Interview | Sportlicher Leiter Ümit Gündüz - Wie ein paar Freunde den Traditionsverein Spandauer SV wiederbeleben wollen

So 21.08.22 | 15:10 Uhr
Herbe Pleite für den Spandauer SV: Im DFB-Pokal geht das Team 1978 in Stuttgart unter. Quelle: imago images/Sportfoto Rudel
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Der Spandauer SV hat eine bewegte Geschichte. So ist der Verein etwa der schlechteste Fußball-Zweitligist aller Zeiten. 2014 musste der Klub Insolvenz anmelden. Ümit Gündüz und ein paar Freunde wollen den SSV jetzt wieder mit Leben füllen.

Der Spandauer SV ist ein echter Traditionsverein. 1894 wurde der Klub gegründet und spielte in den 1970er Jahren sogar eine Saison in der zweiten Fußball-Bundesliga. Dort ist man in der ewigen Tabelle offiziell mit nur zwei Siegen, dafür aber 115 Gegentoren, die schlechteste Mannschaft der Historie. 2014 musste der Klub dann allerdings Insolvenz an- und sich vom Spielbetrieb abmelden. Eine Gruppe aus Freunden und Bekannten will dem Verein jetzt neues Leben einhauchen.

rbb|24: Herr Gündüz, der Spandauer SV hat viel Geschichte und viele Geschichten zu erzählen. Was hat Sie dazu bewegt, jetzt einen Neustart zu wagen?

Ümit Gündüz: Seitdem ich sechs bin, habe ich mit dem Fußball zu tun. Ich habe meine gesamte Jugend beim SC Staaken gespielt. Im Männerbereich hatte ich dann auch ein paar Stationen und war später auch Trainer, erst bei den Senioren und später, nachdem mein Sohn geboren wurde, im Jugendbereich. Zunächst war ich bei Blau-Weiß Spandau in der Jugend Trainer, als mein Sohn noch ganz jung war – in der "Pampers-Liga". Eines Abends saßen wir dann mit ein paar Kumpels von früher zusammen. Es ist eigentlich so, dass aus allen Freundeskreisen irgendwann mal jemand in der Jugend beim Spandauer SV gespielt hat. Der SSV ist eine Marke und ein Name. Ich habe dann an diesem Abend gefragt: Was ist denn eigentlich mit dem Verein passiert? Wir haben dann angefangen zu googlen und ein bisschen zu recherchieren.

Wie wurde es dann konkreter?

Auf der Seite des SSV stand, dass das Insolvenzverfahren 2017 abgeschlossen wurde. Ich habe dann über die sozialen Medien Menschen angeschrieben, die vielleicht noch Kontakt zum Verein haben könnten und wissen, wie der Status ist – aber da war alles tot, ich habe keine Antworten bekommen. Ich bin dann schließlich in die Archive des Berliner Fußball-Verbands gegangen. Da habe ich die ehemaligen Vorstandsmitglieder des SSV finden können. Das war mittlerweile eine richtige Detektivarbeit. Zwei Personen habe ich dann erreicht. Dem damaligen Vorsitzenden kamen sofort die Tränen, als ich Interesse gezeigt habe. Der fand das wirklich schön. Und er konnte mir auch sagen, dass es für den Namen Spandauer SV keine Patente und Auflagen gibt. Das habe ich dann über den Insolvenzverwalter von damals und das Amtsgericht Charlottenburg noch absichern lassen.

Sie haben den Verein dann nicht neu gegründet, sondern den schon bestehenden Verein Türkspor Futbol Kulübü in Spandauer SV umbenannt. Warum?

Wir haben uns beim Fußball-Verband über die Optionen informiert – das war im März und April. Dort wurde uns gesagt, dass es im Falle einer Neugründung wegen vieler Auflagen ganz schwer werden würde, diese Saison noch spielen zu dürfen. Einfacher sei es, einen Verein zu finden, der zwar noch lebt, aber keine Mannschaften mehr im Spielbetrieb hat. Das würde dann deutlich schneller gehen. Wir haben dann mit ein paar Vereinen geredet, bei Türkspor Futbol Kulübü hat es dann geklappt.

Für die Wiederbelebung haben Sie ein Konzept erarbeitet, auf das der Klub aufgebaut werden soll. Wie sieht das aus?

Wir möchten erstmal nur eine Jugendabteilung aufbauen. Die Marke und der Verein SSV müssen zurückkommen. Außerdem haben wir eine Kooperation mit dem Mitternachtssport e.V. Die holen Jugendliche von den Straßen und bringen sie in Sportvereinen und -projekten unter. Wir wollen Anlaufpunkt für Kinder, Jugendliche, aber auch die Eltern sein. Ich habe selbst miterlebt, dass Eltern und ihre Kinder abgewiesen werden, weil die Vereine einen solchen Zulauf haben und immer früher auf Leistung achten. Bei uns soll der Spaß im Vordergrund stehen. Die Kinder sollen sozial eingebunden werden und Freundschaften schließen – so wie meine Freunde und ich früher.

Wie war das Feedback auf die Wiederbelebung des Klubs, haben sich auch Fans von damals gemeldet?

Wir haben bei Facebook eine SSV-Gruppe gegründet. Innerhalb kürzester Zeit hatten wir 56 Mitglieder – alles alte SSVer. Ich bekomme Nachrichten von Leuten, die mir Unterstützung anbieten. Das geht dann über Sponsoring, Trainer oder Spieler, die Interesse haben. Es hat sich dann alles überschlagen – das Feedback ist riesig. Ich war schon davon ausgegangen, dass das wahrgenommen wird, aber dass es so extrem wird, damit habe ich nicht gerechnet. Ich war vier Wochen im Urlaub und mein Telefon stand selten still.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Jonas Bürgener, rbb sport.

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