Heruntergekommene Infrastruktur - Fast ein Viertel der Schleusen und Wehre in Brandenburg ist marode

Do 28.07.22 | 14:23 Uhr
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Marodes Schleusentor in Schwedt Brandenburg. (Quelle: rbb)
Bild: rbb

In Brandenburg sind aktuell elf Schleusen und 14 Wehre in einem schlechten Zustand. Sie müssen irgendwann repariert oder ersetzt werden, doch nächstes Jahr will der Bund die Investitionen in Wasserstraßen kürzen.

Eine dicke Spalte geht durch die Betonwand. Vier Meter lang, fünf Zentimeter breit ist der Riss der Schleuse in Schwedt an der Oder, die 1924 erbaut wurde. Eine Karte aus Papier mit aktuellen Messwerten klebt direkt am Riss, der seit vielen Jahren beobachtet wird. "Der ist stabil", sagt Nadine Reckzeh, die beim Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Oder-Havel arbeitet. "Dieser Riss ist nicht gefährlich für das Bauwerk", sagt sie.

Genau wie die Schleuse in Schwedt (Uckermark) geht es immer mehr Wehren und Schleusen in Brandenburg, die wichtig für den Bootstourismus und den Güterverkehr sind: Ihr Stand ist nicht gut und müssen saniert oder ersetzt werden. Nach einer parlamentarischen Anfrage der Linksfraktion veröffentlichte das Bundesverkehrsministerium am 19. Juli eine Liste zum Stand der Wasserinfrastruktur in Brandenburg. Die Schleuse Schwedt erhielt die Note 4,0. Nicht sehr gut, denn alles über 3,7 bedeutet: Sanierungsbedarf.

Bauwerke mit niedriger Note werden überwacht

Fast jede vierte Schleuse und jedes vierte vom Bund verwaltete Wehr ist nach Angaben der Bundesregierung marode. Das betrifft 11 von 52 Schleusen und 14 von 57 Wehren.

Die Regierung beschreibt den Zustand der Schleusen und Wehre in Brandenburg in ihrer Antwort als "stabil". Das Verkehrsministerium räumt allerdings ein, dass sich der Stand von sieben Schleusen und 18 Wehren in den vergangenen zehn Jahren verschlechtert habe.

Eine schlechte Note sage noch nichts über die Standsicherheit eines Bauwerks aus, betonte das Ministerium. Berücksichtigt werde immer "den schlechtesten Zustand eines Bauteils der Anlage". Damit ließen sich keine Rückschlüsse darauf ziehen, ob das Bauwerk repariert, instandgesetzt oder ersetzt werden muss. Alle Bauwerke mit einer Note 3,5 oder niedriger werden demnach überwacht.

"Dramatisch würde ich es nicht bezeichnen", sagt Nadine Reckzeh vom Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Oder-Havel dem rbb. Dank der Bauwerk-Inspektion habe ihr Amt alle Schadstellen gut im Blick, auf kurzfristige Veränderungen könne man dadurch schnell reagieren. "Man muss aber dazu sagen, dass kurz bis mittelfristig Investitionen auch möglich gemacht werden müssen", kritisiert sie.

Zwei Schleusen aktuell außer Betrieb

Diesen Investitionsstau sieht man in anderen Brandenburger Schleusen wie der in Hohensaaten (Märkisch-Oderland-Kanal). Dort soll bis 2028 eine neue Schleuse entstehen. Doch Personal- und Geldmangel bremsen immer wieder aus. Hinzu kommt: Auch im kommenden Jahr will der Bund die Ausgaben für Wasserstraßen um 21 Prozent auf nur noch 1,35 Milliarden Euro kürzen, so steht es im Haushaltsentwurf für 2023.

In Brandenburg sind aktuell zwei Schleusen außer Betrieb: in Kannenburg (Uckermark) und Kleinmachnow (Potsdam-Mittelmark). Die Schleuse Kannenburg wird nach Angaben des Bundesverkehrsministeriums durch einen Neubau ersetzt, 2023 soll sie fertig werden. In Kleinmachnow werde bis September die Mittelkammer instandgesetzt. Nach Inbetriebnahme soll die Nordkammer ertüchtigt und für voraussichtlich 17 Monate gesperrt werden.

