Wahl zu Berliner Parteispitze - Klatsche für SPD-Landeschef Raed Saleh

Sa 20.04.24 | 19:21 Uhr | Von Angela Ulrich
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Die Kandidaten für den Berliner SPD-Landesvorsitz Luise Lehmann und Raed Saleh bei einem Mitgliederforum. (Quelle: imago-images/IPON)
Video: rbb24 Abendschau | 20.04.2024 | Dorit Knieling | Studiogast: Dorit Knieling | Bild: imago-images/IPON

Co-Landeschef Raed Saleh landet mit Teampartnerin Luise Lehmann beim Mitgliederentscheid nur auf Platz drei. Ein Debakel für den Strippenzieher in der Berliner SPD. Nun müssen die Parteimitglieder zwischen zwei sehr unterschiedlichen Duos wählen. Von Angela Ulrich

Es ist nicht einfach eine dieser Niederlagen, die halt vorkommen in einem langen Politikerleben. Es ist eine Klatsche, ein Debakel für Raed Saleh. Der Strippenzieher, der starke Mann der Berliner SPD, Fraktionschef seit 2011 und seit dreieinhalb Jahren auch Co-Landeschef der Berliner Sozialdemokraten neben Franziska Giffey wird abgestraft von den Parteimitgliedern beim Rennen um einen neuen Landesvorsitz.

Nur 1.309 von 8.363 gültigen Stimmen, also gerade mal 15,65 Prozent, haben Saleh und seine Teampartnerin Luise Lehmann bekommen. Und das lag weniger an der Unbekanntheit der 27-jährigen Bezirkspolitikerin und Ärztin aus Marzahn-Hellersdorf. Es lag daran, dass offensichtlich viel mehr Genossinnen und Genossen tatsächlich mit dem Erfahrenen, dem Lenker an der Spitze von Fraktion und Partei, nicht mehr zufrieden waren. Sie wollen einen Neuanfang – aber in welche Richtung der gehen könnte, ist nach Runde eins des Mitgliederentscheids noch unklar.

Zwei sehr unterschiedliche Duos in der Stichwahl

Saleh selbst äußerte sich erstmal nicht nach dem Wahldebakel. Weder er noch Luise Lehmann sind dabei, als Noch-Parteichefin Franziska Giffey im Kurt-Schuhmacher-Haus im Wedding das Ergebnis des SPD-Mitgliederentscheids bekannt gibt. Giffey ringt zunächst sichtlich um Fassung. Es ist auch für ihre Vorsitz-Arbeit kein gutes Zeugnis, wenn die große Mehrheit der SPD-Mitglieder neue Gesichter an der Parteispitze sehen will – auch wenn Giffey selbst nicht mehr angetreten war.

"Ich glaube, wir haben jetzt die Entscheidung zwischen sehr klaren Profilen", sagt Giffey, und meint die verbleibenden Kandidaten-Duos für die Stichwahl: Da sind die Parteirechten Martin Hikel und Nicola Böcker-Giannini – der Neuköllner Bezirksbürgermeister und die frühere Sportstaatssekretärin haben sensationelle 48,24 Prozent der Stimmen erreicht. Fast also die absolute Mehrheit, die sie gebraucht hätten, um das Vorsitz-Rennen schon in Runde eins für sich zu entscheiden.

Ihnen gegenüber die Parteilinken Kian Niroomand und Jana Bertels, sie haben 36,11 Prozent der Stimmen errungen. Für den SPD-Vize und die frühere Vorsitzende der SPD-Frauen haben sich unter anderem die Jusos stark gemacht. Beide stehen rechts und links neben Giffey an diesem Nachmittag in der SPD-Parteizentrale, vielleicht nur zufällig genau so, wie sie sich auch politisch verorten, und hören als erstes Giffeys beschwörende Worte: "Egal, wer von diesen beiden Paaren das Rennen machen wird, sie werden die Verantwortung haben, die Partei zu einen", sagt Giffey und fährt fort damit, was ihr noch wichtiger erscheint, "und eng zusammenzuarbeiten mit der Fraktion und auch mit dem Senat. Denn nur dann geht es, wenn die drei wichtigen Organe der SPD eng zusammenarbeiten."

Wohl keine geräuschlose Begleitung der SPD-Arbeit in der Koalition

Die beiden Teams versichern, dass sie genau das tun werden. "Wir wollen, dass diese Partei geeint ist und zusammenhält", sagt Nicola Böcker-Giannini. "Wahrlich einen Einschnitt" nennt ihr Teampartner Martin Hikel hingegen das Ergebnis. Zusammenarbeit werde es weiter geben, so das Versprechen. Gleichzeitig stehen aber gerade Hikel und Böcker-Giannini für einen Richtungswechsel. Sie stellen die Gebührenfreiheit im Bildungsbereich infrage. Zumindest dürfte die kostenfreie Kita kein Selbstzweck sein, meint der Neuköllner Bürgermeister und fordert erneut eine Umverteilung, damit mehr Qualität möglich sei. Schluss mit dem "Weiter so", erklärt Hikel. Auch über das gerade auf Druck der SPD beschlossene 29-Euro-Ticket sagen die beiden Vorsitz-Anwärter der Parteirechten weiterhin: Das gehöre auf den Prüfstand, angesichts der desolaten Haushaltslage.

