Kampf gegen Lerndefizite - Brandenburger Schulen bekommen bis zu 7.000 Euro zusätzlich - genügt das?

Fr 02.02.24 | 08:24 Uhr | Von Nico Hecht
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Ein Kind hebt während des Schulunterrichts den Arm. (Quelle: dpa/Sebastian Gollnow)
Bild: dpa/Sebastian Gollnow

Mit einem Schulbudget will Bildungsminister Steffen Freiberg gegen Lernlücken bei Schülern vorgehen. Schon ab dem neuen Halbjahr kriegen Schulen in Brandenburg dafür zusätzliches Geld. Doch ein paar Tausend Euro reichen nicht, sagen Kritiker. Von Nico Hecht

  • 3.500 bis 7.000 Euro zusätzlich für jede Schule
  • Schulen können Geld eigenverantwortlich ausgeben
  • Kritiker: Idee zieht am Grundproblem vorbei

Amrei Dettbarn ist Leiterin der Grundschule am Priesterweg in Potsdam-Drewitz. Sie ist begeistert von den Möglichkeiten, die ihr das neue Schulbudget gibt. Vor allem: Geld für zusätzliches Personal. "Wir können damit Leute einstellen, die Kurse mit unseren Kindern machen", schwärmt sie. "Das ist das, was uns am meisten hilft: kontinuierliche Beziehungsarbeit." Im normalen Unterricht hätten Lehrkräfte oft zu wenig Zeit, sich um die individuelle Förderung von Kindern zu kümmern.

Mit dem Start am 1. Februar stehen Schulen in Brandenburg für das nächste Halbjahr insgesamt 1,8 Millionen Euro zur Verfügung. Im Schuljahr 2024/25 sind es dann noch einmal 3,6 Millionen Euro. Jede einzelne Schule bekommt so ein zusätzliches Budget zwischen 3.500 und 7.000 Euro. Schulleiterin Dettbarn hält die Staffelung für sinnvoll. "Das zielt langfristig auf mehr Bildungsgerechtigkeit", findet sie.

Mehr Probleme, mehr Geld

Welche Schule wie viel Geld bekommt, wird über einen so genannten Sozialindex festgelegt. Das bedeutet, Schulen mit mehr Unterstützungsbedarf erhalten mehr Geld. Im Sozialindex gibt es drei Variablen: Wie viele Empfänger von Sozialleistungen leben im Einzugsgebiet der Schule. Wie groß der Anteil der Schüler ist, bei denen zu Hause nicht Deutsch gesprochen wird. Und wie groß der Anteil der Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf ist.

Die Grundschule in Drewitz, einem Plattenbauviertel aus DDR-Zeiten, ist in der höchsten Förderkategorie. Sie bekommt 3.500 Euro für das nächste Halbjahr. Scheinbar wenig Geld, mit dem Schulleiterin Dettbarn aber eine lange Liste an zusätzlichen Angeboten organisieren kann. Dazu zählen Deutsch- und Matheförderkurse, Hausaufgabenbetreuung aber auch musisch-ästhetische Angebote: Töpfer- und Gitarrenkurse oder ein Schulgarten. In Zahlen seien das sechs bis sieben zusätzliche Kurse, von denen gut 100 Kinder profitieren würden, sagt Dettbarn.

Größter Förderbedarf bei Mathe und Deutsch

Aus Sicht von Bildungsminister Steffen Freiberg (SPD) gibt es den größten Förderbedarf an Brandenburgs Schulen in Grundkompetenzen in Mathematik und Deutsch, aber auch bei sozialen Fähigkeiten. "Die Coronazeit ist bei Kindern und Jugendlichen besonders stark hängen geblieben. Da gibt es noch eine ganze Menge aufzuholen, damit Unterricht besser gelingt", sagt Freiberg. Die Schulen können aber selbst entscheiden, wie sie das Geld einsetzen und mit den Budgets flexibel auf die jeweiligen Förderbedarfe der Schüler reagieren.

