Vom Anführer bis zum Unterschätzten - Wer bei Union Berlin vor dem Saisonstart im Fokus steht

Mi 27.07.22 | 08:21 Uhr | Von Till Oppermann
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Die Spieler von Union Berlin um Kapitän Christopher Trimmel (Bild: IMAGO/Matthias Koch)
Bild: IMAGO/Matthias Koch

Fußball-Bundesligist Union Berlin startet am Montag im DFB-Pokal in die neue Saison. Auf wen es dann besonders ankommt - von der personifizierten Kreativität bis hin zu einem beeindruckend konstanten Defensivmann. Von Till Oppermann

Der Anführer

Seit 2014 spielt Christopher Trimmel beim 1. FC Union Berlin. Im Sommer 2018 wurde der Österreicher zum Kapitän der Köpenicker ernannt. Unions dienstältester Spieler ist der unbestrittene Anführer der Mannschaft. Neben dem Platz, weil mit den ehemaligen Vizekapitänen Marvin Friedrich und Grischa Prömel im vergangenen halben Jahr zwei wichtige Führungsspieler den Verein verlassen haben. Auf dem Platz, weil der mittlerweile 35-Jährige mit seinen 21 Torvorlagen in 87 Bundesliga-Spielen einen großen Teil zu zwei Europapokal-Plätzen in drei Bundesliga-Jahren beigetragen hat. Auch in der kommenden Saison wird Trimmel das gewichtigste Wort bei Union sprechen.

Der Newcomer

Danilho Doekhi ist kein Talent mehr. Der 24-jährige Innenverteidiger lief 108 Mal in der ersten Liga in den Niederlanden auf, spielte im Europapokal und war Kapitän bei Vitesse Arnheim. In Deutschland ist Doekhi trotzdem bislang ein unbeschriebenes Blatt. Das wird sich in dieser Saison ändern. Bereits wenige Wochen nach seiner Ankunft wurde er in den Mannschaftsrat gewählt. Ungewöhnlich für einen Spieler, der erstmals sein Heimatland für eine andere Liga verlässt.

In den Testspielen konnte man die Gründe für diese Entscheidung erahnen: Doekhi präsentierte sich zweikampfstark und mit einer guten Spieleröffnung. Gegen Dublin gelang ihm sogar ein Tor. Darüber hinaus gab er laute Kommandos und dirigierte seine Mitspieler. "Die Sprache ist nicht so schwer. Ich hatte Deutsch in der Schule", sagt Doekhi. Na dann.

Der Kreative

"Ich will auch in der Bundesliga spielen", schimpfte Sheraldo Becker im Oktober 2021. Zwar durfte er in der Gruppenphase der Conference League zweimal von Beginn an auflaufen, aber in den ersten Wochen des Ligabetriebs reichte es für den ambitionierten Angreifer in der vergangenen Saison nur zu zwei Kurzeinsätzen.

Ein Dreivierteljahr danach klingt das unvorstellbar. Denn Becker gehört zu den kreativsten Spielern Europas. 3,79 schusserzeugende Aktionen pro Spiel sind mehr als 93 Prozent seiner Positionskollegen in den europäischen Top-Fünf-Ligen zustande bringen.

Mit 0,34 erwarteten Torvorlagen pro Partie ist er sogar besser als 99 Prozent derselben Vergleichsgruppe. Becker ist pfeilschnell, schlägt gute Flanken und spielt genaue Pässe. Bei der Union-Generalprobe gegen Nottingham Forest am vergangenen Samstag legte er den Siegtreffer vor. Im Sommer verlängerte er seinen Vertrag und wurde ebenfalls Teil des Mannschaftsrats. Gut für Union, denn Becker ist nicht zu stoppen.

Der Konstante

In zwei Jahren bei Union hat Robin Knoche erst ein Bundesliga-Spiel verpasst. Nach seiner fünften gelben Karte musste er in der vergangenen Saison gegen Arminia Bielefeld aussetzen. Ohne ihren Abwehrchef zeigte dessen Mannschaft eine ihrer schwächsten Saison-Leistungen und verlor mit 0:1. Beim Gegentor durch Patrick Wimmer sah die Berliner Defensive dabei alles andere als gut aus. Robin Knoche spielt so solide und zuverlässig, dass erst auffällt, wie wichtig er ist, wenn er mal fehlt.