Auch beim anderen Kandidatenpaar, Kian Niroomand und Jana Bertels, klingt Kritik durch. Eine kostenlose Kita sei nicht der Kern ihrer Arbeit, sondern wie man die Stadt wieder zum Laufen bringt, sagt Niroomand. Außerdem wollen sie vor allem ein schärferes Profil der SPD erarbeiten, erklärt Bertels. "Wir brauchen eine aktivere Rolle, müssen wieder sichtbarer in der Stadt sein". Nach geräuschloser Begleitung der SPD-Arbeit in der schwarz-roten Regierung hört sich das kaum an.

Wird Raed Saleh SPD-Fraktionschef bleiben?

Aber kann und will Raed Saleh überhaupt SPD-Fraktionschef bleiben, nach dieser Partei-Ohrfeige? Nach diesem Einschnitt, diesem Beben? Der SPD-Vorsitzentscheid und der Fraktionsvorsitz – das eine hat mit dem anderen nichts miteinander zu tun, macht Franziska Giffey umgehend klar, als sie danach gefragt wird. Und natürlich stimmt das – offiziell. Aber dennoch steht die Frage nach der Zukunft von Raed Saleh im Raum. Auch als Fraktionschef hat er durch diese Niederlage an Autorität verloren. Bisher auf Augenhöhe mit CDU-Fraktionschef Dirk Stettner ist Saleh nun angeschlagen.

Später am Nachmittag kommt eine Reaktion von Saleh und Luise Lehmann: Sie zeigen sich enttäuscht, äußern sich nur schriftlich: "Unsere Mitglieder haben im ersten Wahlgang eine eindeutige Entscheidung getroffen, die wir voller Respekt und verantwortungsvoll annehmen", schreiben beide. Die "baldige Klarheit" werde die Partei aber "insgesamt stärken und konzentriert zusammenführen", heißt es weiter.

Die Stichwahl beginnt nun am 2. Mai. Bis 17. Mai sind die gut 18.000 SPD-Mitglieder in Berlin erneut zur Abstimmung aufgerufen. Am Pfingstsamstag wird dann nochmals ausgezählt. Das siegreiche Duo wird dann beim SPD-Landesparteitag am 25. Mai gewählt. Auch wenn die Delegierten nicht verpflichtet sind, sich an das vorhergehende Votum der Parteimitglieder zu halten, so wird das de facto doch passieren. Welche Rolle dann Raed Saleh in der SPD spielen wird, ist derzeit offen.

Sendung: rbb24 Inforadio, 20.04.2024, 16:30 Uhr

Beitrag von Angela Ulrich

49 Kommentare

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  1. 49.
    Antwort auf [Pluto] vom 21.04.2024 um 21:51

    Der Elias sucht sich einfach einen anderen Nick aus. Die für Sie sogar Honecker ein Rechtsextremer gewesen ist, ist nichts neues. Die Linksalternativen haben nichtmals ihre Stammwähler an die Wahlurne locken können, geschweige denn von der Schwäche der SPD profitieren können.

  2. 48.
    Antwort auf [Pluto] vom 21.04.2024 um 21:51

    Der Elias sucht sich einfach einen anderen Nick aus. Die für Sie sogar Honecker ein Rechtsextremer gewesen ist, ist nichts neues. Die Linksalternativen haben nichtmals ihre Stammwähler an die Wahlurne locken können, geschweige denn von der Schwäche der SPD profitieren können.

  3. 47.
    Antwort auf [Pluto] vom 21.04.2024 um 20:40

    Die, die die SPD haben abstrafen wollen, haben ihre Stimme eben nicht den Grünen gegeben., wollten die also nicht mehr im Senat haben. Und nun können Sie auch mich als rechtsextrem beschimpfen, weil Sie keine anderen Argumente haben.

  4. 46.

    Eigendlich verhöhnen Sie, lieber @Pluto, mit Ihren immer gleichlautenden Gewäsch (die gleichklingend unter anderen Nicks daher kommenden) die Intelligenz der Mitdiskutanten.

  5. 45.

    Wenn man ganz ehrlich ist, ist man auch mit diese Person nicht mehr zu helfen. Er wird wohl auch als Fraktionschef der Berliner SPD abgewählt werden, es soll nun auch eine neue geben.

  6. 44.

    Respekt an die Berliner SPD. Es war der deutliche Signal, dass es zu einen Misstrauensvotum gegen Raed Saleh gekommen ist. Jetzt kommt es zum Stechen. Auch ich drücke für Jana und Kian ganz fest die Daumen, dass die beiden das schaffen und parteilich anführen sollen. Viel Glück und Erfolg.

  7. 43.

