Interview | Wasserforscher Christoph Merz vom ZALF - "Wir müssen bewusster mit der Komponente Wasser umgehen"

Mo 27.02.23 | 11:33 Uhr
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Fast zwei Meter Abstand hat ein Steg zu den Booten, die längst im Trockenen an der südlichen Spitze des Straussees liegen. Seit Jahren sinkt der Pegel des Straussees östlich von Berlin immer weiter. (Foto: dpa)
Audio: Antenne Brandenburg | 27.02.2023 | Christoph Merz | Bild: dpa

Viele sind in diesem Winter über jeden Tropfen Regen froh: Land- und Forstwirte genauso wie Fischer oder auch Wasserwerker, denn die Grundwasserstände im Osten Brandenburgs sind vielerorts besorgniserregend niedrig.

Das belegen auch Zahlen einer Forschungsgruppe mit dem Namen "Cliwacs". Die ist unter anderem am Müncheberger Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung, kurz ZALF, tätig. Einer der führenden Köpfe dort ist Professor Christoph Merz. Er beobachtet eine teils katastrophale Entwicklung bei Seen ohne Zuflüssen.

rbb24: Woran liegt das?

Professor Christoph Merz: Wenn die See-Wasserstände sinken, dann heißt das auch im Umkehrschluss, dass die Grundwasserstände sinken und das heißt wiederum, dass ich im System etwas verändert. Und diese Veränderungen beunruhigt uns insofern, dass diese Tendenz jetzt schon seit mehreren Jahren letztendlich kontinuierlich weitergeht und in den letzten drei, vier Jahren mit einer besonderen Geschwindigkeit. Da passiert etwas, was wir uns noch nicht so richtig erklären können. Das müssen wir genauer untersuchen.

Haben Sie die Befürchtung, dass Seen wie der Straussee bei Strausberg oder der Elsensee bei Grünheide sogar komplett austrocknen könnten?

Also noch ist das zu weit gefasst, dass diese tieferen und größere Seen komplett austrocknen. Davon gehen wir jetzt nicht aus. Das würde heißen, dass die Grundwasserstände so massiv sinken, wie wir es eigentlich im Augenblick nicht erwarten.

Ein Ausweg könnte sein, dass Brauchwasser – beispielsweise aufbereitetes Abwasser – nicht einfach in die Flüsse abgeleitet, sondern stärker wieder bei uns versickern. Meinen Sie, dies könne gerade beim Wassermangel im Sommer Abhilfe schaffen?

Ja, wir plädieren in diese Richtung, denn das Wasser wird in großen Mengen für die Trink- und Brauchwasserversorgung aus dem Grundwasserbereich entnommen. Und das Problem ist natürlich, wenn dieses Wasser aufbereitet wird, hochqualitativ durch die Nachbereinigung des Abwassers und dann sofort in ein Oberflächengewässer gegeben wird, dann fließt es aus der Landschaft heraus, dann fehlt dieses Wasser letztendlich in der Landschaft mittel und langfristig.

Wie schaffen wir es, dass wir langfristig genügend Trinkwasser und gleichzeitig gut gefüllte, gesunde Seen haben?

Wir müssen bewusster mit der Komponente Wasser umgehen. Zudem müssen wir auch generell einen gedanklichen Wechsel vollziehen. Denn bisher steht immer noch im Vordergrund in den Köpfen, dass Wasser etwas ist, was ganz schnell aus der Landschaft gezogen werden sollte. Wir haben immer noch eine Angst vor Hochwasser, die prägend ist in der Gesamtstruktur auch in dem Gesamtwassermanagement von Brandenburg. Und wir müssen dazu kommen, dass das Bewusstsein für Wasser, das Bewusstsein zum Halten des Wassers in der Landschaft ein wichtiger Aspekt ist, um dieser langfristigen Entwicklung des Wasserdefizits bei uns hier zu begegnen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Michel Nowak.

Sendung: Antenne Brandenburg, 27.02.2023, 14:30 Uhr

1 Kommentar

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  1. 1.

    Alles Wasser, welches der Natur bzw Landschaft entnommen wird, fehlt auch den Wäldern, Sümpfen und den Tieren. Warum wird immer nur an den Menschen gedacht. Ohne die Natur mit ihrer Vielfalt gibt es für uns kein Leben mehr. Aber dann ist das Gejammere groß.

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