Cottbuserin bei Qualifikations-Turnier - Boxerin Canan Tas fehlen vier Siege bis zum "Olympia-Traum"

Mo 04.03.24 | 14:28 Uhr | Von Thomas Juschus
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Canan Tas im Kampf um die Deutsche Meisterschaft 2022 gegen Lena Sajaloli (Bild: IMAGO/Ostseephoto)
Bild: IMAGO/Ostseephoto

Canan Tas aus Cottbus hat erst im September 2019 mit dem Boxsport begonnen - jetzt ist die 28-Jährige die deutsche Nummer eins. Diese Woche kämpft sie in der Nähe von Mailand um ein Ticket zu den Olympischen Spielen 2024 in Paris. Von Thomas Juschus

"Jetzt wird die Anspannung natürlich noch etwas größer", sagt Canan Tas aus Cottbus mit zugleich unüberhörbarer Vorfreude in ihrer Stimme. Der Anlass für die Mischung aus Nervosität und Vorfreude: Die erste Welt-Qualifikation für das olympische Box-Turnier, die diese Woche im italienischen Busto Arsizio ausgetragen wird. Nach einem Freilos für die erste Runde steigt die 28-jährige Tas dort erst Mitte der Woche ein.

Erreicht die deutsche Nummer eins im Federgewicht (bis 57 kg) unweit von Mailand in der E-work-Arena das Finale, würde Canan Tas tatsächlich im Sommer bei den Olympischen Spielen in Paris Deutschland im Boxen der Frauen vertreten - gerade einmal etwas mehr als vier Jahre nach ihrer ersten Übungsstunde.

Später Einstieg in einen familiären Sport

Am 2. September 2019 besuchte Canan Tas aus einer Laune heraus erstmals eine Trainingseinheit beim Cottbuser Boxverein 2010 e.V. in der Gartenstraße. Es war ein Tag, der ihr Leben verändern sollte. "Hätte man mich damals gefragt: 'Boxt Du 2024 bei Olympia in Paris?', hätte ich natürlich geantwortet: 'Ich glaube nicht'", erzählt Canan Tas. "Jetzt ist es nicht mehr unmöglich", ergänzt sie anschließend mit einem ungläubigem Lächeln. Vier Siege ist die junge Frau aus Süd-Brandenburg jetzt noch von einem Ticket nach Paris entfernt.

"Irgendwie bin ich mit Boxsport aufgewachsen. Und ich hatte immer die komplette Unterstützung meiner Familie", erinnert sich Tas an die Anfänge ihrer Box-Karriere. Vater Ahmet, der aus Köln stammt, war früher selbst Boxer und stand in Junioren-Zeiten auch in der DBV-Auswahl. Im September 2019 organisierte er die erste Trainingsstunde seiner Tochter. Knapp acht Wochen später steigt die gebürtige Cottbuserin im Cottbuser Glad-House zu ihrem ersten Kampf in den Ring. Und gewinnt.

"Das Wichtigste war immer, Spaß zu haben. Eins kam dann zum anderen. Ich bin da sehr unbedarft rangegangen, wurde so mitgezogen und bin drangeblieben", erinnert sie sich. Nach einem weiteren starken Kampf im Corona-Sommer 2021 bei der Cottbuser Autokino Box-Night erhält sie das Angebot, an den Stützpunkt in Frankfurt (Oder) zu wechseln.

Eine ICE-Fahrt von 0 auf 300

"Canan ist mir damals beim Sparring mit ihrer Courage sehr aufgefallen", erinnert sich Frauen-Bundestrainer René Benirschke, der die Boxerin seit zweieinhalb Jahren am Bundesstützpunkt in Frankfurt (Oder) betreut. Körperlich, technisch und taktisch habe sich die Spät-Berufene seitdem enorm entwickelt, sagt er. Vor allem komme die Cottbuserin in den Kämpfen aber über ihre überragende Mentalität. "Canan ist und wird keine filigrane Boxerin mehr", sagt Benirschke, "aber sie ist definitiv eine Kämpferin. Ihre Einstellung stimmt. Sie mag es einfach, an ihre Grenzen zu gehen und ist beispielhaft für einen erfolgreichen Quereinstieg in das Boxen." Steffen "Kuno" Rehn, ihr erster Trainer und Förderer in Cottbus, bringt es auf den Punkt: "Canan hat einfach ein Boxer-Herz."

Seit Ende 2021 hat Tas Kaderstatus und kann sich vollends auf den Sport konzentrieren. Sie verdient als Angehörige der Sportfördergruppe der Brandenburger Feuerwehr ihren Unterhalt und macht neben dem Sport in Eisenhüttenstadt eine Ausbildung als Brandmeister-Anwärterin. Seitdem ist es Schritt für Schritt weitergegangen. Nach ersten internationalen Einsätzen gewinnt sie im Dezember 2022 erstmals die deutsche Meisterschaft im Federgewicht. Und nach gerade einmal 25 Kämpfen winkt nun die Chance, sich einen Startplatz für Paris 2024 zu erkämpfen. "Manchmal denke ich: Wow. Die letzten Jahre waren wie eine ICE-Fahrt – von 0 auf 300", sagt Tas.

