Interview | Ex-Herthaner Jolly Sverrisson - "Die Stimmung bei den Heimspielen in der Champions League war einmalig"

Di 19.09.23 | 11:49 Uhr
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Luis Figo (Barca, li.) und Eyjölfur Sverrisson (Hertha) kämpfen an der Seitenlinie um einen Ball (Bild: Imago Images/Contrast)
Bild: Imago Images/Contrast

Ein Berliner Verein in der Champions League? Das gab es schon 1999/2000 mit Hertha BSC. Ex-Spieler Jolly Sverrisson erinnert sich an große Duelle, das legendäre Nebelspiel gegen Barcelona und blickt optimistisch in Herthas Zukunft.

rbb|24: Nehmen Sie uns mit in die Schönheit der isländischen Natur. Was sehen Sie, wenn Sie aus dem Fenster schauen?

Jolly Sverrisson: Ich sehe einen Berg von Reykjavik, das ist ein sehr alter Vulkan, der schon erloschen ist.

Wie verbringen Sie Ihre Zeit in Ihrer Heimat?

Ich habe meine eigene Firma hier in Island und schaue sozusagen nach dem Rechten. Das ist ein großer Holzhandel und ich kümmere mich um die Finanzen.

Zur Person

Eyjólfur "Jolly" Sverrisson begann in der isländischen Heimat mit dem Fußballspielen und wechselte mit Anfang 20 zum VfB Stuttgart, mit dem er wenig später Deutscher Meister wurde. Nach einer Saison bei Besiktas Istanbul, in der er ebenfalls Meister wurde, kam er 1995 zu Hertha BSC.

Mit den Berlinern gelang ihm 1997 der Aufstieg in die Bundesliga auf. Drei Jahre später spielte er mit ihnen in der Champions League. 2003 beendete er seine Karriere und war danach noch als Trainer aktiv.

Lassen Sie uns über die Saison in der Königsklasse 1999/2000 sprechen. Was geht Ihnen durch den Kopf?

Das war einfach eine geniale Zeit. Es war sensationell! Wir haben eine gute Mannschaft gehabt und waren eine geschlossene Gemeinschaft. Da war einfach viel Euphorie. Wir waren gerade aufgestiegen und zwei, drei Jahre danach waren wir schon in der Champions League. Das ist alles sehr schnell gegangen. Es war eine einmalige Zeit.

Was zeichnete Ihre Mannschaft aus?

Ich glaube, es war das Kollektiv. Die Mannschaft hat zu einhundert Prozent funktioniert – von der Abwehr bis zum Sturm. Wir waren unheimlich laufstark, willensstark und jeder hat seinen Nebenmann unterstützt.

Die Vorrundengruppe war mit Chelsea, AC Mailand und Galatasaray Istanbul prestigeträchtig. Sie hatten Ihren ersten Einsatz erst am vierten Spieltag gegen AC Mailand, zu Hause im Olympiastadion. Wissen Sie noch, wen Sie verteidigt haben?

Ja, ein bisschen kann ich mich noch erinnern - obwohl ich viele Kopfbälle gemacht habe (lacht). Ich glaube, Oliver Bierhoff war bei denen vorne im Sturm.

Sie gewannen das Spiel sensationell mit 1:0. Was war der Schlüssel zum Sieg?

Wir hatten keine großen Stars oder Einzelspieler, sondern waren einfach eine geschlossene Mannschaft. Das hat uns ausgezeichnet. Wir sind immer mehr zusammengewachsen und das war der Schlüssel zum Erfolg. Die hatten eine geniale Mannschaft mit vielen Stars. Das war schon überragend, was wir da gemacht haben. Es war einfach ein gutes Spiel von uns und absolut verdient. Das war ein harter Kampf.

Wie war die Stimmung im Verein und in der Stadt nach dem Sieg?

Die Stimmung in der Stadt war einfach einmalig. Immerhin spielten die besten Fußballer der Welt damals alle in Italien und die Bundesliga war nicht so hoch angesehen wie die italienische Liga. Ich kann mich noch erinnern, wie viele Zuschauer in der Kurve waren. Das war gigantisch. Man kann es schwer beschreiben. Auch wir Spieler waren fast ein bisschen schockiert nach dem Spiel. Aber genau das hat uns nach vorne gepeitscht. Zu Hause waren wir generell richtig stark und haben unsere Punkte bei den Heimspielen geholt. Wir hatten ja auch noch das Nebelspiel gegen Barcelona, das 1:1 ausging.

