Interview | SC Potsdam-Sportdirektor Toni Rieger - "Als es passiert ist, sind wir total ausgeflippt"

Do 29.12.22 | 17:05 Uhr
Die Volleyballerinnen des SC Potsdam feiern ihren Super-Cup-Sieg (imago images/Pressefoto Baumann)
Bild: imago images/Pressefoto Baumann

Vizemeisterschaft in der Liga und erster Titel mit dem Gewinn des Supercups - 2022 war für den SC Potsdam das erfolgreichste Jahr in der Vereinsgeschichte. Sportdirektor Toni Rieger spricht im Interview über das Erfolgsrezept und Ziele für die Zukunft.

rbb|24: Herr Rieger, dieses Jahr war für den SC Potsdam das erfolgreichste in seiner Geschichte. Die Volleyballerinnen wurden Vizemeister und haben mit dem Supercup den ersten Titel der Vereinshistorie geholt. Wie bleibt ihnen 2022 in Erinnerung?

Toni Rieger: Absolut erfolgreich. Ich glaube, wir haben den Frauensport-Volleyball extrem gut in Deutschland vertreten. Auch international mit der Champions League in diesem Jahr. Wir haben begeisternden Volleyball gespielt und haben es geschafft, dass wir in den Playoffs zweimal ausverkauft waren. Und auch jetzt im Dezember haben wir gegen VakifBank Istanbul vor vollem Haus gespielt. Also absolut erfolgreich, auf allen Ebenen. Wir spüren die Begeisterung bei den Leuten. Das ist einfach toll zu sehen.

Zur Person

SC Potsdam-Sportdirektor Toni Rieger (Bild: SC Potsdam)
SC Potsdam

Toni Rieger ist Sportdirektor des SC Potsdam. Der 45-Jährige ist gebürtiger Potsdamer, er hält dem Verein seit 1994 die Treue.

Wie haben Sie den ersten Titel der Vereinsgeschichte – der Gewinn des Supercups gegen Stuttgart – persönlich erlebt?

Das war der Wahnsinn. Wir haben vor über 6.000 Zuschauern gespielt. Es war für uns das erste Mal vor so einem großen Publikum. Ansonsten sind wir ja ganz normale Bundesliga-Zuschauerzahlen mit zwei- bis dreitausend gewohnt. Der Supercup jetzt war natürlich fantastisch. Wir waren an dem Tag in einer bombastischen Form. Ich habe das Spiel zusammen mit Eugen Benzel (Teammanager des SC Potsdam, Anm. d. Red.) verfolgt und da sind wir natürlich ganz schön mitgegangen. Wir haben unsere Chance an dem Tag einfach gesehen. Und als es passiert ist, sind wir natürlich total ausgeflippt.

Wie beurteilen Sie die Entwicklung der Mannschaft – und hätten sie Anfang des Jahres damit gerechnet?

Der große Vorteil von uns war es, dass wir viele unserer Stammspielerinnen halten und auch mit jungen Talenten verlängern konnten. Das sorgt dann dafür, dass das Gefüge auch besser zusammenhält. Wenn dann noch der Erfolg dazukommt, ist es relativ einfach, auf so einer Welle mitzuschwimmen. Wichtig ist es dann, bei einer Niederlage wieder aus dem Loch herauszukommen. Das ist uns im letzten Jahr aber auch schon gelungen und spiegelt den Charakter der Mannschaft wider. Die Mannschaft hält zusammen, auch wenn die eine oder andere mal nicht spielt und es für diese Spielerin dann auch nicht einfach ist. Dadurch konnten wir auch sehr erfolgreichen Volleyball spielen. Und das schweißt dann am Ende auch zusammen.

Welchen Anteil hat Trainer Guillermo Hernandez an den jüngsten Erfolgen?

Seitdem er da ist - und auch der Rest des Trainerstabs mit Riccardo Boieri und Ioannis Paraschidis – sind wir noch enger zusammengewachsen, konnten noch mehr aus der Mannschaft rausholen und haben eine gewisse Struktur. Da haben die Trainer natürlich den größten Anteil, denn sie formen am Ende die Spielerinnen und bereiten sie auf die Gegner vor. Zum Beispiel mit einer Videoanalyse oder in Einzelgesprächen. Man kann immer Spielerinnen verpflichten. Die Kunst ist es dann, daraus ein Team zu formen und die optimale Leistung der Mannschaft abzurufen.

Vor der Saison gab es trotz wichtiger Vertragsverlängerungen einige personelle Änderungen im Kader. Sieben Spielerinnen verließen den Verein, sieben neue kamen dazu. Unter anderem Topspielerin Hester Jasper. Ist die Mannschaft aus dieser Saison noch stärker als die aus der letzten?

Ja, die ist personell stärker als die letzte. Klar hatten wir das auch so im Kopf beziehungsweise vor der Saison auf dem Blatt Papier. Und in den ersten Spielen konnte man das schon erkennen. Wir sind kompakter. Jeder weiß, was er zu tun hat. Im Endeffekt haben wir auf den Außenpositionen drei Spielerinnen getauscht. Hester Jasper, Pia Leweling und Fleur Savelkoel sind dazugekommen. Eine Laura Emonts ist aber beispielsweise geblieben. Und es spielen ja nur zwei Außenspielerinnen in der Startformation. Das macht es natürlich einfacher. Trotzdem braucht es eine Einspielzeit. Da helfen dann erfahrene Spielerinnen wie Aleksandra Jegdic. Die macht es den anderen leichter, weil sie auch charakterlich einfach ein toller Typ ist. Wir sind also schon deutlich besser aufgestellt als in der letzten Saison.

