Pro-palästinensischer Protest - Einsatz gegen HU-Besetzer laut Uni-Präsidentin "von oben" angeordnet

Fr 24.05.24 | 12:48 Uhr
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Hochschulpräsidentin Julia von Blumenthal umringt von Polizeikräften vor dem Gebäude der besetzten Humboldt-Universität am 23.05.2024.(Quelle:picture alliance/Sipa USA/PRESSCOV)
Video: rbb24 | 24.05.2024 | Nachrichten | Bild: picture alliance/Sipa USA/PRESSCOV

Die Präsidentin der Berliner Humboldt-Universität hat ihre Strategie des Dialogs mit den Besetzern von Hochschulräumen verteidigt. Die Räumung sei auf Anweisung von Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra geschehen - in Übereinstimmung mit Kai Wegner.

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  • Zeitpunkt der Räumung pro-palästinensischer Aktivisten war laut Uni-Präsidentin "von oben" angeordnet
  • Wissenschaftssenatorin: Entscheidung zur Räumung von Hochschule und Senat gemeinsam getroffen
  • Polizei leitete ersten Angaben zufolge 25 Strafermittlungsverfahren ein - 169 Menschen wurden kurzzeitig festgenommen

Der Zeitpunkt des Polizeieinsatzes zur Beendigung der Besetzung eines Gebäudes der Humboldt-Universität (HU) in Berlin durch propalästinensische Aktivisten ist nach Angaben von Hochschulpräsidentin Julia von Blumenthal "von oben" festgelegt worden. Das sagte sie am Freitag im rbb.

Demnach sei die Räumung auf Anweisung von Berlins Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) in Übereinstimmung mit dem Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) geschehen.

Auch HU-Leitung wollte Gebäude räumen

Czyborra teilte mit, die Entscheidung, die Aktion der Demonstranten zu beenden, sei von der Hochschule und dem Senat gemeinsam getroffen worden.

Die Beendigung der Besetzung war Thema "in einem Gespräch mit dem Regierenden Bürgermeister, der für die Polizei zuständigen Innensenatorin und der Präsidentin der Humboldt Universität", teilte Czyborra am Freitag mit: "Wir haben uns gemeinsam darauf verständigt, dass die Universitätsleitung die Besetzung beendet und die Demonstranten aufgefordert werden, das besetzte Institut zu verlassen. Dieser Prozess ist geordnet verlaufen", so die SPD-Politikerin. Auch Uni-Präsidentin von Blumenthal habe das mitgetragen.

Von Blumenthal betonte, auch die HU-Leitung hätte nach Ablauf der Frist um 18 Uhr das Gebäude räumen lassen. Über den Zeitpunkt für den Polizeieinsatz sei allerdings "von oben" entschieden worden.

Czyborra hält den Umgang mit den Besetzern für sachgerecht. Die Hochschule habe richtig gehandelt: "Deeskalierend, wo es sinnvoll erschien, dialogorientiert mit Augenmaß und in der Folge konsequent. Die Beendigung der Besetzung nach Ablauf der Frist war richtig", so die SPD-Politikerin: "Antisemitismus und Terrorverherrlichung sind inakzeptabel und diskreditieren jeden Protest.", so Czyborra auf X.

Besetzung seit Mittwoch

Die Besetzung des Instituts hatte am Mittwoch begonnen, die Leitung der Universität hatte den Aktivisten bis Donnerstag um 18 Uhr eine Frist zum Verlassen des Gebäudes gesetzt. Sie wurde nicht eingehalten. Nach einer Bestätigung der Universitätsleitung, die das Hausrecht ausübt, begann die Polizei am Donnerstagabend daraufhin mit einer Begehung der Räumung.

Im Inneren des Instituts befanden sich laut Polizei etwa 120 Personen, von denen sich etwa 20 im Obergeschoss verbarrikadiert hatten. Zur Öffnung der verbarrikadierten Tür musste den Angaben zufolge eine Ramme eingesetzt werden. Etwa 50 Personen hielten sich im Innenhof der Universität auf und skandierten teilweise pro-palästinensische Sprechchöre, hieß es weiter.

