Bezahlkarte für Geflüchtete in Brandenburg - "Wir wollen verhindern, dass Geld nach Hause überwiesen wird"
Im Sommer oder spätestens im Herbst soll die Bezahlkarte für Geflüchtete kommen. Mit dieser kann man nur noch einen Teil der staatlichen Unterstützung als Bargeld abheben. Auch Brandenburg bereitet sich vor – doch Einzelheiten sind noch offen. Von Lisa Steger
- Bundesweite Einführung bis Herbst geplant
- Brandenburg stellt zwei Millionen Euro zur Umsetzung bereit
- Überweisungen ins Ausland sollen durch Bezahlkarte eingegrenzt werden
- Geflüchtete sollen dennoch genug Bargeld für alltägliche Aufwendungen erhalten
Im Januar haben sich 14 von 16 Bundesländern darauf geeinigt, die Bezahlkarte für Geflüchtete einzuführen. Auch die beiden anderen, Bayern und Mecklenburg-Vorpommern, befürworten die Karte – möchten unter Umständen aber andere Anbieter beauftragen. In Brandenburg prescht ein Landkreis vor und ein weiterer überlegt, sich anzuschließen.
Bargeld-Einschränkung im Kreis MOL ab April geplant
Rund 2.500 Geflüchtete gibt es im Kreis Märkisch-Oderland; sie sollen, geht es nach Vize-Landrat Friedemann Hanke, schon im April die Bezahlkarte bekommen. "Wir wollen verhindern, dass in Größenordnungen Bargeld ausgereicht wird, das nach Hause überwiesen wird und dass der Eindruck entsteht, ich komme nach Deutschland, beantrage Asyl und erhalte Geld einfach so", sagt der CDU-Politiker dem rbb.
Ein alleinstehender Geflüchteter ohne Job hat in den ersten anderthalb Jahren Anspruch auf 410 Euro im Monat. 182 Euro davon sollen Betroffene in bar abheben können, 228 Euro stehen für die Kartenzahlung in Läden zur Verfügung, so der Plan des Kreises Märkisch Oderland.
Um die Karten aufzuladen, sollen die Geflüchteten einmal im Monat ins Landratsamt kommen: "Wir sind für diese Asylbewerber zuständig und ich möchte doch gern einmal im Monat wissen, wo die Flüchtlinge sich aufhalten“, so Hanke. Und fügt hinzu: Schon jetzt müssten die Flüchtlinge in Märkisch Oderland einmal im Monat erscheinen, denn sie bekommen die staatliche Unterstützung als Scheck.
Der Zusatzaufwand halte sich "nach der bisherigen Markterkundung" in Grenzen, das Vergabeverfahren habe begonnen, so Friedemann Hanke.
Abwarten in Ostprignitz-Ruppin
Auch Ralf Reinhardt, Landrat in Ostprignitz-Ruppin, will die Bezahlkarte - um Überweisungen ins Ausland zu unterbinden. "Es ist dringend notwendig, denn es ist tatsächlich so, dass Flüchtlinge das Geld nicht immer so verwenden, wie es sein sollte – zur Existenzsicherung vor Ort", sagt der SPD-Mann dem rbb. "Unsere Mitarbeiter berichten sehr häufig, dass das Bargeld in alle Länder der Welt transferiert wird." So etwas könne die Bezahlkarte "zumindest eingrenzen“, hofft der Landrat.
Er möchte, dass es schnell geht. "Wir als Landkreise wären schon in der Lage, das eingeführt zu haben, und wir hoffen, dass es durch diese bundesweite Koordinierung nicht zu noch längeren Verzögerungen kommt." Noch in diesem Jahr müsse die Karte zur Verfügung stehen, fordert Reinhardt. Die Landesregierung habe das versprochen. "Wir warten noch ein klein wenig ab." Wenn das nicht klappe, "stimmen wir uns mit Märkisch Oderland und anderen Kreisen ab, ob wir einen eigenen Weg gehen."
Städte und Gemeinden erwarten Umsetzung
Die meisten Kommunen unterstützen das Vorhaben, hat Oliver Hermann, Präsident des Städte- und Gemeindebundes Brandenburg, beobachtet. "Und jetzt ist wichtig, dass es funktioniert." Die Regeln sollten bundesweit einheitlich, die Karte "nutzerorientiert" sein, fordert Hermann. Konkret: Geflüchtete müssten noch genug Bargeld bekommen, um alltägliche Aufwendungen - etwa für Ferienfahrten ihrer Kinder - bestreiten zu können.
