Interview | Niroomand zum Berliner Koalitionsvertrag - "Berlin ist die Sportmetropole in Deutschland - aber wir müssen sie weiterentwickeln"

Sa 22.04.23 | 08:06 Uhr
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Archivbild: Berlin Recycling Volleys: Geschäftsführer Kaweh Niroomand bei der BR Volleys Saisonauftakt-Pressekonferenz. (Quelle: imago images/A. Gora)
Bild: imago images/A. Gora

Kaweh Niroomand hat sich den neuen Koalitionsvertrag genau angeschaut. Als Sprecher der Berliner Profivereine fordert er eine Weiterentwicklung der sportlichen Infrastruktur. Eine langfristige Strategie sieht der Volleys-Manager nicht.

rbb24: Im Koalitionsvertrag sollen die Weichen für einen moderneren Sport mit besseren Rahmenbedingungen gestellt werden. Steuert die neue Berliner Regierung mit ihren Vorhaben in die richtige Richtung?

Kaweh Niroomand: Es werden einige Themen angesprochen, die für den Sport in der Stadt wichtig sind. An erster Stelle würde ich die Entwicklung der Sport-Infrastruktur nennen. An allen Ecken und Enden gibt es dort Probleme: im Schulsport, im Vereinssport, aber auch bei den Spitzenteams. Perspektivisch fehlt uns eine mittelgroße Halle, etwa in der Größenordnung von 5.000 bis 7.000 Zuschauern.

Warum wäre solch eine Halle wichtig?

Die Profiklubs im Basketball, Handball und Volleyball haben immer wieder Herausforderungen mit der Halle. Weil unsere BR Volleys in dieser Woche das Finale um die deutsche Meisterschaft erreicht haben, müssen wir eine Partie am Montag, den 1. Mai spielen, was völlig untypisch ist. Grund dafür ist die Belegung der Max-Schmeling-Halle am Abend zuvor durch die Handballer (Deutschland – Spanien, Anm.). Es ist also auch in der Spitze eng, was die Hallenthematik angeht. Wir kennen das Dauerthema von Alba Berlin und der Mercedes-Benz-Arena (der Mietvertrag der Basketballer in der Arena läuft aus, Anm. d. Red.). Für dieses Jahr ist das Problem gelöst, aber es ist keine langfristige Perspektive.

Sie sprechen die Infrastrukturprobleme sowohl im Spitzen- als auch im Breitensport an. Zu ergänzen wären marode Schwimmbäder und Turnhallen, lange Wartelisten für die Sportvereine. Ist die Berliner Selbstbezeichnung als "Sportmetropole" vor diesem Hintergrund überhaupt haltbar?

Das würde ich schon sagen. Man muss das Gesamtbild betrachten. Wenn man sieht, wie viele Sport-Großveranstaltungen in Berlin stattfinden, wie viele Bundesligisten es gibt, nämlich 120 - oft führende Klubs in ihren Sportarten. Wenn man sieht, welche großen Ereignisse sich um diese Vereine abbilden, da denke ich schon: Alles in allem ist Berlin nicht nur eine Sportmetropole, sondern die Sportmetropole in Deutschland. Aber wir müssen sie weiterentwickeln.

In welchen Bereichen?

Wir brauchen abgesehen von einer entsprechenden Infrastruktur eine langfristige Strategie. Hamburg hat eine Dekadenstrategie, auch von anderen Städten hört man, dass sie sich langfristig als Sportstadt entwickeln wollen, etwa Frankfurt. Diese langfristige Zielsetzung fehlt uns. Wo wollen wir die Sportstadt Berlin in zehn Jahren haben? Wir müssen raus aus der Denkweise im Fünfjahres-Rhythmus: neue Regierung, dann werden ein paar Maßnahmen beschlossen, die Hälfte der Vorhaben kommt gar nicht zustande. Und dann kommt schon die nächste Regierung. Das müssen wir abstellen. Es gilt, eine Sportstrategie zu entwickeln, auf die wir in zehn Jahren zurückblicken können und sagen: "Das war damals eine wichtige Weichenstellung".

Bei welchen Themen braucht es die langfristige Strategie besonders?

