Interview | Ingolf Zellmann, Leiter Leitstelle Lausitz - "Es ist eine äußerst dramatische Situation im Süden von Brandenburg"

Do 18.11.21 | 19:02 Uhr
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Blick in die Leitstelle Lausitz (Bild: rbb/Krüger)
Blick in die Leitstelle Lausitz | Bild: rbb/Krüger

Die Krankenhäuser sind am Limit ihrer Möglichkeiten, Intensiv-Patienten aufnehmen zu können. Für Südbrandenburg koordiniert die Leitstelle Lausitz die Verlegung von Patienten. Ein Interview mit dem Leiter Ingolf Zellmann.

rbb|24: Herr Zellmann, wie stellt sich momentan die Situation für Sie dar?

Ingolf Zellmann: Wir verlegen im Moment Notfallpatienten, die nicht aufgenommen werden können oder andere Patienten, die bereits in Krankenhäusern sind, in andere Regionen im Land Brandenburg. In Einzelfällen bringen wir sie auch nach Berlin oder nach Sachsen, wenn es medizinisch indiziert ist. Beide Bundesländer können aber auch keine Patienten mehr aufnehmen. Es ist eine äußerst dramatische Situation im Süden von Brandenburg. Vor allem in den Landkreisen Elbe-Elster und Oberspreewald Lausitz und auch am Carl-Thiem-Klinikum in Cottbus.

Was wissen Sie über die Situation der angrenzenden Bundesländer?

Also Berlin ist voll, Sachsen ist voll, Sachsen-Anhalt ist voll. Wir haben ähnliche Situationen in allen Bundesländern. Thüringen und Sachsen sind dabei noch stärker betroffen als Brandenburg. Wir hinken der Entwicklung ein bis zwei Wochen hinterher, die Entwicklung, die wir heute in Dresden sehen, werden wir in ein, zwei Wochen auch hier bei uns sehen.

Der Leiter der Leitstelle Lausitz, Ingolf Zellmann (Bild: rbb/Krüger)
Der Leiter der Leitstelle Lausitz, Ingolf Zellmann | Bild: rbb/Krüger

Kommen die verlegten Patienten auf Intensivstationen oder auch auf Normalstationen?

Das ist unterschiedlich, wir haben nicht nur Covid-Patienten. Der überwiegende Anteil sind Nicht-Covid-Patienten, die eben auch versorgt werden müssen. Wir haben viele internistische Patienten, die Kranklenhäuser arbeiten ja in diesem Jahr nicht mehr im Notbetrieb sondern im Regelbetrieb und da kommt Covid oben drauf. Zudem haben wir einen massiven Pflegekräftemangel zu verzeichnen, das geht damit einher, dass weniger Krankenhausbetten zur Verfügung stehen und wir deswegen massive Kapazitätsprobleme im Krankenhausbereich haben. Das wirkt sich dann auch auf den Rettgungsdienst aus, dass wir Notfallpatienten nicht mehr im ortsnahen Krankenhaus aufgenommen bekommen. Gestern zum Beispiel mussten wir einen Patienten aus der Nähe von Senftenberg nach Rüdersdorf bringen von der Einsatzsstelle.

Wie laufen die Verlegungen genau ab?

Die Patienten werden von den Kliniken hier angemeldet, dann organisieren wir sogenannte Arzt-Arzt-Gespräche zwischen abgebender und aufnehmender Klinik. Wenn es Arzt-begleitende Transporte sind, muss der auch mit einbezogen werden. Wichtig ist, ob die Patienten intensivpflichtig sind, ob sie geflogen werden können. Da spielt dann das Wetter wieder eine Rolle, ebenso Tag- und Nachthelle. Also diese Tansporte, die Koordinierung, das ist schon recht aufwändig. Wir bekommen nicht eine große Anzahl von Patienten verlegt, weil der Rettungsdienst eigentlich den Regelrettungsdienst vor Ort sicherstellen muss.

Woher werden die meisten Verlegungen angemeldet?

Schwerpunkt sind Senftenberg und Finsterwalde. Aber in der gesamten Region im Süden Brandenburgs ist die Situation äußerst angespannt, wir haben eigentlich keine freien Kapazitäten.

Wie sieht denn der Plan für die nächsten Wochen aus?

