffen – oder eben mit Rechtsextremisten über die Deportation von Millionen Menschen von Deutschland nach Afrika diskutieren.

Ach nein, nicht "Deportation": "Remigration" heißt das doch in der Sprache der Rechtsextremisten - zumindest vorerst. Ein Begriff, der aus der Sozialwissenschaft übernommen wurde. Klingt dann auch gleich viel besser, ist nicht so radikal. Da wird man sich doch nochmal informieren dürfen - ganz unverbindlich, versteht sich.

Nach außen "Law and Order" und auf dem Boden des Grundgesetzes

Die Wortwahl passt perfekt zum Anschein, den sich die AfD nach außen geben will: Recht und Ordnung und alles auf dem Boden des Grundgesetzes. Nur das Beste für das eigene Volk. Doch wer dazugehört, das definieren die AfD und ihre Vordenker - beispielsweise bei Treffen wie dem am Lehnitzsee. Dass es bei der "Remigration", die dort diskutiert wurde, um Menschen mit deutschem Pass geht, auch um solche, die sich für Geflüchtete einsetzen, und dass dafür Grundrechte ausgehebelt werden müssten – nun ja. Auch im Brandenburger Landtag lanciert die AfD das Thema: Per Antrag hat sie die Landesregierung schon im vergangenen Jahr aufgefordert, einen "Remigrationsbeauftragten" einzusetzen.

Abwiegeln, kleinreden, ablenken

Er sei ja erst nach dem entsprechenden Vortrag des österreichischen Rechtsextremisten Martin Sellner dazugekommen, wiegelt AfD-Sprecher Tim Krause ab. Und er habe gar nicht gewusst, dass dieser dort anwesend sein würde, behauptet Roland Hartwig. Er war früher Bundestagsabgeordneter und ist heute Berater von AfD-Partei- und Fraktionschefin Alice Weidel, obwohl Sellner laut Correctiv in der Einladung angekündigt wurde.

Abwiegeln, kleinreden, ablenken – so die Strategie der AfD in solchen Fällen oder etwa die Öffentlichkeit für dumm verkaufen? Auch die Brandenburger AfD-Spitze will nichts von dem Treffen mit Sellner und Vertretern der Identitären Bewegung gewusst haben. Hans-Christoph Berndt, der Fraktionschef der AfD im Brandenburger Landtag, bittet Medienvertreter erstmal um entsprechende Informationen, anstatt einfach den eigenen Pressesprecher zu fragen. Klar!

Apropos Sprecher: Einer von Tim Krauses Vorgängern als Sprecher der AfD-Fraktion war Jörg Dittus, Vertreter der Neuen Rechten mit besten Kontakten zur Identitären Bewegung. Überhaupt rekrutiert die AfD-Fraktion im Brandenburger Landtag Referenten und Mitarbeiter offenbar gern aus dem Umfeld von Rechtsextremisten und aus der "Jungen Alternative", die für den Verfassungsschutz als "gesichert rechtsextremistisch" gilt. Für die Fraktion offenbar eher ein Einstellungs- als ein Ausschlusskriterium.

AfD plant bereits Regierungsverantwortung

Das Treffen am Lehnitzsee zeigt: Die AfD plant für die Zeit, in der sie regiert oder zumindest mitregiert in Deutschland. Und diese Pläne sind konkret, ebenso wie die Bündnisse und Netzwerke, die bei der Umsetzung helfen sollen. Und nicht alle AfD-Funktionäre sehen noch einen Grund, das hinter verschlossenen Türen zu besprechen: "Wir werden Ausländer in ihre Heimat zurückführen. Millionenfach. Das ist kein #Geheimplan. Das ist ein Versprechen", schreibt der Brandenburger AfD-Bundestagsabgeordnete René Springer auf der Social-Media-Plattform X. Es gehe "um den Erhalt unserer Identität. Für Deutschland."

Und wie so oft ist das, was nicht gesagt wird, fast noch erhellender als das, was gesagt wird. Denn ein lautes Dementi oder gar Empörung über die von Sellner vorgestellten Remigrations- oder Deportationspläne seitens der AfD fehlt bisher – stattdessen nur der Verweis auf das Parteiprogramm, in dem Entsprechendes (bisher) nicht drinsteht.

Aber auch wenn die AfD es versucht: Kleinreden lässt sich das alles nicht mehr.