    Wenn m/W in einer Partei mit dem Thema 'Kita-Essen' eine 'Wende' herbeiführen kann, dann wird sich das alle 'Jubel'jahre (es sei denn es gibt Nachwahlen oder so) gefragten Wahl'volk' zwecks Mitjubel erst bekiffen müssen, was es aber nicht will u. so das Kreuz nüchtern woanders macht. 'Wir sehen rot. Gegen grünes Kiffen unser Rauch bleibt blau - Partei'.
    Mal abgesehen von Fahrradtheken, E-Tanksäulen in engen Wohnstrassen usw. usw.

  8. 42.

    Wen meinen Sie, der hier "verhöhnt" wird? Sie, mit Ihrer reflexartig, ja geradezu hysterischen Denunziationszwang, Meinungen Anderer als die von Recht zu denunzieren?
    Und, eine Antwort bleiben Sie mir auch schuldig:
    "Grün:innenführung" - was ist das?
    Das Selbe wie eine Krankenschwester: innin?

  9. 41.

    In Anbetracht der unter R2G rausgeschmissen Gelder und der verfassungswidrigen Notlageerklärung für 2023, wie der Landesrechnungshof konstatierte, frage ich mich ob Sie die „Kostenlos“ Republik wollen und damit den Staat in die gleiche Falle führen wie einst die SED die DDR die an den kostenlosen Leistungen und Subventionen für die Bürger in die Pleite geschildert ist. Falls Sie meinen es wäre nicht so, selbst ein dem ZK der SED 1989 vorgelegter Bericht geht von Zahlungsunfähigkeit aus!

  10. 40.

    Gut so, Saleh wirkt auf mich auch wie ein Machtpolitiker.

  11. 39.

    Sind Sie auch der Meinung, dass es ein bedauerliches Gerücht ist, dass die „Grün:innen“ keinen Humor haben?

  12. 38.

    Wenn die Wähler eine grüne Bürgermeisterin gewollt hätten. hätten die die Grünen wählen müssen. Stattdessen hat aber nur die CDU hinzu gewonnen. Die Erben Honeckers sitzen wieder in der Opposition und bei Ihnen der Frust deshalb tief.

  13. 37.

    Egal unter welchen Namen, ihr sozialdarwinistischer Quatsch bleibt immer gleich.

    Warum konnten die Grünen ihr Ergebnis halten, die sPD hat aber eine katastrophale Klatsche erhalten?

    Giffey hat die Arbeit von RRG von Anfang an sabotiert, dann die Wähler getäuscht. Hikel wird dort weitermachen wo Giffey aufgehört hat. Ein Neuanfang sieht anders aus.

  14. 34.

    Interessant was sie so alles aus "Ein Anhänger der rechtsextremen AfD wünscht sich Hikel. Tiefer kann die Berliner sPD nicht mehr sinken." herauslesen wollen. Da spielt ihnen ihre Fantasie und Gesinnung einen Streich.

    Anderen Denunziationen zu unterstellen ist btw eine Straftat, meine freie Meinungsäußerung nicht. Also Vorsicht.

  15. 33.

    weil diese Leute in der Mehrheit hart für ihr Geld arbeiten, was Jedem freisteht
    nicht jammern, sondern arbeiten
    wir haben nach unserer Ausbildung auch mit 0 angefangen und nach 40 Jahren harter Arbeit genießen wir unseren Ruhestand nun in einer bezahlten Eigentumswohnung
    auch unsere Kinder gehen diesen Weg, weil es ihnen vorgelebt wurde
    von Nichts kommt Nichts

  16. 32.

    Sie outen sich als Vertreter der Ewiggestrigen. Woran machen Sie fest, dass die Wähler RRG wieder wollen? Welche Wähler eigentlich? Jene die theoretisch RRG die Mehrheit 2023 gaben? Das ist überholt von der aktuellen Wirklichkeit. Das Mitgliedervotum der SPD sagt wohl sehr deutlich, was die Mitglieder der SPD von einer Neuauflage RRG halten. Nichts. Auch wenn die Jusos noch so sehr dafür argumentieren. Die älteren SPDler sehen das anders. Saleh, hat zu viel Schaden intern angerichtet und damit die Sichtbarkeit der SPD in Berlin auf sich reduziert. Das hat der SPD-Berlin geschadet. Das Saleh besser bei der Partei die Linken aufgehoben wäre, ist kein wirkliches Geheimnis mehr.

  17. 31.

    Und das ist gut so.

  18. 30.

    „die locker könnten nicht (mehr) zahlen für ein solidarisches Ganzes?
    Ich finde, dass Superverdienende nicht auch alles kostenlos bekommen sollten!“

    Was ist denn „Super“ genau?
    Die Steuerprogression bedient doch Ihre Forderung und hat sich bewährt, um nicht Kapital zu vertreiben.
    Auch einkommensstarke Partner überlegen, ob es sich lohnt arbeiten zu gehen. Will man beide Partner in die Arbeit locken, dann kann es sein, dass „Kitakosten nach Einkommen“ das Gegenteil bewirken.

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