Die Nachricht von seiner Vertragsverlängerung im Frühjahr war folglich ein wichtiges Zeichen. Zumal Union zuvor in wenigen Wochen die Abgänge von Marvin Friedrich und Max Kruse sowie die ausgeschlagene Vertragsverlängerung von Grischa Prömel hatte verkraften müssen. Wenn der 30-jährige Knoche seinen Vertrag bei Union erfüllt, wird er vier Jahre für die Berliner gespielt haben. Trotz der neuen Konkurrenz – beispielsweise durch Danilho Doekhi und den Portugiesen Diogo Leite – deutet alles darauf hin, dass Knoche bis dahin regelmäßig in der Startelf stehen wird.

Der Unterschätzte

Statistisch gesehen ist Rani Khedira kein herausragender Spieler. Der defensive Mittelfeld-Mann ist weder sonderlich torgefährlich, noch kommen überdurchschnittlich viele seiner Pässe beim Mitspieler an. Trotzdem war in der erfolgreichen Saison kaum ein Spieler in Unions Kaders so wichtig wie der 28-Jährige. Khedira spielte sowohl im Pokal als auch im europäischen Wettbewerb immer und verpasste nur zwei Ligaspiele. Das lag einerseits daran, dass dem Kader im defensiven Mittelfeld die Alternativen fehlten.

Andererseits gab Khedira Unions schnellem Umschaltspiel, bei dem sich auch die Außenverteidiger regelmäßig in die Offensive einschalten, um den Strafraum zu besetzen oder Flanken zu schlagen, die nötige Balance. Es ist kein Wunder, dass beide Bundesliga-Spiele, in denen Khedira nicht eingesetzt wurde, verloren gingen. Trotz der Konkurrenz durch die Neuzugänge Morten Thorsby und Paul Seguin wird Khedira im defensiven Mittelfeld Urs Fischers erste Option bleiben. Und sein Einfluss steigt: Vor Kurzem wählten Khediras Mitspieler auch ihn in den Mannschaftsrat.

Der Überschätzte

Bei einem Kader, der im dritten Jahr in Folge die Erwartungen übertroffen hat, ist es etwas unfair, einen überschätzten Spieler zu bestimmen. In diesem Fall fällt die Wahl deshalb auf den Neuzugang Jamie Leweling. Der U21-Nationalspieler ist mit vier Millionen Euro immerhin der drittteuerste Neuzugang der Vereinsgeschichte.

In seiner ersten Saison sollte man die Erwartungen an ihn dennoch nicht zu hoch ansetzen. "Ich bin schon der Flügelspieler", beschreibt sich Leweling, der beim Absteiger Fürth zuletzt meistens in der Sturmzentrale spielte. Mit fünf Toren war er einer der gefährlichsten Fürther, trotzdem muss der schnelle Leweling sowohl an seinem Passspiel als auch an seinem Abschluss noch feilen.

Sollte Union weiter auf das gewohnte 3-5-2-System setzen, gibt es Lewelings Lieblingsposition gar nicht, zumal die zwei Plätze ganz vorne vorerst Awoniyi-Nachfolger Jordan Siebatcheu und Sheraldo Becker gehören dürften. Noch dazu begann Lewelings Zeit bei Union mit einer Verletzung am Sprunggelenk.

Zuvor hatten sich die Köpenicker im Kampf um den jungen Angreifer dem Vernehmen nach gegen einige Ligakonkurrenten durchgesetzt. Neben der geradlinigen und kompakten Spielweise seien auch die Konstanz auf der Trainerbank und Ruhe im Umfeld für Leweling entscheidend gewesen, sagt dieser selbst. Auch wenn er in Köpenick nicht sofort gesetzt ist: "Bei uns herrscht ein Riesen-Konkurrenzkampf, nicht nur im Sturm. Ich nehme ihn an, gebe mein Bestes. Mehr kann ich nicht machen." Die richtige Einstellung für einen Spieler, der sicherlich kein Interesse daran hat, langfristig auch nur im Geringsten mit dem Wort "überschätzt" assoziiert zu werden.

Sendung: rbb24, 27.07.2022, 18 Uhr

Beitrag von Till Oppermann

2 Kommentare

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  1. 2.

    Danke Olli Ruhnert für einen wieder einmal tollen Kader. Was er tatsächlich wert ist, wird sich natürlich erst noch zeigen. Bin jedenfalls schon sehr gespannt auf die neue Saison.

  2. 1.

    Es geht nicht um Hertha? Man könnte ja rumplärren... Ansonsten: danke rbb. ;)

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