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Beitrag von Amelie Ernst

67 Kommentare

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  1. 67.

    zappa und Heidrun logisch, dass ein AFD-Programm nicht rechtsextremistisch sich zeigt. So schlau ist auch die AFD. Die Wahrheit stellt sich meistens erst nach einer Wahl heraus wie eine Partei tickt, wenn sie zum ersten Mal in einer Regierung -Koalition drin ist. Da kann die eigene Wahlstimmme nicht mehr storniert werden.
    Siehe die Ampel wie die sich zusammen gebastelt hat. Sollte die AFD 2025 mit an die Regierungsspitze kommen, was eigentlich unwahrscheinlich ist trotz evtl. hohe Prozente, dann gebe ich Habeck recht der mal sagte: "Mit Deutschland kann ich nichts anfangen". Dann bin ich hier weg von DE. Es gibt auch noch Länder, wo die Politik die Menschen nicht dauernd stresst und ständig bevormundet. Das haben schon und machen schon viele, nicht nur Promis. Weil Deutschland kein Lösungsfinder ist, sondern sich wie ein Krisen-Looser sich gibt.

  2. 66.

    Aus welcher konkreten Aussage welchen AfD-Politikers schließen Sie welches Ziel, dass in Wirklichkeit verfolgt wird?
    Können Sie das benennen oder handelt es sich hier nur um Ihr "Bauchgefühl"?

  3. 65.

    Lesen lernen und zwar alles soll ja helfen, auch Ihnen sei das empfohlen. Man sollte etwas nicht nur teilweise rezitieren oder aus dem Zusammenhang reißen, auch wenn es anstrengend ist.

  4. 64.

    >"Von barbarischen Aktionen im Stil von 1933 konnte ich nichts finden."
    Was Wunder... zwischen Gedanken und Schriftsatz ist selbst bei denen auch ein Unterschied. Hätte die AfD sowas in ein Parteiprogramm geschrieben, wären die gleich raus und verboten.
    Natürlich haben deren Formulierungen Wohlklang und einen oberflächen Hauch von brauchbaren Denkansätzen. Da ist für jeden was dabei. Selbst ein Linker würde da paar wohlfeile Formulierungen finden. Es soll ja auch möglichst viele ansprechen. Aber gerade dadurch ergeben sich dann im komplexen Zusammenhang auch Widersprüche. Alles zu wollen und gegen vieles zu sein passt irgendwie nicht. Von nachvollziehbaren Finanzierungsideen ihrer angepriesenen Wohltaten mal ganz zu schweigen.

  5. 63.

    Politisches Papier ist sehr geduldig, reine Theorie was in dem AFD- Programm drin steht.
    Jedes Partei- Papier ist reine Theorie.
    Ich mag nicht einmal viel Zeit beim Lesen, der AFD verschenken. Diese Neugier verkneif ich mir.
    Was vermutlich da hinter Mauern gekocht wird, dazu würde ich gerne ein Mäuschen spielen.
    Jeder der wählen darf, bestimmt somit sein eigenes Schicksal. Ich würde den angeblichen Vorteilen der AFD nicht vertrauen . Experimente mit der AFD lehne ich strikt ab. Ich bin ein Menschenfreund und kein Menschenfeind der andere Menschen aus dem Land jagen will.

  6. 62.

    Nicht mal die rechtsextreme AfD ist so dumm dem BfV eine Steilvorlage zu liefern. Aber man muß führenden AfD Politikern nur genau zuhören um zu wissen was deren Ziele sind.

    Das ist ja nicht die erste Offenbarung der wahren Ziele dieser braunen Truppe.

  7. 61.

    Was macht eigentlich der Generalbundesanwalt beruflich?

    Und wieso scheint diese Frage im Zusammenhang so abwegig?

    Um welchen Staat, um welche Staatsräson, um welche Demokratie handelt es sich denn, wenn derartige Treffen mit solchem Inhalt nicht mindestens den Anfangsverdacht rechtsmilitanten Terrors nach sich zieht?
    Welcher Begriff von Terror ist denn der vorherrschende?
    Was bedeutet es denn für meine Nachbarinnen, Mitbürger, die solche Organisation vertreiben will, können solche Treffen abgehalten werden. Und bleiben dann vielfach in der Presse verbreitet, offenbar vollkommen straflos und repressionsfrei?
    Was in der Wirkung die nächste schlimme faktische Folge ist: Die Demokraten regen sich zwar auf. Aber sie tun halt auch nichts. Ist wie eine Bestätigung.

  8. 60.

    Da haben Sie richtig gelesen. Das Parteiprogramm der AfD ist nicht rechtsextremistisch. Extremistisch ist das NPD-Programm.

  9. 57.