Ob die Bezahlkarte wirklich bis zum Herbst zur Verfügung steht, da ist sich Hermann nicht sicher. "Es noch kein erprobtes System."
Das Land Brandenburg hat knapp zwei Millionen Euro für die Umsetzung bereitgestellt. Jetzt muss es die Rahmenbedingungen festlegen: Welchen Anbieter man nimmt, ob die Karte landes- oder bundesweit gelten soll und wie viel Bargeld die Geflüchteten noch bekommen. Denn ganz ohne geht es nicht – das gebietet das Gesetz. Die Federführung liegt in der Staatskanzlei und dem Sozialministerium.
Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sagte am Mittwoch rbb24 Brandenburg aktuell, die Bezahlkarte soll sichern, dass das Geld nicht an Menschen und Organisationen geht, denen dieses nicht zusteht. Die Karte diene dazu, den Lebensunterhalt zu sichern. "Märkisch-Oderland ist der erste Landkreis, der eine Ausschreibung veranlasst hat. Es werden andere Landkreise und kreisfreie Städte folgen. Ich weiß, da gibt es ein großes Interesse", so Woidke. Bundesweit soll die Bezahlkarte nach seinen Informationen noch in diesem Jahr kommen, die Ausschreibung dazu im Juni beginnen. Das sei das gemeinsame Ziel aller Ministerpräsidenten, sagte er.
Hilfsorganisation sieht Diskriminierung
Gegen die Bezahlkarte spricht sich der Verein "Flüchtlingsrat Brandenburg" aus. "Die Bezahlkarte schränkt die Freiheit der Menschen ein, sie können nicht mehr entscheiden, wo und wie sie bezahlen und einkaufen möchten", sagt Kirstin Neumann vom Flüchtlingsrat rbb|24. "Sie soll einfach diskriminieren."
Die Karte werde es erschweren, Geld in die Heimatländer zu schicken, ist die Beraterin überzeugt. "Auch das ist diffamierend, wenn man sagt, wir wollen nicht, dass ihr eure Familien unterstützt." Ohnehin bleibe nicht viel Geld übrig, um es nach Hause zu schicken. "Die Geflüchteten werden zu Sündenböcken gemacht", findet Neumann. "Es gibt eine verfehlte Sozialpolitik." Man brauche aber "eine Sozialpolitik, die uns alle unterstützt. Wir alle sind ja davon betroffen, dass wir unsere Mieten nicht mehr bezahlen können", erklärt Neumann.
Migrationsexperte zweifelt am Nutzen einer Bezahlkarte
Innenminister und Landräte erhoffen sich von der Bezahlkarte viel. Die Zuwanderung, so glauben sie, könnte zurückgehen. Jasper Tjaden jedoch, Professor für Sozialforschung an der Universität Potsdam und Migrationsexperte, zweifelt daran. "Ich glaube, diese Erwartungen sind überzogen", so der Wissenschaftler gegenüber rbb|24. "Wenn es Effekte haben wird, dann eher in der Nachkommastelle."
Thüringer Modelle mit guten Erfahrungen
Bundesweit haben mehrere Landkreise bereits Modellprojekte gestartet, unter anderem in den Thüringer Landkreisen Greiz und Eichsfeld.
Die Greizer Landrätin Marina Schweinsburg (CDU) sagte Mitte Januar, es gebe dank der Bezahlkarte nun weniger Verwaltungsaufwand und das Zahlungsmittel genieße eine hohe Akzeptanz in der Bevölkerung und bei den Einzelhändlern, wie die Tagesschau berichtete. In Greiz nahmen zunächst rund 30 der 750 Asylbewerber am Testlauf teil.
Auch im Landkreis Eichsfeld sei man zufrieden mit der Karte. Hier habe es aber auch Menschen gegeben, die sich nach Beginn des Testlaufs nicht mehr gemeldet hätten, so der Landrat Werner Henning (CDU).
Friedemann Hanke, Vize-Landrat in Märkisch Oderland, erwartet das in seinem Kreis nicht. "Wer vor Verfolgung flieht, wird froh sein, dass er Obdach findet und versorgt wird – und dem wird es nicht primär darum gehen, wie viel Geld er bekommt."
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 07.02.2024, 19:30 Uhr