Canan Tas bei der Olympia-Quali in Italien (Bild: privat)Tas bei der Welt-Qualifikation für das olympische Box-Turnier| Bild: privat

Kampf um zwei von 49 Olympiatickets

Seit dem vergangenen Donnerstag befindet sich die elfköpfige Mannschaft des Deutschen Boxsport-Verbandes (DBV) vor den Toren Mailands, hat dort im Hotel Cavalieri della Corona Quartier bezogen, in dem unter anderem auch die Boxerinnen und Boxer aus Neuseeland, Portugal, Spanien oder der Slowakei auf ihren ersten Kampf warten. Mehr als 600 Athletinnen und Athleten aus über 110 Nationen sind in Busto Arsizio dabei, um in elf Gewichtsklassen (fünf Frauen, sechs Männer) um 49 Olympia-Startplätze zu kämpfen. "Mein erster Kampf ist wahrscheinlich am Donnerstag gegen Nguyen Huyen Tran aus Vietnam", berichtet Tas nach der Auslosung.

Im Federgewicht der Frauen werden in Busto Arsizio nur zwei Tickets für die Sommerspiele in Paris vergeben. "Ich denke, es ist erstmal wichtig, dass Canan gut in das Turnier reinkommt und die Kampfrichter sie wahrnehmen. Canan war noch nie auf so einem großen Turnier, und es ist wichtig, dort Erfahrung zu sammeln", sagt René Benirschke vor dem Auftakt-Kampf. "Canan boxt aus einer stabilen und sehr geschlossenen Deckung. Es ist nicht so einfach sie zu treffen, und am Ende macht sie auch viel über ihre Kondition", sagt der Bundestrainer.

Olympia-Quali

Deutschland hat bislang im Boxen keinen Startplatz für die Olympischen Spiele in Paris erkämpfen können. Die ersten Quotenplätze wurden 2023 im Rahmen der European Games vergeben. Das erste Welt-Qualifikationsturnier findet in Busto Arsizio in Italien statt (bis 11. März). Besonderheit: Nachdem die Quotenplätze verteilt sind endet das Turnier, das bedeutet es werden während des Turniers keine Medaillenkämpfe stattfinden. Die letzte Möglichkeit, ein Olympia-Ticket zu ziehen, besteht beim zweiten Welt-Qualifikations-Turnier vom 26. Mai bis zum 2. Juni in Bangkok/Thailand.

Neue Medaillen und ein Traum

Mit gerade einmal etwas mehr als zwei Dutzend Kämpfen fehlt Canan Tas zwar die ganz große Ringerfahrung, das scheint die 28-Jährige aber mit ihrer großen Willenskraft wett zu machen. "Mein Biss ist ziemlich groß – ich war schon immer eine Kämpferin. Und vielleicht bin ich mental ein Stück weiter als andere, weil ich ein bisschen mehr Lebenserfahrung habe", sagt Tas über sich selbst. Zuletzt überzeugte sie bei den World-Cup-Wettbewerben in Köln und Sheffield und brachte von dort jeweils Bronze-Medaillen mit zurück in ihr WG-Zimmer in Cottbus.

"Die letzten Kämpfe haben gezeigt: Ich kann mit der Weltspitze mithalten", sagt Tas, für die mit diesen Ergebnissen auch eine Teilnahme an den Olympischen Spielen immer näher rückte. "Das Thema ist natürlich auch für mich immer interessanter und immer größer geworden".

Zunächst heißt es jetzt aber erstmal noch Warten bis zum ersten Kampf und gegen die Nervosität ankämpfen. "Natürlich möchte man eigentlich sofort in das Turnier starten. Jetzt wird die Anspannung noch ein bisschen größer", sagt Tas, die sich, wie auch bei anderen Turnieren, ihr Zimmer mit Felicitas Ganglbauer aus München teilt. "Wir können uns hoffentlich gegenseitig noch ein bisschen von dem ganzen Trubel ablenken. Es ist schon eine große Ehre für mich, hier Deutschland vertreten zu dürfen – und natürlich ist es deshalb auch noch aufregender als bei meinen anderen Turnieren", sagt die Cottbuserin, "aber ich freue mich drauf und will mir auf jeden Fall meinen Traum erfüllen."

Sendung: rbb24 Inforadio, 04.03.2024, 12:15 Uhr

Beitrag von Thomas Juschus

1 Kommentar

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  1. 1.

    ...na dann toi, toi, toi. Die Daumen sind gedrückt.

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