Rede in Potsdam - Israels Botschafter: Hamas-Ideologie ist in Deutschland “plötzlich salonfähig" geworden

Do 30.05.24 | 11:46 Uhr | Von Felix Moniac
Ron Prosor (M), Botschafter von Israel in Deutschland. (Quelle: rbb)
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 30.05.2024 | Michael Schon | Bild: rbb

Der israelische Botschafter Ron Prosor hat am Mittwoch an der Uni Potsdam gesprochen. Thema des Abends war der Überfall der Terrororganisation Hamas auf Israel, die Reaktion Israels und die aktuelle Situation im Nahen Osten. Von Felix Moniac

Es sollte ein Debattenbeitrag werden über den aktuellen Zustand im Nahen Osten und über den Krieg, den Israel gegen die Hamas führt. Polizisten sicherten die Veranstaltung ab, im Innenraum beobachtete wortkarge Security mit Knopf im Ohr das Geschehen.

Demonstration aufgrund des Besuchs von Ron Prosors an der Uni Potsdam.(Quelle: rbb)
Bild: rbb

Vor dem Veranstaltungsraum im Neuen Palais im Westen Potsdams waren etwa 30 Demonstrierende zusammengekommen. Sie hielten selbstgemalte Palästina-Flaggen in die Höhe und skandierten "Viva Palästina" und "Gazas Kinder wollen leben, Israel ist dagegen".

Zu Ausschreitungen kam es nicht - aber selbst die vergleichsweise wenigen Demonstrierenden reichten aus, um klarzumachen: ein Abend von und mit Israelis, ein Abend für Israel in Deutschland, das ist keine Normalität mehr.

Prosor dankt den Teilnehmern, die sich "getraut" hätten, zu kommen

So bedankte sich der israelische Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, auch zunächst bei den rund 350 Menschen, dass sie sich getraut hätten, zu kommen - um zuzuhören und zu diskutieren.
Bei seiner Rede wurde Prosor kurzzeitig lautstark von einem Zwischenrufer unterbrochen, der ihn der Lüge bezichtigte. Sicherheitskräfte begleiteten den Mann nach draußen.

Der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Volker Beck, hatte bereits bei seinen einleitenden Worten kritisiert, man könne über das Thema Israel und den Nahen Osten kaum noch reden. Es werde "geschrien und überschrien", Israel werde dämonisiert.

Prosor prangerte eine "merkwürdige Ungleichbehandlung" Israels von westlichen Staaten und eine Scheinheiligkeit gegenüber Israel an. "Alle sagen ganz laut: Israel hat das Recht, sich selbst zu verteidigen. Und wenn wir das tun? Dann heißt es, wir sollen aufhören", so Prosor. "Als demokratischer Staat machen wir Fehler. Das ist nicht das Problem. Aber die Tatsache, wie der Staat Israel delegitimiert wird - das ist das Problem."

Prosor: Es kann morgen Frieden herrschen

Derweil habe die Hamas wieder damit begonnen, Tel Aviv und Grenzübergänge zu beschießen [tagesschau.de]. Zynisch ergänzte der Botschafter: "Was sollen wir tun? Sollen wir einen Brief schreiben, in dem wir die Hamas bitten, mit den Raketen aufzuhören und uns die Geiseln zurückzugeben?"

Prosor betonte immer wieder, was man in Bezug auf den Beginn des Krieges nicht vergessen dürfe: Die Ursache für den Krieg sei das Massaker der Hamas in Israel. Die Folge davon sei der Krieg Israels gegen die Hamas gewesen. Es könne "morgen" Frieden herrschen, so Prosor. "Aber wir können nicht die Geiseln in den Tunneln lassen."

Anerkennung Palästinas? Prosor nennt deutsche Politiker "Papageien"

Angesprochen auf die Verhältnismäßigkeit der israelischen Reaktion auf den Terrorangriff der Hamas, antwortete Prosor mit einer beißenden rhetorischen Gegenfrage: "Was wäre verhältnismäßig? Ist es verhältnismäßig, wenn wir in Gaza 364 Jugendliche aussuchen, die auch etwas mit Musik zu tun haben, und sie hinrichten? Nicht 360. Nicht 370. 364", sagte er mit Blick auf den Angriff auf das Nova-Musikfestival am 7. Oktober. Einige israelische Medien geben die Zahl der Opfer mit 364 an [tagesschau.de]. "Oder ist es auch logisch, wenn wir verhältnismäßig dieselbe Anzahl an Frauen vergewaltigen und missbrauchen - aber nicht mehr und nicht weniger! - und derselben Anzahl Babys den Kopf abhacken?", sagte Prosor weiter.

Einer möglichen Anerkennung Palästinas als Staat erklärte Prosor zum jetzigen Zeitpunkt eine klare Absage. Politiker in Deutschland hörten sich an "wie Papageien", so Prosor, die ständig den Ruf nach einer Zweistaatenlösung wiederholten. Dabei sei Israel nicht grundsätzlich dagegen. Es müsse aber unbedingt gesagt werden, dass es sich bei einem möglichen Staate Palästina nur um einen demokratischen Staat handeln dürfe. Die Hamas sehe es als Staatsräson, Israel zu vernichten, so Prosor. Ein solcher Staat Palästina sei von Israel ausgeschlossen.

Prosor wagte aber auch einen Blick in eine mögliche Zukunft. Wenn sich Palästinenser und Israelis gegenseitig kennenlernten, könnten sie eine gute gemeinsame Zukunft aufbauen, sagte er. Aber mit der Hamas werde es das nicht gehen. Demnach müssten auch die Lehrpläne in Palästina so angepasst werden, dass Schulkinder positive Vorbilder kennenlernten. Es dürften keine "Mörder als Vorbilder" zu sehen sein, es müssten vielmehr Vorbilder nach der Art Beethovens oder Einsteins sein. Ohne die richtige Erziehung werde es nicht gehen, so Prosor.

Ideologie der Terrororganisation "plötzlich salonfähig geworden"

Mit Blick auf Deutschland beklagte Prosor, dass die Ideologie der Terrororganisation “plötzlich salonfähig geworden” sei. Dabei sei die Verharmlosung dieser Ideologie in Israel genau das, was zum 7. Oktober geführt habe.

Prosor warnte davor, die Augen in Deutschland diesbezüglich zu verschließen. “Wenn ich jetzt Demonstranten in Essen sehe, die ein Kalifat errichten wollen. Vielleicht wollen sie das dann das nächste Mal in Potsdam? Da wird eine rote Linie überschritten. Dagegen muss man angehen”, so der Botschafter.

Sendung: Antenne Brandenburg, 30.05.2024, 08:30 Uhr

Beitrag von Felix Moniac

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