Gewerkschaft verweist auf Personalmangel

Kritiker befürchten, dass die Schulen die Budgets nicht voll ausschöpfen werden. Beispielsweise sei es schwierig, Personal für Förderkurse in Deutsch und Mathematik zu finden, warnt Günther Fuchs, Vorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). "Wenn es die Kollegen gäbe, hätten wir sie längst als Lehrkräfte eingestellt", ist er überzeugt. In Wirklichkeit werde Geld nur von unbesetzten Lehrerstellen umgeschichtet. Er finde es "hochproblematisch", sich für das Projekt zu loben.

Linke: Besser Schulsozialarbeiter einstellen

Tatsächlich wurden zu Beginn des Schuljahres 500 Lehrerstellen nicht besetzt. Daher üben auch Teile der Opposition im Brandenburger Landtag Kritik. Das grundsätzliche Problem, den Lehrkräftemangel, könnten die Budgets nicht lösen, sagt Kathrin Dannenberg. Sie ist bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion.

Überhaupt sei das Projekt nur ein "Tropfen auf den heißen Stein". Mit den Mitteln könne man einer Hausaufgabenhilfe nicht einmal den Mindestlohn bezahlen, wenn sie jeden Tag zur Unterstützung an die Schule kommen solle. "Hier muss die Landesregierung einfach mehr Geld in die Hand nehmen", so Dannenberg. Die Schulen bräuchten Schulsozialarbeiter, pädagogische Unterrichtshilfen oder Assistenzkräfte. Kurz: mehr Personal, jeden Tag.

Vorbild: "Aufholen nach Corona"

Bildungsminister Freiberg glaubt, dass die Budgets ausgiebig genutzt werden. Die Schulen hätten bereits gute Erfahrungen mit dem ähnlichen Programm "Aufholen nach Corona" gemacht. Dabei standen knapp 70 Millionen Euro für Nachhilfen und Förderungen bereit, um Lernlücken zu schließen, die in der Coronazeit entstanden waren. Viele Lehrer hätten ihm gegenüber den Wunsch geäußert, so ein Programm wieder aufzulegen.

Das bestätigt auch Schulleiterin Dettbarn. Auch sie hätten mit "Aufholen nach Corona" gute Erfahrungen gemacht: "Die Schulen wissen selbst sehr gut, wo ihre Schüler Förderung brauchen." Sie freue sich, dass sie dafür nun wieder Geld zur Verfügung habe.

Sendung: 01.02.2024, 15:10 Uhr

Beitrag von Nico Hecht

15 Kommentare

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  1. 15.

    Erst wenn sich die Schlüsselzuweisungen an Lehrerstunden verändern können und die Klassen bei Förderbedarf verkleinert werden können, erst dann können die Lehrer individueller fördern. Alles andere ist „Wir machen was...“ ohne das der Erfolg gemessen werden kann. Wie bei „Aufholen nach Corona“. Und die Bezeichnungen für Gesetze spiegeln nicht das Ergebnis wieder. Scheinbare Marketingbezeichnungen, weil man es kann.

  2. 14.

    Genau...
    Und genau deshalb mein Statement.
    (siehe unten)
    Da ist nichts hinzu zu fügen...
    Es gibt für mich keine politisch Verantwortlichen, die nachhaltig die Bildung fördern.
    Hauptsache man ist sich bei den Diäten einig.

  3. 13.

    Ick les ja nur Übaschriften, wa. Sofort denk ick, 7000 pro Schüler, prima, man hat vastanden. Endlich passiert wat.

  4. 12.

    Die 7000 € sind die HÖCHSTsumme pro Schuljahr. Manche Schulen bekommen auch nur 50 bis 60 Prozent davon zugewiesen. Damit kann man dann so richtig was anfangen.

  5. 11.

    dumme Menschen kann man leichter Steuern, wer Gesetzeskenntnisse hat ist im Jobcenter nicht gern gesehen...!

  6. 10.