Sendung: rbb24 Brandenburg Aktuell, 27.07.2022, 19:30 Uhr

Mit Material von Marie Stumpf

14 Kommentare

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  1. 14.

    Blaubär, was gefällt Ihnen denn an meiner Aussage nicht? Wenn eine Schleuse außer Betrieb ist, dann ist genau an dieser Stelle die Fahrt beendet. Stellen Sie sich mal vor, Sie kommen vom Scharmützelsee und möchten zurück nach Berlin. Dann fällt die Schleuse Neue Mühle in Königs Wusterhausen aus. Sie sind dann vor bzw. hinter der Schleuse gefangen und müssen warten, bis sie wieder funktioniert. Oder stellen Sie sich vor, Sie sind in Spandau und wollen in den Norden. Schleuse Spandau hat eine Störung. Dann fahren Sie drei Stunden Umweg über die Schleuse Plötzensee. Wenn Sie in der Innenstadt sind, und Charlottenburg und Spandau haben gleichzeitig eine Störung, die nicht kurzfristig behoben werden kann, müssen Sie durch die Stadt runter bis Köpenick, dort in den Teltowkanal, und dann über die Schleuse Kleinmachnow nach Potsam, um nach Spandau zu gelangen. Das ist an einem Tag schon nicht mehr zu schaffen. Und da wollen Sie bestreiten, dass man auf Schleusen angewiesen ist?

  2. 13.

    Das hat im speziellen nichts mit den Mitteln der anderen Bundesländer zu tun. Hier ist die Rede von Bundeswasserstraßen, allesamt im Besitz und Verwaltung des Bundes unter direkter Kontrolle des Bundestages.
    Überspitzt gesagt wenn beim WSA Klopapier bestellt wird, stimmt der Bundestag ab.

    Thema was funktioniert nicht. Das ist kein B oder BB Phänomen. Das gilt quasi für ganz DEU.
    Bin kürzlich die A7 von HH bis kurz vor Göttingen gefahren. Wir sollten in Bezug auf schlechte Straßen und Autobahnen im Osten ganz ruhig sein. Wo bei uns wegen kaum spürbarer Bodenwelle auf 60 gedrosselt wird, fährt oder besser springt man auf der A7 von Schadstelle zu Schadstelle mit erlaubten 120 über streckenweise 2 Spuren. Ich kam mir zeitweise vor wie auf der Autobahn Richtung Breslau von vor einigen Jahren, als das noch Nazibeton war.
    Ausbau der Autobahnen und Bundesstraßen in Holstein ist auch noch nicht wesentlich weiter als vor 30 Jahren als ich da lang zur Bundeswehr musste.

  3. 12.

    Korrektur allen Bürgern die die finanziellen Mittel für ein Wasserfahrzeug, den Zugang zum Wasser, den Wunsch und Können nach Nutzung haben.
    Das schränkt den Personenkreis erheblich ein. Eine entsprechende Benutzungsgebühr wäre also durchaus demokratisch darstellbar. Ich zahle genug Steuern ist da schon ein recht schwaches Argument.
    Privater Bootsverkehr ist eher selten beruflich und schon gar nicht überlebensnotwendig, also „Luxus“ einer Minderheit dessen Infrastruktur von der Mehrheit bezahlt wird. Wenn man damit noch Geld verdient, wird die Sache eigentlich noch verständlicher.

  4. 11.