Die Hochschule sei mit den Besetzern zu diesem Zeitpunkt im Dialog gewesen, so von Blumenthal: "Aus unserer Sicht hätten wir noch etwas Zeit gebraucht, um zu sehen, ob wir selbst diesen Dialog zu einem Ergebnis führen können oder nicht", sagte die Präsidentin dem rbb: "So mussten wir den Dialogversuch abbrechen."

Der innenpolitische Sprecher der Berliner CDU-Fraktion, Burkard Dregger, verteidigte die Anordnung zur Räumung. Er sagte dem rbb am Freitag, Unibesetzungen, Sachbeschädigungen, volksverhetzende Aufrufe und Angriffe auf Einsatzkräfte hätten nichts mit der freien Wissenschaft und Lehre an einer Universität zu tun. Es sei ein völlig inakzeptabler Zustand, das zu dulden. Es müssten von Anfang an klare Ansagen gemacht werden, so Dregger weiter. Die Hinnahme von Straftaten sei "völlig inakzeptabel". Man müsse "die sich ausbreitende Pogromstimmung gegen jüdische Studierende und jüdische Einrichtungen von Beginn an unterbinden". Protest sei erwünscht und zulässig, aber nicht Straftaten, betonte der CDU-Politiker.

Wegner hatte am Donnerstag erklärt, Universitäten seien "keine rechtsfreien Räume für Antisemiten und Terrorsympathisanten".

Räume mussten teils "mit Zwang" geöffnet werden

Nach Polizeiangaben wurden bei der Räumung "vereinzelt" Gegenstände auf Beamtinnen und Beamte geworfen. Teilweise hätten auch Räume "mit Zwang geöffnet" werden müssen, weil sich Menschen darin verbarrikadiert hätten, hieß es. Angetroffene Aktivisten wurden demnach aus dem Gebäude gebracht und einer Identitätsfeststellung unterzogen. Am Donnerstagabend gab es laut Polizei außerdem noch eine "Solidaritätsdemonstration" nahe dem Institut.

Wie die Beamten schon am Donnerstag weiter mitteilten, gab es in dem besetzten Gebäude Sachbeschädigungen. Zudem seien von Demonstrierenden antisemitische und volksverhetzende Äußerungen getätigt worden, hieß es.

Nach Polizeiangaben wurden 25 Strafermittlungsverfahren unter anderem wegen des Verdachts des Landfriedensbruchs, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte sowie Volksverhetzung eingeleitet. 169 Menschen seien am Donnerstagabend kurzzeitig festgenommen worden, um deren Identität festzustellen, sagte eine Polizeisprecherin am Freitag. Sechs weitere "freiheitsbeschränkende Maßnahmen" habe es bei einer anschließenden Kundgebung gegeben sowie sechs weitere Anzeigen wegen des Verdachts des Land- und Hausfriedensbruchs sowie der Körperverletzung. Die Polizei Berlin war mit etwa 530 Einsatzkräften vor Ort.

Die Proteste in dem Institut richteten sich gegen das israelische Vorgehen im Gazastreifen, teilweise allerdings zugleich auch gegen den israelischen Staat insgesamt.

Junges Forum der Deutsch-Israelischen Gesellschaft fordert Rücktritt von Uni-Leitung

Das Junge Forum der Deutsch-Israelischen Gesellschaft hat unterdessen in einer Pressemitteilung den Rücktritt der Präsidentin der HU gefordert. "Die Untätigkeit der Universitätsleitung zeugt von einer Gleichgültigkeit gegenüber den Sicherheitsbedürfnissen und dem Wohlergehen jüdischer und israelischer Studierender und Lehrender der Universität", erklärte der Bundesvorsitzende des Forums Lasse Schauder: "Zugleich stellt es ein Einknicken vor terrorverherrlichenden und gewalttätigen Akteuren dar." In der Mitteilung fordert das Forum eine eindeutige und unmissverständliche Haltung gegenüber jeder Form "von Antisemitismus und ein konsequentes Vorgehen gegen Israel-Hasser und Hamas-Sympathisanten".

Sendung: rbb24 Inforadio, 24.05.2024, 10:40 Uhr

 

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9 Kommentare

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  1. 9.

