Kommentar | Demonstrationen in Cottbus - Corona wurde an diesem Abend zur Nebensache

Sa 18.12.21 | 21:59 Uhr | Von Sebastian Schiller
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Mit einem Schild mit der Aufschrift "Woidke muss weg" marschieren Teilnehmer einer Demonstration gegen Corona-Maßnahmen entlang des Cottbuser Altmarktes. (Quelle: dpa/Frank Hammerschmidt)
Audio: rbb|24/Brandenburg aktuell | 19.12.2021 | Bild: dpa/Frank Hammerschmidt

Zwei Demonstrationen sind am Samstagabend in Cottbus eskaliert. Beide richteten sich laut Anmelder gegen die Corona-Maßnahmen – die spielten dann aber vor Ort kaum noch eine Rolle. Von Sebastian Schiller

Dass es ein spannender Abend in Cottbus wird, war vorherzusehen. Zum mittlerweile dritten Mal hatte der Chef der Cottbuser AfD, Jean-Pascal Hohm, für Samstagabend zum Abendspaziergang gegen die Corona-Beschränkungen aufgerufen, ein weiteres Mal sind tausende Menschen dem Aufruf gefolgt. Zeitgleich fand eine zweite Schwester-Demonstration auf dem Platz vor der Stadthalle statt.

Polizei und Anmelder hatten sich zu dieser Lösung entschieden, weil erstmals Corona-bedingte Einschränkungen galten: Maximal Tausend Leute dürfen pro Veranstaltung anwesend sein, zudem bestand Maskenpflicht. Die Polizei hatte den Ort der Demonstration am Oberkirchplatz deshalb eingezäunt. Der Andrang war aber größer, mehrere hundert Menschen standen außerhalb der Einzäunung. Der Cottbuser AfD-Chef Jean-Pascal Hohm heizte die Stimmung zusätzlich an, denn es stand der mögliche Abbruch der Demonstration im Raum.

Polizei: Viele Teilnehmer aus Hooligan- und Neonaziumfeld

Nach einer kurzen Rede legte er den Demonstranten nahe, noch einen Spaziergang durch Cottbus zu machen. Weit mehr als 1.000 Menschen zogen daraufhin von der Oberkirche durch die Innenstadt, zur zweiten Demonstration vor der Stadthalle. Die Polizei versuchte den Zug mit einer Straßensperre aufzuhalten.

Daraufhin griffen einzelne Demonstranten Beamte an. Die Lage eskalierte nun völlig, mehrere Demonstrationszüge bildeten sich und zogen durch die Innenstadt. Aus einem davon wurden immer wieder Böller geworfen. Die Polizei sprach hier von zahlreichen Teilnehmern aus dem Cottbuser Hooligan- und Neonaziumfeld. Mehrere Personen wurden in Gewahrsam genommen. Schon während der Demonstration am Oberkirchplatz waren zahlreiche Menschen aus dem selben Milieu sichtbar. Vertreter der rechtsextremen Kleinstpartei "Der Dritte Weg" verteilten Flyer.

Aufruf zum Sturz von Ministerpräsident Woidke

Corona wurde an diesem Abend zur Nebensache. Noch während der Veranstaltung wurde dazu aufgerufen, den brandenburgischen Ministerpräsidenten Dietmar Woidke zu stürzen. '"Woidke muss weg" stand auf einem Banner, das der spätere Demonstrationszug vor sich hertrug. Angestachelt wurden die Teilnehmer durch Jean-Pascal Hohm, der die Eindämmungsverordnung als ein Mittel der Regierung beschrieb, die Demonstranten klein zu halten. Weiter rief er dazu auf, sich in den nächsten Wochen dezentral am Samstagabend in der Innenstadt zu treffen, sollten die Auflagen härter werden.

Hohm selbst taucht in einem internen Gutachten des Verfassungsschutzes Brandenburg auf. Ihm wird vorgeworfen, zumindest zeitweise für die als rechtsextremistisch eingestufte "Identitäre Bewegung" aktiv gewesen zu sein.

Eine völlige Enthemmung

Als der Demozug startete, brachen auch bei vielen Demonstranten alle Dämme. Von Umsturzfantasien war die Rede, Polizisten wurden beleidigt und angepöbelt, teils auch attackiert. Es gab auch Aufrufe, das rbb-Team zu jagen und zu verprügeln. Was sich in Cottbus abgespielt hat war eine völlige Enthemmung bei den Demonstranten – mit Corona hatte all das inhaltlich nichts zu tun.

Ob es auch am nächsten Samstag eine Demonstration in Cottbus geben wird, ist fraglich. Dieser Abend wird aber vielen Demonstranten sicher in Erinnerung bleiben – als der Abend, an dem sie dem Staat gezeigt haben, dass sie auf einen menschlichen Umgang mit andersdenkenden, einen kooperativen Umgang mit der Polizei und auf die Corona-Maßnahmen pfeifen.

Sendung: Brandenburg aktuell, 18.12.2021, 19:30 Uhr

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Beitrag von Sebastian Schiller

9 Kommentare

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  1. 9.

    Es ist traurig, für was sich unsere Mitbürger und Mitbürgerinnen einspannen lassen. Können oder wollen sie nicht sehen worauf das hinaus läuft?

  2. 8.

    Der Nährboden für solche Extremisten sind Verschwörungstheorien auf Telegram und rechtsextremer Größenwahn. Corona ist nur Alibi dafür. Wenn das Thema irgendwann durch ist, suchen die Extremisten sich ein anderes. Solche Leute stehen schon lange nicht mehr auf dem Boden der freiheitlich demokratischen Grundordnung. Die träumen von ihrem "Tag X", einem rechtsextremen Umsturz.

  3. 7.

    Sorry aber wer mit solchen Leuten mitläuft der weiß was da passiert.... Ich habe nichts gegen friedliche Demonstrationen, aber das ging zuweit....

  4. 6.

    Nein, die Regierung ist nicht selbst schuld. Den extremistischen Terroristen ging es schon immer um Umsturz, nie um was anderes! Und wer Extremisten wie AFD, NPD, DVU, III Weg, etc. wählt, hinterher- und mitläuft, der weiß das auch!

  5. 5.

    Diese rechtsradikalen Menschen und die Gewalt machen mir langsam Angst. Schwer nachvollziehbar diese Denkweise, wo wir in einem Land leben mit so viel Freiheiten.

  6. 4.

    Unfassbar. Dank dem RBB für die unermüdlichen Versuche, sich durch Aufklärung dieser Welle zügelloser Dummheit entgegenzusetzen.
    Es wird Zeit, wirksamer gegen die Köpfe dieser „Bewegung“ vorzugehen. Mit Omikron im Anmarsch kann es nicht sein, dass das kollektive Bemühen, die Pandemie zu besiegen durch eine kleine aber zusehends radikalisierte Gruppe wirrer Gestalten sabotiert wird.
    Stoppt die Dummheit.

  7. 3.

    Die Regierung ist doch selbst Schuld. Das ständige Hin und Her war der perfekte Nährboden für den Unmut mittlerweile vieler Mancher...

  8. 2.

    Wir brauchen keine rechtsradikale in Deutschland so wie Masskenverweiger solche Menschen Musmann weg Spuren

  9. 1.

    Was ist das bloß für ein Volk? Man schämt sich nur noch dafür was da rumläuft.