    Pro Schule,pro JAHR 7000,-€...
    Wahrscheinlich haben die dafür Verantwortlichen keine Kinder dort..
    Sonst wären es wohl eher 17000,-..pro Monat.
    Deutschland tut ganz viel in Sachen Bildung...
    Es richtet sie so systematisch zugrunde,wie es nur geht...
    Zynisch? Sarkastisch? Vielleicht...
    Leider auch realistisch..

  7. 9.

    "Die Schulen hätten bereits gute Erfahrungen mit dem ähnlichen Programm "Aufholen nach Corona" gemacht. Dabei standen knapp 70 Millionen Euro für Nachhilfen und Förderungen bereit, um Lernlücken zu schließen, die in der Coronazeit entstanden waren." Wirklich? Wo ist denn die Evaluierung des Programms? Die PISA-Ergebnisse und andere Schulvergleiche sagten empirisch etwas anderes, als ein erfolgreiches Programm. Gibt es irgendwo eine Gesamtaufstellung, an wenn damals im Endeffekt diese Mittel von den Schulen gezahlt wurden im Zuge des Programms und was genau damit gemacht wurde?

  8. 8.

    "Wir können damit Leute einstellen, die Kurse mit unseren Kindern machen" Was ist denn das für eine Aussage der Direktorin? Was sind denn das für irgendwelche Leute, die da Kurse machen sollen? Läuft das genauso wie die Corona-Aufholprojekte?

  9. 7.

    Solch eine Meldung kann man " In den Skat drücken". Das ist noch nicht einmal eine homöopathische Dosis. Das Grundübel im Bildungswesen muß anders angegangen werde. Die Poliriker denken immer, mit Geld wären die Ursachen beseitigt, doch das ist "zu kurz grdacht".

  10. 6.

    An Bildung zu sparen ist der schlimmste Fehler der Politik.

  11. 5.

    Wurde den das „Aufholen nach Corona“ untersucht? PISA sagt, es ist schlechter geworden, im Vergleich zu anderen Ländern mit Corona. Der Verdacht, Geld für „Wandertage“ verschleudert zu haben ist aber auch nicht richtig ... formuliert. Es ist wie mit dem Digitalpakt. Zuteilen von Geld ist zu wenig, wenn das Konzept der zuteilenden Bildungsverwaltung so ganz fehlt: Administratoren, Digitale Infrastruktur, zentraler Einkauf von digitalen Lehrinhalten...usw.usf.
    Folgendes reicht nicht aus: Geld austeilen und jede Schule soll Konzepte einreichen, die eigentlich Verwaltungsaufgaben sind. Die Folge: Jede Schule „doktort rum“, ohne Administratoren, ohne Fachleute, ohne Mittel für die Wartung. Als Schulleiter würde ich kein Konzept schreiben (können) und die Mittel dann nicht abrufen...
    Übrigens, wenn die gut ausgebildeten Lehrer nicht selber Unterrichtsprogramme in ihrer Freizeit machen würden...oh je.

  12. 4.

    Bei dem Budget können es nur Minijobber sein, was für ein Unsinn.

  13. 3.

    Als Schulleitung würde ich mir eher verschaukelt und nicht ernst genommen vorkommen.

  14. 2.

    Klingt zwar ganz nett, aber wie Robinson bereits gesagt hat, nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Schulen können damit nicht die jahrelange geschädigte Zeit der Pandemie durch 1-2 Neueinstellungen wett machen. Die Länder müssten hierbei wesentlich mehr investieren. Aber naja. Wie sagte meine Oma früher: "Es wir gegessen was die Kelle gibt."

  15. 1.

    Ein Tropfen auf den heißen Stein, aber immer noch besser als gar nichts.
    In der Schule meiner Kinder sind über 1000 Schüler. Das macht bei maximaler Förderung 5-7 Euro je Schüler. Also eine Förderung in der Höhe eines Mittagessens. Bei 30 € je Stunde kommen ca. 200 Förderstunden zusammen. Wobei wir damit den Billiglohnsektor fördern statt fair zu bezahlen. (Nebenkosten werden auf Aushilfe abgewälzt)

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