    Ich habe bisher auch immer geglaubt, dass es im Parteiprogramm der AfD von Schwachsinn nur so wimmelt, und alles Nazimäßig formuliert ist. Die Kommentare hier haben bei mir diesen Eindruck erweckt und erzeugt. Nun habe ich das mal in Ruhe gelesen, und musste feststellen, dass viele vernünftige Denkansätze und Ideen dabei sind. Darüber wurde aber hier nie berichtet. Von barbarischen Aktionen im Stil von 1933 konnte ich nichts finden. Wahrscheinlich bin ich zu blöd ?

  10. 56.

    "[...] Man hätte von Anfang an die AFD entzaubern können indem man ihnen Regierungsverantwortung übergeben hätte. [...]"

    An dieser ungeheuerlichen Behauptung gibt es nichts misszuverstehen...

  11. 55.

    Die Mehrheit ist bequem aber nicht dumm. Man sägt nicht an dem Ast auf dem man sitzt. 90 % der Wähler der rechtsextremen AfD würden sich umgucken wenn sie mal das Parteiprogramm lesen würden statt der markigen Bierzeltentgleisungen.

  12. 54.

    >"Welche Ausländer sind denn gemeint ? Alle ?"
    Was diese "Konferenz" hier betraf: Ja alle. Und dann noch alle, die nicht der anvisierten "sauberen" Gesellschaft entsprechen.

  13. 52.

    "Wir werden Ausländer in ihre Heimat zurückführen. Millionenfach. Das ist kein #Geheimplan. Das ist ein Versprechen", schreibt der Brandenburger AfD-Bundestagsabgeordnete René Springer. Zitat.

    Er meint damit die Afrikaner? Das ist kein Versprechen, das ist ein Verbrechen an Menschen in Not. Was von der AFD in der Villa besprochen wird, ist unmenschlich und total krass. Ich verurteile die Menschen die sich dumm der AFD anhängen. Sie spielen selbst Roulette über ihr Leben in DE, weil sie nicht bedenken, dass auch ihr Leben sich unangenehm beschränken wird. Hört nicht auf die Spinner die meinen, sie müsste DE von der Welt isolieren. Für mich ist die AFD eine Fantasie- Partei die nur unserer Demokratie schadet.


  14. 51.

    >"Die steigenden Umfragewerte der AFD macht den etablierten Parteien Angst."
    Nicht nur den Parteien! Allen anderen demokratischen Menschen mit ein wenig Geschichtskenntnis und Blick in die Nachbarländer auch. Sicher beruhen die hohen Umfragewerte für die AfD zu einem großen Teil aus Unzufriedenheit über die Politik der letzten 10 Jahre. Das kann man aber auch anders lösen als durch Potestwahl. Die aktuellen Protestwellen zeigen schon, dass Politik sich auch bewegen könnte. Ich weiß gar nicht, woher die Leuts immer die Gedanken nehmen, eine blaue Politikwelle könnte allen dasselbe Paradies bescheren. 83 Mio Menschen mit immer anderen Wünschen und zunehmendem Egoismus: Welche Politik solls denn werden?

  15. 50.

    Ich kann die Aufregung nicht verstehen. Die steigenden Umfragewerte der AFD macht den etablierten Parteien Angst. Jedoch treibt die verzweifelte Suche nach Verbotsgründen die merkwürdigsten Triebe. Mag sein das der eine oder andere aus der AFD an solchen Gesprächsrunden teilnimmt, aber soweit bekannt gilt für Parteien das Parteiprogramm. In Berlin zeigen die etablierten Parteien bei der Neubesetzung des Verfassungsgerichts das im Zusammenhang mit der AFD demokratische Prinzipien und Recht ohne mit der Wimper zu zögern über Bord geworfen werden. Letzlich alles Wahlwerbung für die AFD

  16. 49.

    Ich kann leider nicht verhindern das sie mich so falsch verstehen wie Sie möchten.

  17. 48.

    Es war nicht so gemeint mit der Regierungsverantwortung dass man Ihnen gleich das Kanzleramt überlässt und die absolute Mehrheit, es ging darum dass sie vielleicht ein oder zwei Posten kriegen um dann zu zeigen was sie können. Wie man sich denken kann wäre zu über 90% nichts bei rausgekommen oder nur Schlechtes. Aber wie gesagt man hat es ja nicht mal versucht sondern sich gleich verweigert. Das halte ich nach wie vor für einen Fehler. Denn die Menschen die man überzeugen will die noch zu dieser Partei stehen, wird man mit einen Verbot erst recht in die falschen Arme treiben. Mit Verboten erreicht man nicht immer wirklich was, meine Befürchtung ist, dass man mit einem Verbot diese Partei in einem Licht dastehen lässt als ob guck mal die wollten was Gutes und die oberen auf die die Menschen sowieso sauer sind haben sie verboten.

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