Es ist auf Landesebene in Vorbereitunmg eine Allgemeinverfügung zur Freihaltung von Krankenhauskapazitäten. Es kann nur appelliert werden, dass das planbare Geschäft in den Krankenhäusern heruntergefahren wird, dass Kapazitäten geschaffen werden, dass alle sich auf einen Notbetrieb vorbereiten. Das gilt auch für den Rettungsdienst und Katastrophenschutz damit man die Situation beherrschen kann. Die Krankenhäuser untereinander werden auch koordiniert in fünf Versorgungsregionen, da laufen diverse Abstimmungen, um eben diesen Notbetrieb individuell sicherstellen zu können.

Um es noch einmal deutlich zu fragen: Die Verlegung und Versorgung der Patienten wird aber innerhalb Brandenburgs sichergestellt?

Im Moment innerhalb Brandenburgs. Darüber hinaus gibt es eine Kleeblatt-Organisation. Da sind wir mit drin, die Kleeblattregion-Ost, das sind Thüringen, Sachsen-Anhalt, Sachsen, Berlin und Brandenburg. Dort koordinieren wir auch Verlegungsmöglichkeitgen. Gerade heute hat Thüringen den Bedarf angemeldet, Patienten in andere Bundesländer zu verlegen, das wird dann bundesweit gesteuert. Aber es sieht gerade in den südlichen Bundesländern mit Kapazitäten nicht gut aus.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Gespräch für rbb|24 führte Carl Winterhagen.

Sendung: Antenne Brandenburg, 18.11.2021, 16.40 Uhr

9 Kommentare

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  1. 9.

    EE hat 3 Krankenhäuser, eins davon in Finsterwalde. Fi hat 6 ITS-Betten, von denen sind 5 belegt. Weitere ca 20 Pat liegen auf Normalstation, auch diese können sehr schnell Intensivpflichtig werden. Die Covidpat. werden hauptsächlich in Fi behandelt damit in den anderen beiden Häusern ein einigermaßen normaler Betrieb laufen kann. Elsterwerda ist ca 30km, Herzberg ca 40km entfernt. Außerdem ist Herzberg die einzige Klinik in EE mit Kreissaal, Gynäkologie und Kinderstation.

  2. 8.

    Man muss unterscheiden zwischen der Entwicklung der Coronapatienten und den anderen. Bei den Coronapatienten sieht es sher moderat aus, das Problem sind die anderen. Was nützt es, die Maßnahmen nur auf Corona auszurichten? Die Immunsysteme der Kinder und auch vieler Erwachsener sind nicht trainiert genug, die letzten beiden "Grippesaisons" sind ja ausgefallen. Das rächt sich jetzt. Wenn man diese Welle jetzt wieder abschwächt mit radikalen Maßnahmen, wird die Welle nächsten Winter umso härter. Man kann vor der Natur nicht davonlaufen.

  3. 6.

    Ich verstehe das so, dass es problematisch wird, wenn die Zahl der Corona-Patienten wie erwartet steigen wird. Und deshalb wird schon mal herumgeschoben, um im Ernstfall Notfall-Betten frei zu haben.

    @DanI:

    Hm? Ich sehe da 4 von den 16 Intensivbetten in EE sind mit Covid-Patienten belegt. Bzw 25%. Belegungsrate der Intensivbetten 94%. Stand heute.

  4. 5.

    Ah, ok. Das könnte sein. Danke.

    Gerade eben scheinen auch die Zahlen aktualisiert worden zu sein. Nun sind es 4 Personen dort auf der Intensiv. Davon 1 Person beatmet.

  5. 4.

    Interessant sind auch die Hospitalisierungszahlen, die sinken seit drei Wochen und liegen bei nur einem kleinen Bruchteil vom letzten Winter. Das Problem scheint tatsächlich nicht Corona zu sein, sondern diverse andere Atemwegs-Krankheiten.

  6. 3.

    https://www.corona-in-zahlen.de/landkreise/lk%20elbe-elster/

    Und laut dieser Webseite sind 0 Corona-Patienten in EE auf der Intensiv. Stimmen die Angaben?

  7. 2.

    Wenn man 8500 Intensiv Betten und 2300 Notfallbetten im Land nur im Jahr 2020 abbaut,braucht man sich nicht wundern.

  8. 1.

    Versteh ich das richtig, dass das eigentliche Problem nicht wirklich die Corona-Kranken sind? Das gleiche liest sich auch aus dem RBB-Artikel über die Kinderrettungsstelle des Virchowklinikums. Das ist anscheinend ein Nachholeffekt aus dem letzten Winter.