Spieler von Hertha BSC und dem FC Barcelona 1999 beim berühmten Nebel-Spiel. (Quelle: imago/Sven Simon))

Sie sprechen es schon an. In der Zwischenrunde ging es gegen Barcelona mit Kluivert, Luis Figo, Guardiola, trainiert von van Gaal. Im TV und von den Rängen war aufgrund von Nebel wenig zu sehen. Wie war es auf dem Platz?

Wenn die Abwehr von Barcelona den Ball hatte, hat man den kaum gesehen. Da musste man schon aufpassen. Trotzdem haben wir gespielt. Auch das sind gute Erinnerungen.

Ist das nicht auch tragisch: Das größte Spiel der Klubgeschichte - und niemand konnte es sehen?

Ja, das war schon Wahnsinn. Heute wäre dieses Spiel ja nie gespielt worden.

Springen wir ins Hier und Jetzt. Mit welchen Gedanken blicken Sie heute auf Hertha?

Es ist schwierig. Aber ich bin Herthaner und werde immer Herthaner sein. Ich gucke hier in Island alle Spiele und bin gedanklich immer dabei. Wir haben momentan eine schwierige Zeit, aber ich glaube daran, dass wir wieder zurückkommen werden. Wir müssen zusammenhalten und schauen, dass wir Schritt für Schritt nach vorne kommen.

Ich kam damals auch zu Hertha, als sie in der 2. Liga waren und wusste, dass da ein riesiges Potential ist. Ich war überzeugt, dass wir da einiges reißen würden - und das haben wir dann auch gemacht. Wir sind im zweiten Jahr aufgestiegen und waren nach drei Jahren in der Champions League. Das zeigt, dass mit positiven Gedanken und kollektiver Arbeit viel drin ist bei Hertha. Die Zuschauer sind da, diese Gemeinde ist einfach stark.

Wie sind Sie dem Verein noch verbunden?

Ich bin Fahnenträger [eine Aktion des Vereins, bei der ehemalige Spieler als Multiplikatoren und Berater fungieren, Anm. d. Red.], komme also regelmäßig zum Spiel und werde einiges für den Verein machen, um Hertha positiv nach vorne zu bringen.

In dieser Saison ist ein anderer Berliner Verein in der Champions League vertreten. Schauen Sie die Partie von Union Berlin bei Real Madrid?

Nein, das werde ich mir nicht anschauen. Ich gucke Union-Spiele, wenn sie gegen Hertha spielen (lacht).

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Shea Westhoff, rbb Sport.

Sendung: rbb24, 19.09.2023, 18 Uhr

7 Kommentare

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  1. 7.

    Herzlichen Glückwunsch, Sie haben gerade einfach nur bewiesen, dass Sie nicht verstanden haben, was eine Fahrstuhlmannschaft ist. :D

  2. 6.

    Mich interessiert es und ich lese solche Artikel gern. Wenn Sie es nicht interessiert, müssen Sie es ja nicht lesen. Oder ging es wieder einmal nur darum gegen Hertha zu schießen.
    Seit ihr dessen nicht langsam müde?

  3. 5.

    Wenn Sie die Gesamthistorie betrachten, gehörte Hertha 40 von 60 Jahren der Bundesliga an und ist 22/23 zum siebten mal abgestiegen. Ich meine, 1x zuviel um sich gerade noch in der Kategorie "Nichtfahrstuhlmannschaft" halten zu können.

  4. 4.

    Wenn interessiert einen Geschichte aus „besseren“ Zeiten, dieses Zweitligisten, die über 20 Jahre her sind? Vergilbte Schwarz/Weiß-Fotos austauschen?
    Was hat das mit der heutigen Situation zutun, wo der 1.FC Union Berlin zu den Mannschaften gehören, die Champions League spielen?
    Außer ein sentimentales Bruchstückchen einer Mannschaft, die ansonsten belanglos im untersten Mittelfeld agiert.
    Damals war’s, Geschichten aus dem alten Berlin, mehr nicht. Doch: die täglich geschürte Aufmerksamkeit.

  5. 3.

    Man war zu der Zeit 13 Jahre in Folge in der Bundesliga und jetzt waren es auch zehn Jahre. Oder anders gesagt, man war in den letzten 26 Jahren 24 Jahre in der Bundesliga. Unter einer wirklicher Fahrstuhlmannschaft verstehe ich doch was anderes.

  6. 2.

    Lange, lange, lange ist es her, die Champions League Zeiten.

  7. 1.

    Sverrissons Erinnerungen an Herthas CL-Saison 99/00 und die unvergesslichen Siege gegen internationale Größen des Fussballsports wie den FC Chelsea oder AC Mailand ändern nichts daran, daß die Hertha ihren
    Titel einer Bundesligafahrstuhlmannschaft bis heute nie wirklich abstreifen konnte.

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