Das betrifft die Sportgroßveranstaltungen, die Sportinfrastruktur, und es betrifft die Entwicklung der Spitzenmannschaften als Aushängeschilder. Diese Klubs geben neben der Schule den Impuls, dass die Kinder in die Vereine kommen. Eine langfristige Strategie müsste sich hier anschauen, wie man die Spitzenteams weiter in der deutschen und europäischen Spitze etablieren kann. Das kann man nicht mit einem Ein- oder Zweijahresplan machen.

Die Vorhaben im Koalitionsvertrag seien nicht konkret genug, monierten Sie zuletzt. Wo wünschen Sie sich mehr Klarheit?

Viele Vorhaben sind eher plakativ erwähnt worden. Nach dem Motto: Jeder, der heute einen Plan macht, sollte die Themen Diversität und Nachhaltigkeit einbringen. Aber das sind erst mal Überschriften. Wenn man den Frauensport in Berlin voranbringen will, wie soll das konkret aussehen? Was will die Regierung dafür leisten, damit der Frauensport vorankommt, um nur ein Beispiel zu nennen. Da habe ich den Eindruck, dass an etlichen Stellen ein paar plakative Erwähnungen stattfinden, anstatt wirklich konkrete Schritte zu nennen.

Welche politische Gestaltungsmöglichkeit gäbe es, um Randsportarten-Topklubs, wie etwa Ihren BR Volleys, zu mehr Aufmerksamkeit zu verhelfen?

Wir sind alle in unseren Sportarten in Deutschland führend. Die BR Volleys sind mit den Zuschauerzahlen sogar in Europa führend. Alba, die Füchse, die Eisbären auch. Also wir machen schon unsere Arbeit. Und alle diese Klubs machen in ihren Sportarten auch die beste Jugendarbeit in Deutschland. Union und Hertha ebenfalls. Das wird häufig vergessen. Die Profiklubs kommen ihrer Verpflichtung nach.

Wo die Politik uns helfen muss, das sind die Rahmenbedingungen: die Infrastruktur, der finanzielle Rahmen. Es gibt viele Unternehmen in der Stadt, die uns unterstützen könnten, aber wir haben nicht die großen Industrie-Unternehmen wie im Ruhrgebiet, in Baden-Württemberg oder Bayern. Wir sind angewiesen auf viele kleine Unternehmen. Aber da könnte man mit einer langfristig angelegten Strategie auch mehr machen, wenn es etwa um die Rahmenbedingungen geht.

Für Diskussionen sorgte die Befürwortung einer Olympia-Bewerbung für das Jahr 2036. Wie stehen die Topklubs dazu?

Wir haben auch schon die letzte Olympia-Bewerbung unterstützt. Die Olympischen Spiele sind das größte Sportereignis der Welt. Wir denken, dass man das richtig aufsetzen muss. Man darf der Bevölkerung nicht von oben diktieren: “Das machen wir jetzt.” Sondern man muss aus der Zivilgesellschaft heraus die Gründe dafür entwickeln und gemeinsam Argumente erarbeiten, dass man die Spiele durchführt, die dann auch zur Weiterentwicklung des Sports beitragen und dem Sport sehr viel Hilfe geben, sich zu entwickeln. Die Infrastruktur, von der ich bereits sprach, profitiert davon: die Max-Schmeling-Halle, das Velodrom sind auch entstanden aus Bestrebungen, die Olympischen Spiele in Berlin auszurichten. Wichtig ist, dass alles, was für die Olympischen Spiele entwickelt wird, auch der gesellschaftlichen Entwicklung und dem Sport in dem jeweiligen Land zugutekommt.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Shea Westhoff, rbb Sport.

Sendung: rbb24, 17.04.2023, 22 Uhr

2 Kommentare

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  1. 2.

    Die Hoffnung stirbt zum Schluss…
    Allerdings - wenn auch ein neuer Senat gewählt wurde - die Mitarbeiter*innen bleiben doch die Selben… oder werden sämtliche Sachbearbeiter*innen immer mit ausgetauscht? Ergo bleibt in der Verwaltung und somit auch bei der Enrscheidungsfindung und der entsprechenden Geschwindigkeit des Handelns alles beim Alten… Es ist also egal, wessen Name auf dem Schild der regierenden Bürgemeisterin steht…

  2. 1.

    Ich stelle mir gerade vor, dass jemand eine neue Spielstätte für einen Profiverein bauen möchte, dann aber wie seit Jahren üblich auf das Verkehrskonzept eines arbeitsscheuen Verkehrssenates warten muss. Da kann es nur besser werden.

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