    Frage:
    Wer hat diese Demo zugelassen und erst durch eine "Weisung von Oben" die Räumung ZUGELASSEN?

  2. 8.

    Wer hat denn die Polizei gerufen, die das "Hausrecht" innehabende HU oder der Senat "von oben"? Als einen Teil der 4. Gewalt im Staate wünsche ich mir vom rbb etwas mehr kritische Betrachtung des Verwaltungshandelns, insbesonderen dann wenn Grundrechte berührt werden, sonst hätten es eines Tages die Leute, denen Menschenrechte und Menschenwürde unwichtig sind, ein all zu einfaches Spiel das Grundgesetz aus Kraft zu setzen.

  3. 7.

    Es ist peinlich, dass es einer „von Oben“ eine „Anordnung“ bedurfte…. Und die Uni es nicht alleine hinbekommen hat, trotz Fristsetzung

  4. 6.

    Den Kommentaren von 'Sommer' und 'Arno Nym' stimme ich vollständig zu. Danke für Ihre sehr guten Kommentare.

  5. 5.

    Teilweise aus früheren Artikeln: "Von 15 bis 17 Uhr soll es ... eine Diskussionsveranstaltung ... geben, an dem auch Lehrende sowie Mitglieder des Präsidiums teilnähmen." "Leitung der Uni hatte die Besetzung bis 18 Uhr geduldet"."Von Blumenthal betonte, auch die HU-Leitung hätte nach Ablauf der Frist um 18 Uhr das Gebäude räumen lassen. Über den Zeitpunkt für den Polizeieinsatz sei allerdings "von oben" entschieden worden." ===> Klingt für mich eher so, als ob Frau v. B. nach einer fruchtlosen Diskussion nicht die Konsequenzen zog, sondern, um die Pro-Pali-Fraktion ihrer Alma Mater nicht zu verärgern, weiteres Handeln dem Senat überließ. Nebenbei gefragt: Ich sehe auf den Bildern viele Kufiyas. Steht jedem frei. Aber ich gehe doch davon aus, dass das unbehelligte Tragen von Davidstern und Kippa an der HU nach wie vor gewährleistet ist.

  6. 4.

    Völlig korrekt analysiert. Leider neigen kleine Minderheiten dazu, ein extrem großes Sendungsbewusstsein zu haben.

  7. 3.

    Die CDU mochte gerne das Recht auf freie Meinungsäußerung aushebeln. Auch wenn es dem Senat nicht passt, jede und jeder hat das Recht seine Meinung zu äußern. Und das UST auch gut so. Die Leute müssen ins Gespräch kommen, so wie wir alle mehr ins Gespräch kommen müssen. Statt immer nur darauf zu beharren, dass man recht hat.

  8. 2.

    Eine Universität ist ein Ort des Lernens. Für politische Demonstrationen sind diese m.M. nach nicht der richtige Ort. Um ihren Forderungen mehr Ausdruck verleihen zu können, hätten sich die Demonstranten die dafür zuständigen Ansprechpartner und Orte aussuchen sollen, die Ministerien des Bundes. So wurde nur eine Uni blockiert und andere Studenten, die sich dem Protest nicht angeschlossen haben, von ihrem Studium abgehalten. Auch wäre es sinnvoller, wenn Studenten durch ein zügiges Studium und dann durch ein entsprechndes berufliches Engagement Veränderungen in der Gesellschaft initiieren würden. Ständig nur in kleinen Gruppen zu demonstrieren, bringt keine Veränderung. Sie wirken nur störend.

  9. 1.

    Ich finde man muss gegen die israelische Politik demonstrieren dürfen. Aber wer den Staat Israel als Ganzes angreift oder das Judentum und ihm das Existenzrecht abspricht, dem muss deutlich gezeigt werden, dass das hier in Deutschland nicht geht. Insofern finde ich die Räumung korrekt.

    Ich wümschte mir sehr, dass Gaza bald von der Hamas befreit wird und auch, dass in Israel eine andere Regierung gewählt wird. Herrn Netanjahu halte ich für eine gefährliche Person, die versucht die Demokratie in Israel auszuhebeln. Das zeigen auch die Großdemos der Israelis in Israel.

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