    Wenn man da weiterdenket, könnte das Problem klarer werden. Im 19. und frühen 20 Jh. wurde mit viel Geld, Macht und Personal und weniger Regulierung schnell und gut gebaut. Teilweise mit militärischem Hintergrund.
    Das geht heute aus verschiedenen Gründen so nicht mehr. Hauptgrund wahrscheinlich die Anzahl der zu hörenden und zu beteiligenden. Dass Projekte über mehrere Legislaturperioden laufen, macht es sicher auch nicht einfacher.
    Deshalb dauert die Sanierung einer Schleuse heute länger als der ursprüngliche Bau des ganzen zugehörigen Kanals.
    Daraus ergibt sich konsequenterweise ein Stau an Maßnahmen.
    Selbst die Verbreiterung von einigen km dauert länger.
    Kürzlich in Kiel Holtenau festgestellt, so eine Schleusensanierung/Neubau kann zur Lebensaufgabe der beteiligten Ingenieure werden. Auch dort ist der technische Zustand inzwischen wohl eher mangelhaft.
    Auch wenn das in Kiel kaum mit irgendetwas in unserer Region vergleichbar sein dürfte. Bestenfalls noch mit Niederfinow.

  5. 10.

    Soso, mit nem Boot ist man also auf Schleusen total angewiesen.... Bist ja ein lustiger Seemannsgarnerzähler..

    Und da steht auch nix davon, dass die Dinger repariert werden. Da steht was von Mittelkürzung im Text und soso...

    Also paddel mal lustig weiter. Das geht auch ohne Steigkammern

  6. 9.

    " zu Finanzierung die Unternehmen auch mit heranziehen, die von dieser Infrastruktur wirtschaftlich profitieren."
    JAWOLL!

    Bevor der Mensch eingegriffen hat, sind die Fließgewässer ganz ohne Schleusen und Staustufen ausgekommen.
    UPS!

  7. 8.

    Was ist mittlerweile nicht marode in diesem Land? Deutschland hat die höchsten Steuersätze weltweit, wofür eigentlich?

  8. 7.

    "Schleuse in Schwedt an der Oder, die 1924 erbaut wurde" Tolle Ingenieursleistung damals, 100 Jahre Standzeit.

  9. 6.

    Ich zahle schon genug Steuern, von daher finde ich es gut, dass diese Infrastruktur allen Bürgerinnen und Bürgern ohne weitere Zahlungen zur Verfügung steht. Als Bootfahrer ist man nun mal total auf die Schleusen angewiesen, von daher ist es gut, dass sie saniert werden, um einen zuverlässigen Betrieb sicherzustellen.

  10. 5.

    Es ist nicht verständlich, warum man für den kleinsten PKW Steuer zahlen muss, für die größte Yacht aber nicht! Und die Schleusen werden auch umsonst genutzt!

  11. 4.

    Das altbekannte Klagelied…. wurde nach der Wende laut gesungen, was die böse DDR alles vergammeln liess, war dann leise, weil kein Geld für die Sanierung da war, wurde 1997 nach der „Jahrhundertflut“ der Oder wieder lauter, Geld war da, aber kein Plan und nun 25 Jahre später gammeln die Schleusen und Wehre immernoch vor sich hin, wahrscheinlich bis zur nächsten „Jahrhundertflut“ der Oder. Jammert und klagt schön weiter, aber nicht zu laut - nicht dass noch ein Verantwortlicher wach wird. Psst…..

  12. 3.

    Vielleicht sollte man zu Finanzierung die Unternehmen auch mit heranziehen, die von dieser Infrastruktur wirtschaftlich profitieren. Die Berufsschifffahrt muss das schon immer. Die vielen Charternternehmen für Boote und diese immer größer werdenden Familienyachten und Pontonbungalows nicht. Warum eigentlich nicht? Die nutzen für ihr Gewerbe die Schleusen und Kanäle ja auch.

  13. 2.

    Eigentlich müssen wir doch nur warten, bis im europäischen Ausland etwas verheerendes passiert.
    Aber dann gehts los!
    Evtl. dann Parallele zu maroden Brücken in Deutschland und dem schlimmen Zusammenbruch der Brücke in Italien. ;-(

  14. 1.

    Ich denke es ist machbar, in einem Satz kurz darzustellen, was in Berlin und Brandenburg überhaupt noch intakt ist.
    Was wird eigentlich mit dem ganzen Geld aus anderen Bundesländern in Berlin getan?

    Ich sehe am Horizont Pleitegeier kreisen...

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