In Duellen gegen Teams wie Stuttgart, Schwerin oder Dresden ist Potsdam inzwischen fast schon in der Favoritenrolle. Würden Sie von einer Wachablösung im deutschen Frauen-Volleyball sprechen?

Nein, davon würde ich absolut noch nicht sprechen. Andere Mannschaften haben viel mehr Titel in ihrer Historie. Dahin zu kommen, wo Stuttgart, Schwerin oder Dresden sind, ist unser Ziel. Wir müssen viele Sachen noch verbessern. Auch im Hintergrundgeschehen, also beispielsweise in der Nachwuchsarbeit. Da ist uns beispielsweise Dresden schon noch voraus. Dort wollen wir aber hin.

Unser Ziel ist es auch immer, viele deutsche Spielerinnen in den Kader zu integrieren. Aber nur mit deutschen Spielerinnen wird es nicht funktionieren. Wenn man oben unter den ersten Vier und auch international gut mitspielen will, dann braucht man auch internationale Spielerinnen. Von denen hatten wir aber auch immer sechs bis sieben in unserem Kader. Das zeichnet uns auch aus, dass wir das dementsprechend fördern.

Ein wichtiger Faktor, um langfristig an Teams wie Dresden heranzukommen, sind die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Wie haben sich diese in den vergangenen Jahren verändert - ist der Etat deutlich gestiegen?

Der Etat ist auf jeden Fall gestiegen. Durch unseren Erfolg konnten wir den einen oder anderen Partner dazugewinnen, einige davon erst kürzlich im Oktober und jetzt auch im Dezember. Darauf sind wir natürlich sehr stolz. Sicherlich wären wir ohne die Corona-Pandemie noch ein ganzes Stück weiter. Aber das geht den anderen Vereinen genauso. Es ist noch ein großer Schritt, bis wir nachhaltig an Teams wie Dresden herankommen. Stuttgart und Schwerin haben sogar nochmal ein höheres Budget als Dresden. Das ist aber unser Ziel.

Denn momentan werden wir in unserer Vorbereitung noch sehr häufig eingeladen. Das spart zwar Kosten, aber man möchte natürlich nicht immer auf jeden Cent schauen müssen. Man möchte dem Trainer auch mal sagen können, dass es kein Problem ist, nochmal drei, vier Tage in ein Trainingslager zu fahren. Natürlich ohne dabei das Geld zum Fenster rauszuwerfen. Aber man möchte die Mannschaft bestmöglich vorbereiten. Und da müssen wir aktuell immer noch genau gucken.

Das Team spielt diese Saison auch zum ersten Mal Champions League. In der Gruppe sind allerdings große Kaliber wie der mehrfache Champions-League-Sieger Istanbul vertreten. Bisher gab es zwei Niederlagen aus zwei Spielen. Was fehlt Ihrem Team in diesen Partien gegen die Weltklasse-Teams noch?

Einerseits das Budget (lacht). Das müssen wir klar so sagen. Andererseits vielleicht noch ein bisschen die Erfahrung. Das hat man gegen VakifBank Istanbul gesehen, auch wenn wir da ein unfassbar gutes Spiel vor ausverkauftem Haus gemacht haben. Damit hat sicherlich niemand gerechnet, dass wir da so gegenhalten können.

Auch Giovanni Guidetti (Nationaltrainer der türkischen Frauen, ehemals Nationaltrainer der deutschen Frauen, Anm. d. Red.) hat im Interview nach dem Spiel gesagt, dass wir viel besser gespielt haben als Istanbul, sie aber vielleicht am Ende einfach ein wenig mehr Erfahrung hatten als wir. Dadurch waren sie in den entscheidenden Momenten etwas mehr da. Wir konnten das Spiel sehr offen gestalten. Aber auf der anderen Seite stehen Weltklasse-Spielerinnen, sogar fast die halbe türkische Nationalmannschaft. Darüber hinaus fehlt uns vielleicht auch manchmal die Körpergröße. Aber wir haben es trotzdem gut gemacht und werden mit solchen Spielen auch weiter wachsen.

Auch in der aktuellen Spielzeit ist Potsdam bärenstark, steht ungeschlagen an der Spitze der Bundesliga-Tabelle. Ist die erste Meisterschaft nun das klare Ziel?

Nein. Weil wir wissen, dass die Saison noch lang ist. Wir wollen natürlich ins Halbfinale, das ist unser Ziel. Und wenn wir das schaffen, wollen wir auch ins Finale. Aber da gehören ja viele Dinge dazu, dass wir zum Beispiel verletzungsfrei bleiben. Natürlich möchte man am liebsten immer einen Titel holen. Wir spielen Bundesliga, um oben anzukommen. Das ist das große Ziel.

Wir werden wahrscheinlich auch zum neuen Jahr auf dem ersten Platz stehen. Aber wir sind noch nicht am Ziel angekommen. Das ist vergleichbar mit der Tour de France. Du bist zwar oben am Berg angekommen, aber deswegen noch lange nicht im Ziel. Und so ist es bei uns auch. Zumal wir uns mit der Hauptrunde ja auch nur eine gute Ausgangslage für die Playoffs verschaffen können. Und dort werden die Karten dann nochmal neu gemischt.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Flynn Jacobs, rbb Sport.

Sendung: rbb24, 29.12.2022, 16 Uhr

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